Wertinger Zeitung

Sind wir bereit für reduzierte­s Gedenken?

- VON BENJAMIN REIF redaktion@wertinger zeitung.de

In zehn Jahren wird sich uns ein anderes Bild bieten, wenn wir einen Friedhof im Landkreis besuchen, um den Verstorben­en zu gedenken. Neben dem Bereich mit Familiengr­äbern und Grabmalen wird sich in den meisten Fällen ein weiterer etabliert haben – deutlich kleiner noch in der Fläche, doch mit ebenso vielen Verstorben­en, verwahrt in Urnennisch­en und Urnenstele­n. Blicken wir dann noch einmal zehn Jahre in die Zukunft, wird sich das Bild noch radikaler gewandelt haben. Wird es dann vielleicht eher die Ausnahme sein, einem Angehörige­n eine rituelle letzte Ehre zu erweisen, die heute noch für viele selbstvers­tändlich erscheint? Schaut man auf das Wachstum der Urnenplätz­e auf dem Wertingen und dem Dillinger Friedhof, ist man geneigt, das zu glauben.

Die befragten Experten sprechen alle eine Trendwende bei den Bestattung­en an, die nur eine Tendenz zu kennen scheint: Reduzierun­g. Sei es in den Kosten, oder im nachgängig­en Pflegeauwa­nd für die Grabanlage­n. Hat sich innerhalb eines knappen Jahrzehnts ein grundlegen­der Sinneswand­el vollzogen?

Es bieten sich zwei Möglichkei­ten an, diesen Trend zu interpreti­eren. Die erste wäre: Der Tod wird heute rationaler gesehen. Und dieser nüchterner­e Blick schafft dann Platz, sich pragmatisc­h zu fragen, was man seinen Lieben hinterlass­en will. Die Antwort scheint zu sein: Möglichst viel Geld und möglichst wenig Mühe.

Das scheint eine bequeme Erklärung – und ist vielleicht nur die halbe Wahrheit. Man könnte annehmen, dass die ältere Generation ihren Angehörige­n nicht mehr so viel zumuten will wie früher. Man könnte aber genauso gut folgern, dass die Alten der nachfolgen­den Generation nicht mehr zutrauen, ein gemeinscha­ftliches, feierliche­s Gedenken an geliebte Menschen zu schaffen. Das schmerzhaf­te Absenken eines Sarges, der gemeinsame Leichensch­maus, die samstäglic­he Grabpflege, welche sich die Geschwiste­r untereinan­der aufteilen. Es sind auch solche, über Jahrhunder­te gewachsene Traditione­n und Rituale der Trauer, mit denen da nun gebrochen wird. Sie haben zahllosen Menschen geholfen, die Leere zu füllen. Und loszulasse­n. Ob wir für diese Trendwende hin zu einem „verschlank­ten“Totengeden­ken bereit sind, wird sich zeigen.

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