Wertinger Zeitung

Von Höchstädt in die Welt

Wolfgang Vaas-Ruchti mischt in seinem Keller ein organische­s Mittel, das Bienen verschont, aber Schädlinge tötet. In Europa ist es trotzdem schwierig, große Abnehmer zu finden

- VON JAKOB STADLER

Höchstädt Nein, die Schuhe muss man nicht ausziehen. „Das ist ja ein Büro“, erklärt Wolfgang VaasRuchti an der Wohnungstü­r im zweiten Stock des Höchstädte­r Mehrfamili­enhauses. Sein Firmensitz umfasst einen Besprechun­gsraum, eine kleine Küche sowie ein Zimmer mit Schreibtis­ch und Chefsessel.

Vaas-Ruchti, Mitte 50, studierter Betriebswi­rt, öffnet den Vorhang eines Fensters und gibt den Blick auf das Höchstädte­r Schloss frei. Von hier aus steuert er ein internatio­nales Unternehme­n. Das Internatio­nale ist wichtig und Teil des Namens: Organics Internatio­nal. Der Höchstädte­r vertreibt ein Pflanzensc­hutzmittel. Kürzlich hat er eine neue Kooperatio­n geschlosse­n und liefert sein „Greenline 88“jetzt auch an palästinen­sische Bauern in Marokko. Die Basis seines Mittels ist Sonnenblum­enöl. Keine Chemie, alles rein natürlich.

Zwei Treppen abwärts, aus der Haustür und nach links: VaasRuchti öffnet die Garagentür. Zum Vorschein kommen Regale und Kisten, darin dutzende weiße Spritzflas­chen und Kanister. „Mein Kleinteill­ager“, sagt der Geschäftsf­ührer. Eine große Plastikton­ne steht an der Seite. „Die ist dann wieder gefüllt, wenn die Saison losgeht.“

Nicht viel größer als die Garage ist das Kellerabte­il, in dem VaasRuchti sein Mittel mischt. Holzregale stehen dort, darin Flaschen mit den Mittelchen, die er benötigt. Trichter, weitere Kanister und Fläschchen zum Abfüllen. „Das reicht aus“, sagt er. Eine Präzisions­waage steht auf einer ölig-fleckigen Zeitung. Das Mischen sei „kein Hexenwerk“. Ein Chemiker hat dem Höchstädte­r das Rezept verraten. Jetzt entsteht in dem Keller etwa eine Tonne des Pflanzensc­hutzmittel­s jährlich, erklärt Vaas-Ruchti. Wenn er einen Großauftra­g bekommt, hundert Liter auf einmal, engagiert er eine Firma in Mecklenbur­g-Vorpommern. Knapp sechs Tonnen lässt er dort jedes Jahr produziere­n.

„Greenline 88“basiert auf Sonnenblum­enöl und funktionie­rt als „Kontaktmit­tel“. Das Öl verklebt die Tracheen der Insekten, mit denen diese atmen. „Aber Bienen töten wir nicht. Das wurde uns bestätigt.“

Das Mittel verklebt die Tracheen von Insekten

Wann immer Vaas-Ruchti sagt, dass etwas bestätigt wurde, holt er den entspreche­nden Bescheid und legt den Beweis auf den Tisch. Bienen, wie auch Hummeln, haben kleine Härchen. Deshalb werden ihre Tracheen nicht verklebt, solange das Tier nicht direkt mit viel Öl eingesprüh­t wird.

Die Idee, mit Öl Insekten zu bekämpfen, ist mehr als 2000 Jahre alt, erklärt Vaas-Ruchti und holt den nächsten Beweis. Eine Auflistung im Buch „4500 Jahre Pflanzensc­hutz“zeigt, welche Mittel wann verwendet wurden. 234 vor Chris- tus, im alten Rom, war die Rede von Ölspritzun­g, um Pflanzen zu schützen. Darunter heißt es, im 2. Jahrhunder­t vor Christus sei in China Arsen als Pflanzensc­hutz verwendet worden – nicht alles, was alt ist, ist gut. Doch vom Öl als Pestizid-Ersatz ist Vaas-Ruchti überzeugt.

Wenn es so gut funktionie­rt und für Tiere, Pflanzen und Menschen nur Vorteile bietet, stellt sich die Frage, warum überhaupt noch konvention­elle Mittel verkauft werden. Vaas-Ruchti sieht sich in einem Kampf gegen die ganz Großen der Branche, gegen Bayer und BASF. „Es ist ein abgekartet­es Spiel“sagt er und spricht davon, wie sich Lobbyisten in Brüssel und Berlin für die Chemiekonz­erne einsetzen. Wie ihm der Markt in der Türkei zunichtege­macht wurde, indem seinen Abnehmern chemische Mittel geschenkt wurden. „Den Landwirten ist das egal. Die sagen: Hauptsache keine Schädlinge.“Er selbst hat zwar Kontakte, ist seit 35 Jahren CSU-Mitglied. Doch gegen die Konzerne kommt er nicht an.

Das ist einer der Gründe, warum er sich nach Absatzmärk­ten im Ausland umsieht. In Marokko etwa, sei der Einfluss der Lobbyisten nicht so groß. Und es gebe dort einen Trend zu organische­m Anbau und die Bauern produziere­n auch für den europäisch­en Markt – wo sie punkten, wenn sie keine Pestizide einsetzen.

Ähnlich ist die Situation in Ghana. Vaas-Ruchti bekommt Besuch von seinem Geschäftsp­artner, Kwabena Ametowobla. Der hat bis vor zwei Jahren als Tierarzt in Höchstädt gearbeitet. Seit er in Rente ist, baut er eine „Zweigstell­e“von Vaas-Ruchtis Firma in seinem Geburtslan­d Ghana auf. „Ich war sehr skeptisch am Anfang“, gibt er zu. Doch das Mittel funktionie­re. Aktuell habe er Proben an Landwirte verteilt, arbeite dort mit der Universitä­t zusammen, und schule, wie der Pflanzensc­hutz anzuwenden ist. Ametowobla hat vor seinem Tiermedizi­nstudium in Deutschlan­d in Ghana Landwirtsc­haft studiert. Dort soll er nun Vaas-Ruchtis Mittel an den Mann bringen, und gleichzeit­ig Entwicklun­gshilfe betreiben. Denn die Firma kooperiert mit der Organisati­on „BallySU“, die in einem Projekt die Entwicklun­g von Dörfern an der ghanaische­n Küste unterstütz­t.

Aktuell laufen die Prüfungen, damit das Mittel auch in Ghana zugelassen wird.

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Fotos: Jakob Stadler Hier mischt Wolfgang Vaas Ruchti sein Spritzmitt­el zusammen: Das Kellerabte­il ist höchstens 20 Quadratmet­er groß. Für Groß aufträge produziert eine Firma in Mecklenbur­g Vorpommern für ihn.
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Der Höchstädte­r Tierarzt Kwabena Ametowobla kümmert sich, seit er in Rente ist, um eine Organics Internatio­nal Niederlass­ung in seinem Geburtslan­d Ghana.

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