Sind wir bereit für reduziertes Gedenken?
In zehn Jahren wird sich uns ein anderes Bild bieten, wenn wir einen Friedhof im Landkreis besuchen, um den Verstorbenen zu gedenken. Neben dem Bereich mit Familiengräbern und Grabmalen wird sich in den meisten Fällen ein weiterer etabliert haben – deutlich kleiner noch in der Fläche, doch mit ebenso vielen Verstorbenen, verwahrt in Urnennischen und Urnenstelen. Blicken wir dann noch einmal zehn Jahre in die Zukunft, wird sich das Bild noch radikaler gewandelt haben. Wird es dann vielleicht eher die Ausnahme sein, einem Angehörigen eine rituelle letzte Ehre zu erweisen, die heute noch für viele selbstverständlich erscheint? Schaut man auf das Wachstum der Urnenplätze auf dem Wertingen und dem Dillinger Friedhof, ist man geneigt, das zu glauben.
Die befragten Experten sprechen alle eine Trendwende bei den Bestattungen an, die nur eine Tendenz zu kennen scheint: Reduzierung. Sei es in den Kosten, oder im nachgängigen Pflegeauwand für die Grabanlagen. Hat sich innerhalb eines knappen Jahrzehnts ein grundlegender Sinneswandel vollzogen?
Es bieten sich zwei Möglichkeiten an, diesen Trend zu interpretieren. Die erste wäre: Der Tod wird heute rationaler gesehen. Und dieser nüchternere Blick schafft dann Platz, sich pragmatisch zu fragen, was man seinen Lieben hinterlassen will. Die Antwort scheint zu sein: Möglichst viel Geld und möglichst wenig Mühe.
Das scheint eine bequeme Erklärung – und ist vielleicht nur die halbe Wahrheit. Man könnte annehmen, dass die ältere Generation ihren Angehörigen nicht mehr so viel zumuten will wie früher. Man könnte aber genauso gut folgern, dass die Alten der nachfolgenden Generation nicht mehr zutrauen, ein gemeinschaftliches, feierliches Gedenken an geliebte Menschen zu schaffen. Das schmerzhafte Absenken eines Sarges, der gemeinsame Leichenschmaus, die samstägliche Grabpflege, welche sich die Geschwister untereinander aufteilen. Es sind auch solche, über Jahrhunderte gewachsene Traditionen und Rituale der Trauer, mit denen da nun gebrochen wird. Sie haben zahllosen Menschen geholfen, die Leere zu füllen. Und loszulassen. Ob wir für diese Trendwende hin zu einem „verschlankten“Totengedenken bereit sind, wird sich zeigen.