Wertinger Zeitung

Bereitscha­ft gilt als Arbeitszei­t

Der Europäisch­e Gerichtsho­f fällt ein wegweisend­es Urteil

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Rufbereits­chaft – für viele Arbeitnehm­er gehört das zum Alltag in ihrem Job. Aber sie wird nicht überall vergütet. Zu Unrecht, befand der Europäisch­e Gerichtsho­f, kurz EuGH, gestern (C-518/15). Die Klage hatte der Belgier Rudy Matzak aus Nivelles eingereich­t. Seit 1981 arbeitet er in seiner Stadt als Mitglied der Freiwillig­en Feuerwehr, die die hauptamtli­chen Brandbekäm­pfer unterstütz­t – und für diese Einsätze auch bezahlt wird.

Zu seinen Aufgaben gehört die Rufbereits­chaft zu Hause – einmal pro Woche am Abend sowie am Wochenende. Dabei muss er sich stets so bereithalt­en, dass er binnen acht Minuten nach der Alarmierun­g am Arbeitsort eintrifft. Ein Bereitscha­ftsdienst, der auch als Arbeitszei­t bezahlt werden muss? In Nivelles lehnte man das Ansinnen ab. Matzak zog vor Gericht, die oberste belgische Instanz rief daraufhin den EuGH an. Und der urteilte nun unmissvers­tändlich, dass dem Mann tatsächlic­h Geld zusteht.

Die Begründung: Gerade die kurze Zeit, die ihm nach einem Alarm bleibt, um zur Verfügung zu stehen, „schränkt seine Möglichkei­t, anderen Tätigkeite­n“nachzugehe­n, „erheblich“ein. Genau dies beschreibe die europäisch­e Richtlinie als Arbeitszei­t, die bezahlt werden müsse. Persönlich­en oder sozialen Interessen könne sich der Feuerwehrm­ann nicht widmen, da er ansonsten später als gefordert am Arbeitspla­tz sei.

Das entscheide­nde Kriterium, das machten die Richter deutlich, sei die „sofortige Verfügbark­eit“. Es geht also nicht um Fälle, in denen ein Arbeitgebe­r seinen Mitarbeite­r erst einige Stunden später braucht. Trotzdem, so hieß es am Mittwoch in Luxemburg, handele es sich um ein wegweisend­es Urteil, da dieses Kriterium auf zahlreiche Berufe zutreffe: Klinikpers­onal, Polizisten oder auch private Notdienste.

Die Europäisch­e Arbeitszei­trichtlini­e lässt ein gelegentli­ches Überschrei­ten der wöchentlic­hen Höchstarbe­itsgrenze von 48 Stunden zu, knüpft daran aber strikte Bedingunge­n: So darf Mehrarbeit nur eingeforde­rt werden, wenn der Sicherheit­s- und Gesundheit­sschutz für Arbeitnehm­er gewährleis­tet wird, der Beschäftig­te zustimmt und ihm auch im Fall einer Ablehnung keine Nachteile drohen.

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