Auch für die katholischen Bischöfe endet die Zeit der Alleinherrschaft
Der Eichstätter Finanzskandal hat der Bischofskonferenz in Ingolstadt ein Thema aufgedrängt, das einen tief greifenden Wandel im Führungsstil verlangt
FVON ALOIS KNOLLER ür die deutschen katholischen Bischöfe hätten es ruhige Tage in Ingolstadt werden können. Doch dann musste der gastgebende Eichstätter Mitbruder Gregor Maria Hanke mit einer peinlichen Wahrheit herausrücken: Der ehemalige Finanzdirektor seiner Diözese hat fast 50 Millionen Euro verzockt. Wie viel aus den hoch spekulativen Immobiliengeschäften in Texas wieder zurückzuholen ist, ist ziemlich ungewiss.
Also sitzt wieder einmal die Kirche als ganze auf der Anklagebank. Die Bischöfe müssen sich stellen. Zumal auch andere Bistümer ihre Probleme mit den Penunzen haben. In Freiburg hat man vergessen, geringfügig Beschäftigte ordentlich sozial zu versichern. In Hamburg wird man acht katholische Schulen schließen, weil sich 87 Millionen Euro Schulden angehäuft haben.
Haben die eigentlich keine funktionierende Aufsicht über ihre finanziellen Verhältnisse? Zu Recht fragt sich das der kleine Mann fassungslos. Und seine Frage trifft den Nagel auf den Kopf. Die Bischöfe wissen um die Schwachstellen ihres Wirtschaftens, doch eine durchgreifende Reform holpert seit Jahren so dahin. Von den 27 Diözesen haben erst zwei Drittel die Transparenzoffensive umgesetzt, die im Jahr 2014 angekündigt worden ist. Und haben mehr oder weniger gut ihre Vermögenswerte nach dem Handelsgesetzbuch bilanziert.
Denn die Kirche ist ein kompliziertes Gebilde mit zahlreichen, sehr unterschiedlichen Rechtsträgern. Aber das noch größere Problem besteht in ihrer Verfassung. Lange Zeit ließen sich die Kleriker von außen nicht dreinreden. Sie leiten die Behörden, die ihre Vermögensbestände verwalten, und führen gleichzeitig die Aufsicht darüber. Beide Sphären klar zu trennen, wäre erforderlich. Dieser Schritt bedeutet jedoch einen einschneidenden Wandel im kirchlichen Führungsstil und im Selbstverständnis der geweihten Amtsträger, die dann von nicht geweihten Experten zur Rede gestellt und zur Rechenschaft gezogen werden könnten.
Doch an dieser Umstellung führt kein Weg vorbei. Die Zeit des unumschränkten Herrschens ist abgelaufen – in der katholischen Kirche wie übrigens auch in Rathäusern, die jahrzehntelang von politischen Patriarchen ziemlich freihändig regiert worden sind. Im weltkirchlichen Maßstab arbeitet Papst Franziskus an demselben Projekt eines tief greifenden und mitunter recht schmerzlichen Epochenwandels.
Erfolgreich hat Franziskus seine Bischöfe schon daran gewöhnt, mit den Mitteln moderner Kommunikation die Interessen und Einstellungen des Kirchenvolks abzufragen. Natürlich melden sich dabei auch die treuesten und traditionellen Katholiken zu Wort und erwecken den Anschein, als müsste die Kirche in der Krise der Gegenwart nur einen idealen früheren Zustand wiederherstellen, damit alles wieder gut wird. Doch es kommt auch die Ungeduld einer Basis zu Wort, die sich nach Reformen sehnt, um geeignet auf die Herausforderungen der Zukunft zu antworten. Etwa in der Frage, ob künftig Laien Pfarrgemeinden leiten dürfen oder ob wieder verheiratete Geschiedene grundsätzlich von der Kommunion ausgeschlossen bleiben sollen.
Die Deutsche Bischofskonferenz nimmt diese Ungeduld durchaus zur Kenntnis. Vereinzelt wagen Bischöfe einen mutigen Vorstoß wie etwa der Münchner Kardinal Reinhard Marx in der Frage der Segnung von homosexuellen Paaren. Auf den Fuß folgt darauf zwar regelmäßig heftiger Widerspruch. Aber die Diskussion ist in der Welt – und wenn dazu ein theologischspirituelles Nachdenken erfolgt, wie sich Jesus zu diesen neuen Fragen stellen würde, kann der deutsche Katholizismus mutig und unverzagt der Zukunft und ihren Umbrüchen entgegensehen.
Die Ungeduld des Kirchenvolks wird jetzt gehört