Das Geheimnis der Weißwurst
Wie in Bayern die Traditions-Wurst hergestellt wird und wer ihr Konkurrenz macht
Landkreis Weißwürste schmecken am besten frisch aus dem Kessel. Dazu gehört für den Unterthürheimer Metzgermeister Helmut Braun noch süßer Senf, und zwar der von Händlmaier. „Wenn man nicht den richtigen drauf hat, dann schmecken die nicht“, betont der 49-Jährige.
Nadja Griener von der gleichnamigen Metzgerei in Lauingen ist der gleichen Meinung. Warum es gerade dieser Senf sein muss, begründet sie mit dem darin enthaltenen Meerrettich, der den süßscharfen Geschmack ausmacht. Bei der Frage, ob eine Wurst nicht auch ohne Senf schmecken sollte, stimmt ihr Mann Leonhard Griener durchaus zu, ergänzt jedoch: „Der süße Senf unterstreicht den guten Geschmack.“
Obwohl es ein Standardrezept für Weißwürste gibt, das in den Statuten des Fleischereiverbands festgeschrieben ist, hat jeder Metzger sein Geheimnis, sein traditionelles Rezept. Schweinefleisch, Kalbfleisch und Speck sowie Eis, damit die Masse emulgiert, kommen in den Schneidmischer, wo sich die Messer bis zu 5000-mal in der Minute drehen. „Bei sechs Messern sind das 30000 Schnitte in der Minute. Da muss das Eis zur Kühlung rein, sonst wird das Brät warm“, erklärt der Metzgermeister. Das ist bei jeder Brühwurst so, führt Griener weiter aus. Dadurch wird das Brät homogen und locker. Bei Weißwürsten wird Kochsalz zugegeben, im Gegensatz zur Rauchwurst, in die Pökelsalz kommt, wodurch das Brät rosafarben schimmert. Dann kommen die Gewürze: Pfeffer, Macis – der auch Muskatblüte genannte Samenmantel der Frucht des Muskatnussbaums – Ingwer, Koriander, Kardamom sowie Zitrone. Und dann, kurz bevor das Wurstbrät fertig ist und in die Schweinedärme gefüllt wird, gibt der Metzger die Petersilie rein. Was genau sein Geheimnis ist, verrät Metzgermeister Griener natürlich nicht, nur allgemein: „Der eine macht mehr Zitrone rein, mehr Petersilie oder mehr Eis.“
Schon in der Früh um halb sechs sind die Weißwürste bei ihm fertig. Ob da tatsächlich schon jemand Lust hat? Griener denkt an die Zeit, wo es in Lauingen noch mehrere Wirtschaften gab, die zur Faschingszeit nach den Faschingsbällen Weißwurstessen angeboten haben. Das gibt es heute nicht mehr, dafür eine neue Tradition in der Markthalle Unterthürheim: Drei Weißwürste frisch aus dem Kessel mit zwei Brezen landen dort donnerstags auf den Tellern, erzählt Metzgermeister Braun. Den Termin wissen die Mitarbeiter der Firmen in der Umgebung und auch viele Rentner.
Ob er die Weißwürste zuzzelt, wie es angeblich die richtige Art und Weise ist? Braun sieht das gelassen. „Jeder isst sie anders.“Er selbst macht die Haut weg und schneidet die Wurst auf. In einem ist er sich jedenfalls mit vielen Bayern einig: „Eine Weißwurst und ein Weizen dazu, ist doch was guats.“
Dass die Weißwurst aber der Renner unter den Wurstsorten sei, mag keiner unserer Gesprächspartner behaupten. In Unterthürheim liegen die Wiener gleichauf und die Spezialität der Region, die Schüblinge. Der Leberkäs’ ist genauso gefragt in Lauingen, meint Nadja Griener, und noch vieles mehr.
Ähnlich wie Weißwürste sind Gschwollne. Nachdem die aber keine Haut haben, kommt zumindest keiner auf die Idee zu fragen, wie man die loswird.
Von der Grundidee, also vom Brät her, sind beide ziemlich ähnlich, bestätigt der Dillinger Metzgermeister Bernhard Starrock. „Mit der frischen Petersilie kommt die Weißwurst vom Geschmack her aber frischer raus“, ist seine Meinung. Ihm schmeckt beides gleich gut. Er glaubt allerdings, dass sich viele, die ein schnelles Essen wollen, vom Aufwand her für die Weißwürste entscheiden. „Die müssen nur schnell warm gemacht werden. Süßer Senf dazu und die Breze, fertig ist das Essen. Zu den Gschwollnen gehören für ihn eine gute Soße und der hausgemachte Kartoffelsalat. In seinem Partyservice spielen die Würste keine Rolle, stellt Starrock sofort klar. Auch er kennt die Tradition des Weißwurstessens nach den Faschingsbällen. Dass er die nachts noch ausliefert, davon will er verständlicherweise nichts wissen. Zu ihren Feiern ordern die Leute lieber Braten oder kalte Platten. Etwas Besonderes halt, das sie nicht selbst schnell – etwa wie Weißwürste aus dem Kessel – auf den Tisch bringen können.