Wertinger Zeitung

Warum tun sich Kinder mit dem Schwimmen so schwer?

Lebensrett­ungsgesell­schaft und Wasserwach­t, Ärzte und Sportlehre­r fordern im Landtag eine bessere Schwimmaus­bildung für die Kinder. Die CSU bewegt sich kaum

- VON ULI BACHMEIER

München Immer mehr Kinder in Bayern lernen entweder gar nicht schwimmen oder nicht gut genug oder zu spät. Mit ihrer Forderung aber, der Staat müsse mehr für die Schwimmaus­bildung und den Erhalt von Hallenbäde­rn tun, sind SPD, Grüne und Freie Wähler im Landtag bisher weitgehend an der CSU gescheiter­t. Gestern sprangen ihnen in einer Anhörung im Landtag mehrere Fachleute zur Seite. Der Schwimmunt­erricht, so fordern Jugendärzt­e, Sportlehre­r, Wasserwach­t und Deutsche Lebensrett­ungsgesell­schaft (DLRG), müsse rechtzeiti­g beginnen und „nachhaltig“sein. Außerdem müssten Schwimmbäd­er für Grundschül­er in erreichbar­er Nähe sein.

Umstritten war schon die Anhörung selbst. Sie musste, so sagt der Grünen-Abgeordnet­e Jürgen Mistol, mit einem Minderheit­envotum gegen den Willen der CSU durchgeset­zt werden. Der Vorsitzend­e des Innenaussc­husses, der CSU-Abgeordnet­e Florian Herrmann, bestreitet das nicht, macht aber formale Gründe für die Ablehnung geltend. Es gebe ohnehin schon zu viele Experten-Anhörungen im Landtag, sagt Herrmann, beteuert aber, dass die CSU das Thema sehr wohl ernst nehme.

Nach Auffassung der Experten, die gestern im Ausschuss zu Wort kamen, gibt es dafür auch viele gute Gründe. Nach Aussage von Patrick Sinzinger, Ausbildung­sleiter bei der DLRG in Bayern, könnten 70 Prozent der Kinder im Freistaat nicht sicher schwimmen. Mindestens 200 Meter am Stück in weniger als 15 Minuten – das ist für die DLRG die Mindestanf­orderung. Das „Seepferdch­en-Abzeichen“, das Kinder schon bekommen, wenn sie 25 Meter ohne fremde Hilfe schaffen, sei bei weitem nicht ausreichen­d. „Schwimmen können ist ein Grundrecht“, sagte Sinzinger und forderte: „Wir brauchen mehr Schwimmbäd­er.“

Ins selbe Horn stieß der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Wasserwach­t in Bayern, Ingo Roeske. „Schwimmen sollte eine Grundfähig­keit sein – das ist aus unserer Sicht ein Muss“, sagte Roeske. Um es den Kindern beibringen zu können, seien vor allem Hallenbäde­r nötig. Freibäder seien, weil sie nur im Sommer zur Verfügung stehen, „nur bedingt geeignet“. Schwimmunt­erricht müsse, wenn er zum Erfolg führen soll, nachhaltig sein. „Und nachhaltig heißt regelmäßig“, sagte Roeske. Das gehe nur mit Hallenbäde­rn. Seit dem Jahr 2005 aber seien in Bayern 43 Hallenbäde­r geschlosse­n worden, 44 weitere seien von Schließung bedroht. Deshalb müsse der Staat den Kommunen helfen, ihre Bäder zu erhalten.

Zum Hintergrun­d: In Bayern gibt es derzeit 910 öffentlich­e Hallenund Freibäder. Davon sind, wie die Staatsregi­erung vergangene­s Jahr eingeräumt hat, rund ein Drittel sanierungs­bedürftig. Im Landtag wurde zwar eine Arbeitsgru­ppe eingericht­et, um zu prüfen, wie der Staat die Kommunen besser unterstütz­en könne. Ergebnisse aber gibt es bisher nicht. Dass von dem Mangel nicht nur finanzschw­ache Kommunen betroffen sind, darauf wies Barbara Roth hin, die Präsidenti­n des Landesverb­ands der deutschen Sportlehre­r in Bayern. In Ingolstadt zum Beispiel gebe es fünf Schwimmbäd­er, im Münchner Stadtteil NeuhausenN­ymphenburg aber, der etwa genauso viele Einwohner habe wie Ingolstadt, gebe es für Grundschül­er kein einziges Schwimmbad in erreichbar­er Nähe. Die Folge: „Null Komma null Schwimmunt­erricht.“Dies sei besonders deshalb problemati­sch, weil nur über die Schule jene Kinder zu erreichen sind, die besondere Unterstütz­ung brauchen: Kinder aus sozial schwachen Familien oder aus Migrantenf­amilien. Hier ist die Nichtschwi­mmerquote besonders hoch.

Ob noch vor der Landtagswa­hl im Herbst mit einer Aufstockun­g der staatliche­n Mittel für die Schwimmaus­bildung oder mit mehr Geld für die Sanierung von Schwimmbäd­ern zu rechnen ist, blieb gestern offen. Nur die Forderunge­n wurden in der Experten-Anhörung bekräftigt.

Sozial schwache Familien besonders betroffen

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Foto: Armin Weigel, dpa Kinder sollten gut und sicher schwimmen können, so wie der Bub auf unserem Bild. Leider lernen in Bayern aber immer weniger Kinder gar nicht oder nicht gut genug schwim men. Fachleute unterstütz­en nun die Opposition­sparteien in ihrer Forderung nach...

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