„Die Dillinger Geburtshilfe hat eine Zukunft“
26 Jahre lang war Dr. Eberlein Belegarzt in Dillingen. Er erklärt, warum er das nicht mehr macht
Dillingen Ein Mal im Monat springt Dr. Berthold Eberlein noch am Dillinger Kreiskrankenhaus ein. 26 Jahre lang war er dort Belegarzt. Allein bei seinem letzten Wochenenddienst kamen fünf Kinder zur Welt. Doch mehr als einspringen will der Lauinger Gynäkologe nicht mehr. Auch die anderen Belegärzte, die am Dillinger Krankenhaus für die Geburtshilfe tätig waren, haben gekündigt – ebenso wie die beiden angestellten Gynäkologen, Dr. Sascha Vietoris und Dr. Eva-Maria Link. Auch das ist, neben den fehlenden Hebammen, ein Grund dafür, dass die Geburtshilfe nun vom 23. März bis 30. Juni vorübergehend geschlossen wird.
„Das ist ausgesprochen schade“, sagt Dr. Eberlein. Werdende Mütter bereite diese Entscheidung Stress. Sie hätten große Probleme, weil sie nicht in dem Krankenhaus entbinden können, dass sie sich ausgesucht haben. Das sei eine echte Belastung für die Betroffenen. Eberlein hat seine Patientinnen darüber aufgeklärt. Die Kreisklinik in Günzburg sei gut ausgestattet und erreichbar. „Ich denke, das ist die erste Anlaufstelle.“Doch wie geht es in Dillingen weiter? Laut Eber- ist die Geburtshilfe dort neu und gut eingerichtet, sie sei mutter- und kindgerecht. Das begeistere Schwangere und sei auch für Ärzte ansprechend. Eine gute Geburtshilfe sei in jeder Hinsicht möglich.
Das Belegarztsystem wäre in der Abteilung nicht mehr vorgesehen. Eberlein erklärt, jeder Lastwagenfahrer müsse Pausen einlegen, aber Belegärzte nicht. „Wir sind nach dem Nachtdienst am nächsten Morgen wieder in der Praxis. Das ist auf Dauer zu viel. Es ist nicht zu verantworten und nicht zu leisten.“Dieses System fände auch bei jungen Ärzten kein Interesse mehr. Zudem werde die Geburtshilfe immer anspruchsvoller. Ob sie sich in Dillingen mit 500 bis 600 Geburten im Jahr überhaupt rechnet, will Eberlein nicht beurteilen, doch er betont: „Die Dillinger Geburtshilfe hat eine Zukunft, auf jeden Fall – wenn Ärzte und Hebammen gefunden werden und mit den Kollegen ein gutes Team bilden.“Vielleicht ginge es dann sogar ohne das Medizinische Versorgungszentrum.
berichtet, hatte das Krankenhaus die beiden neuen Gynäkologen Link und Vietoris angestellt. Diese hätten ihren Dienste zwischen Krankenhaus und MVZ aufgeteilt und wären so auch in der ambulanten Versorgung tätig gewesen. Um ein MVZ betreiben zu können, ist ein Kassensitz nötig. Doch um den einzig freien bewarb sich auch der Dillinger Frauenarzt Tomas Fischer. Der Zulassungsausschuss, in dem jeweils drei Ärzte und drei Vertreter der Krankenkassen sitzen, gab ihm den Sitz. Dr. Ulrich Gerlach – Frauenarzt und bis vor einigen Jahren auch Belegarzt am Dillinger Krankenhaus, ist nun in der Praxis Fischer eingestiegen. Nach der Entscheidung des Zulassungsausschusses hatten Vietoris und Link gekündigt.
Wenn sie das Dillinger Kreiskrankenhaus verlassen haben, werden Honorarärzte in der Gynäkologie arbeiten (nur die Geburtshilfe wird wochenlang geschlossen). Für Uli-Gerd Prillinger, Geschäftsführer der Kliniken im Landkreis Dillingen, war die Entscheidung des Zulassungsausschusses der „größte anzunehmende Unfall“. Binnen von drei Monaten hätte das MVZ den Betrieb aufnehmen können. Aber dann sei alles wie ein Kartenhaus zulein sammengefallen. Für ihn ist ein MVZ die einzige Möglichkeit, bei rund 500 Geburten im Jahr die Geburtshilfe aufrechtzuerhalten.
Dr. Ulrike Bechtel, Chefärztin am Dillinger Krankenhaus, kann den Zulassungsausschuss verstehen. „Der muss so entscheiden, aber der rechtliche Hintergrund hinkt der Realität hinterher.“Es gebe inzwischen viel zu wenige Gynäkologen und Hebammen. Dieser Mangel werde in der Gesetzgebung nicht abgebildet. „Wir haben die Ärzte nötig – die uns nicht.“Das MVZ sei ein ideales Konzept, damit Krankenhäuser dort einspringen können, wo es die niedergelassenen Ärzte nicht mehr tun.
Doch erst müsste ein neuer Kassensitz her. In Lauingen wird keiner frei. „Ich will nicht mit 65 zu machen“, betont Dr. Eberlein, der längst noch nicht so alt ist. Jetzt, wo er nur noch in seiner Praxis tätig ist, habe er Spaß an der Arbeit, sei glücklich, sein eigener Chef und die Leute kämen gerne.
Er findet, es bräuchte neue IdeWie en, etwa diese: junge Hebammen anzustellen. Sie hätten dann nicht das Risiko der Selbstständigkeit und feste Arbeitszeiten. Sogar Teilzeit wäre möglich. Der Frauenarzt betont, das Dillinger Haus habe eine Chance. Für Frauen und für das Krankenhaus sei es extrem wichtig, dass es eine Geburtshilfe gibt. Das Haus lebe davon, dass diese Abteilung da ist. „Und mit politischer Hilfe kann man schon etwas in Bewegung setzen.“Bechtel appelliert, jetzt keine Schuldigen zu suchen. Vom Reinigungspersonal bis zu Geschäftsführung würden alle bis zum Anschlag arbeiten. Sonst wäre der Alltag am Krankenhaus gar nicht zu schaffen. „Alle sind am Limit. Dafür fehlt die Wertschätzung.“Archivbilder: Homann Laut Kassenärztlicher Vereinigung arbeiten (Stand Januar 2018) im Landkreis Dillingen neun Frauenärz te, die für die ambulante Versor gung tätig sind. Von den Medizinern sind vier über 60 Jahre alt. Der Versorgungsgrad im Landkreis Dil lingen liegt damit bei 113,4 Pro zent. (corh)
Frauenärzte im Landkreis