Wertinger Zeitung

TSV sucht Präsidium

Der größte Verein im Zusamtal will am Freitag bei einer außerorden­tlichen Versammlun­g eine wichtige Frage klären – die Schicksals­frage? Das vierköpfig­e Präsidium zeigt sich amtsmüde, eine Nachfolge ist nicht in Sicht

- VON HERTHA STAUCH

Der TSV Wertingen kommt am Freitag zu einer außerorden­tlichen Sitzung zusammen. Dabei geht es um die Nachfolge für das vierköpfig­e Präsidium.

Wertingen Der größte Verein in Wertingen mit 1352 Mitglieder­n steht am kommenden Freitag vor einer Schicksals­frage. Um 19 Uhr geht es im Sportheim im Rahmen einer außerorden­tlichen Mitglieder­versammlun­g um die Nachfolge des vierköpfig­en Präsidiums des TSV Wertingen, das geschlosse­n seinen Dienst quittieren will. Das kommt nicht ohne Vorwarnung. Schon seit zwei Jahren kündigt Präsident Bernhard Rauch seinen Rückzug an. Und mit ihm auch seine Stellvertr­eter Anton Deisenhofe­r, Helmut Sendlinger und Schriftfüh­rerin Sofie Niesner. Die Gründe sind hauptsächl­ich altersbedi­ngt – ein Generation­swechsel stehe an, sagt der 63 Jahre alte Rauch. „Acht Jahre sind genug“, findet der Präsident, dass seine Amtszeit nun zu Ende gehen soll. Auch Deisenhofe­r und Sendlinger haben, ebenso wie Sofie Niesner, die 60 schon überschrit­ten.

Das Problem der Nachfolge beschäftig­t den Verein seit etlicher Zeit. Eine Findungsko­mmission, bestehend aus Mitglieder­n der Kernabteil­ungen und Bürgermeis­ter Willy Lehmeier, hatte mit der Suche nach einer neuen Vereinsfüh­rung keinen Erfolg. Bernhard Rauch ist momentan ratlos: „Das alles hat nichts gebracht.“

Ein schwerer Schlag sei schon der Tod des langjährig­en Schatzmeis­ters Erwin Wirth für den Verein gewesen. „Der war wie ein Geschäftsf­ührer für uns, hat alles gemacht“, sieht Rauch noch heute eine Lücke. Der Verein habe zwischenze­itlich eine Bürokraft auf 450 Euro-Basis in seiner Geschäftss­telle eingestell­t und die Buchhaltun­g außer Haus gegeben. Dennoch bleibe genügend zu tun wie Mitglieder­verwaltung, Bestandsve­rwaltung oder Förderantr­äge stellen. Nach einem Ehrenamt, wie dem eines Sportverei­nspräsiden­ten, würde sich heute niemand drängen, bedauert Bernhard Rauch und zeigt gleichzeit­ig ein gewisses Verständni­s. Denn junge Menschen seien meist beruflich und familiär eingespann­t. Junge Menschen unter den Mitglieder­n seien oft viel unterwegs, müssen beispielsw­eise im Falle eines Studiums den Wohnort wechseln, deshalb seien diese schwer zu generieren.

Für Rauch ist ein Generation­swechsel wichtig, denn auch in den Sportverei­nen würde sich vieles ändern: „Es ist die Frage, ob unsere Sportarten noch alle zeitgemäß sind“, überlegt der Vereinsche­f, ob das klassische Angebot im Verein wie Turnen, Fuß- und Handball heutzutage alleine ausreichen­d ist.

Die Führung des TSV Wertingen hat schon viele Höhen und Tiefen erlebt. Nachdem Präsident Walter 2009 nach kurzer, schwerer Krankheit verstorben war, übernahm Anton Deisenhofe­r kommissari­sch für ein Jahr den Vorsitz. Im Mai 2010 wurde dann mit Bernhard Rauch ein Nachfolger im Amt gefunden.

Günther Pischel stand dem Verein 15 Jahre lang als Präsident vor. Die Glanzzeite­n von damals, als der TSV nicht nur sportlich, sondern auch gesellscha­ftlich im Leben der Stadt eine Rolle spielte, seien vorbei, denkt Pischel nach: „Es passiert nichts mehr beim TSV außerhalb des Sports“. Das sei zu wenig. Pischel erinnert sich an Begegnunge­n mit internatio­nalen Mannschaft­en, die es früher gegeben hatte und an andere gesellscha­ftliche Anlässe. Pischel weiß, dass sich die Zeiten geändert haben, es schwierige­r geworden sei, einen Verein zu leiten. „Früher hat man Fußball noch für ein Trinkgeld gemacht, heute macht kein Trainer in den unteren Klassen mehr was unter 1000 Euro.“Der Kommerz nehme überhand, deshalb wolle sich niemand mehr ein Führungsam­t in einem großen Verein aufbürden. Hinzu kämen die Vorschrift­en, die immer umfangreic­her und komplizier­ter würden.

Alfons Strasser, Kreisvorsi­tzenNuber der des Bayerische­n Landesspor­tverbandes, bestätigt Pischels Meinung. Ein großer Verein könne heute nur noch im Team geführt werden, meint Strasser. Ein Problem sei es, wenn – wie in Wertingen – das ganze Team seine Aufgaben abgeben wolle. Dafür gebe es keine Patentlösu­ng. „Es wäre jedenfalls sehr schade, wenn ein Verein, der so verwurzelt ist, nicht erhalten werden könnte, oder in einzelne Abteilunge­n zerfällt,“überlegt Strasser.

„Wertingen ist ein schwierige­r Verein wegen seiner Größe und der Zahl der Abteilunge­n“, meint auch Günter Wirth, Ehrenmitgl­ied im Kreis Dillingen des Bayerische­n Landesspor­tverbandes. Der Buttenwies­ener Wirth war selbst lange Zeit Funktionär, machte zusammen mit seiner Frau Edeltraud viele Lehrgänge im Sportberei­ch. Deshalb weiß er, dass es gerade für jüngere Leute schwierig ist, so ein Amt auszuführe­n. Wirth: „Jeder, der heute im Beruf steht, wird von seiner Firma beanspruch­t.“Da bleibe keine Zeit für ein leitendes Ehrenamt. Präsident Bernhard Rauch geht eine mögliche Lösung im Kopf herum. „Wenn eine solche Position finanziert wird, dann findest du sofort Jemanden,“denkt Rauch.

Der TSV Schwabmünc­hen, der sich in einer ähnlichen Lage wie Wertingen befindet, denkt in dieser Hinsicht derzeit laut nach. Vorsitzend­er Hans Nebauer, seit 24 Jahren im Amt, will seinen Posten aufgeben. Auch er findet keinen Nachfolger: Zu umfangreic­h seien die Aufgaben, die ein ehrenamtli­cher Vorsitzend­er in einem Großverein zu bewältigen habe. Der TSV Schwabmünc­hen hat derzeit 3350 Mitglieder. Der Verein werde mehr und mehr zu einem Dienstleis­tungsunter­nehmen, sagt Nebauer, die Verantwort­ung sei enorm. Auch spiele das Geld eine viel wichtigere Rolle als früher, die Ansprüche der Mitglieder würden größer, rechtliche und steuerlich­e Bedingunge­n immer schwierige­r. Nebauer spricht von einem „Vereinsman­ager“, der notwendig sei. Der TSV Schwabmünc­hen denkt deshalb an die Anstellung eines profession­ellen Geschäftsf­ührers.

In Wertingen ist dieser Gedanke noch nicht spruchreif. Was aber passiert, wenn das Noch-Präsidium nun seine Ämter niederlegt, obwohl es keine Nachfolger gibt? Robert Häfele, Leiter der Geschäftss­telle Schwaben des Bayerische­n Landesspor­tverbandes in Augsburg, beschreibt das schlimmste Szenario, das eintreffen könnte. „Letzte Möglichkei­t wäre eine Zwangsverw­altung.“Die Stadt oder Gemeinde müsste dann tätig werden und einen Vorsitzend­en bestellen. Das sei meist ein Rechtsanwa­lt, der die Vereinsges­chäfte abwickelt. Auch Günter Wirth kennt diese Möglichkei­t, sieht aber in so einem Falle schwarz. „Ein Zwangsverw­alter arbeitet für sich, dann macht der Verein meist pleite.“Was dann noch bleibt, sei die Auflösung. »Kommentar

Präsidente­n des TSV Wertingen nach dem Zweiten Weltkrieg: 1947 – 1949 Karl Förg, 1949 – 1953 Karl Stras ser, 1953 – 1960 Hans Albrecht, 1960 Josef Winklhofer, 1960 – 1988 Karl Förg, 1988 – 2003 Günther Pischel, 2003 – 2009 Walter Nuber, 2009 – 2010 Anton Deisenhofe­r (kommissari­sch), seit 1. Mai 2010 Bernhard Rauch

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Foto: Hertha Stauch Das Sportheim des TSV Wertingen – wie geht es weiter im Haus auf dem Judenberg?
 ?? Foto: TSV ?? Das Präsidium des TSV Wertingen: (von links) Der verstorben­e Schatzmeis­ter Erwin Wirth, Präsident Bernhard Rauch, Schrift führerin Sofie Niesner und die beiden stellvertr­etenden Präsidente­n Anton Deisenhofe­r und Helmut Sendlinger.
Foto: TSV Das Präsidium des TSV Wertingen: (von links) Der verstorben­e Schatzmeis­ter Erwin Wirth, Präsident Bernhard Rauch, Schrift führerin Sofie Niesner und die beiden stellvertr­etenden Präsidente­n Anton Deisenhofe­r und Helmut Sendlinger.

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