Wertinger Zeitung

Nach 42 Jahren

Erstmals seit der Bronzemeda­ille 1976 steht eine deutsche Mannschaft im Halbfinale der Olympische­n Spiele. Gegen Schweden spielt das Team eine großartige Partie. Das soll aber noch nicht der Schlusspun­kt gewesen sein

- VON MILAN SAKO

Gangneung Als Patrick Reimer von der Interviewr­unde in die Umkleide der deutschen Mannschaft stapfte, drehten seine Teamkolleg­en die Musik auf. „Die immer lacht“von Kerstin Ott dröhnte aus den Lautsprech­ern und die spontane Party im Bauch des Kwandong Hockey Centers nahm ihren Anfang. Den Schlusspun­kt eines denkwürdig­en Eishockey-Abends hatten zuvor Reimer und dann der Schiedsric­hter gesetzt. 3:3 hatte es nach 60 Minuten im Halbfinale des olympische­n Turniers gegen Schweden gestanden. Es ging in die Verlängeru­ng. Nach 90 Sekunden umkurvte der mit 318 Treffern erfolgreic­hste DEL-Rekordtors­chütze Reimer zwei Schweden und schob den Puck unter Torwart Viktor Fasth ins Tor. Den Unparteiis­chen ging das zu schnell. Nach dem Videostudi­um stapfte der Schiedsric­hter um 23.30 Uhr koreanisch­er Zeit aufs Es und verkündete: „We have a good goal.“Der Treffer zählte, die Profis hüpften vor Freude über das Eis und bildeten ein riesiges Jubelknäue­l.

Deutschlan­d steht nach dem 4:3 (2:0, 0:0, 1:3, 1:0) gegen den amtierende­n Weltmeiste­r Schweden im Halbfinale. Der Gegner heißt am Freitag Kanada. Erstmals seit 42 Jahren, erstmals seit Bronze bei den Spielen in Innsbruck spielt ein deutsches Eishockey-Team wieder um eine Medaille.

„Ich wusste ganz genau, dass der Puck drin war. Es gab gar keinen Grund, den Treffer nicht zu geben“, freute sich der gebürtige Mindelheim­er Reimer, der eigentlich sein Comeback gab. Zwei Spiele lang musste der 35-Jährige wegen einer Nackenverl­etzung aussetzen und hatte alleine trainiert, als sich seine Teamkolleg­en ausruhten. Gegen die Skandinavi­er brachte Bundestrai­ner Marco Sturm den Außenstürm­er der Nürnberg Ice Tigers. Reimer setzte einem großartige­n Spiel das Sahnehäubc­hen auf. Die Schweden deckten zu Beginn der Partie den wieder überragend­en Torwart Danny aus den Birken mit Schüssen ein. Das DEB-Team kam kaum aus dem eigenen Drittel. Mit dem dritten Torschuss gelang jedoch dem ehemaligen NHL-Verteidige­r Christian Ehrhoff das 1:0 (14.). 29 Sekunden später erhöhte Marcel Noebels auf 2:0. Die Schweden schossen von allen Positionen. Doch die Deutschen warfen sich in die Schussbahn. „Die Jungs haben heute den Preis be- zahlt, es kam immer wieder einer humpelnd vom Eis oder hat sich die Hand gehalten“, lobte Reimer seine Teamkolleg­en.

Erst in der 47. Minute traf Anton Lander zum 2:1. Zwei Minuten später stellte Dominik Kahun auf 3:1. Doch die Führung hielt nicht, Patrick Hersley (50.) und Mikael Wikstrand (52.) glichen aus. Der Rest ist bekannt. „Wir haben weiter an uns geglaubt und sind belohnt worden“, sagte der abgekämpft­e Reimer. Die deutsche Mannschaft steht im Halbfinale. In den Gruppenspi­elen hatte das Team über ein 2:5 gegen Finnland, ein 0:1 gegen Schweden und ein 2:1 n.P. gegen Norwegen das Entscheidu­ngsspiel um den Viertelfin­aleinzug gegen die Schweiz erreicht. Nur 21 Stunden nach dem 2:1 n. V. gegen die Eidgenosse­n rang die Mannschaft den haushohen Favoriten Schweden nieder. „Es ist ein historisch­er Tag für das deutsche Eishockey“, sagte Ehrhoff, und der Bundestrai­ner war einfach nur stolz: „Das ist unglaublic­h. Ein Moment, von dem man geträumt hat. Dass es dann so umgesetzt wird, ist einzigarti­g. So kann es weitergehe­n.“

Das Spiel um Platz drei steigt am Samstag, das Finale am Sonntag. Zwei Olympia-Auftritte sind noch garantiert und mit einem weiteren Sieg, ob im Halbfinale oder im Match um Platz drei, kann die Mannschaft deutsche EishockeyG­eschichte schreiben. Am Ende strahlte Patrick Reimer, wollte sich jedoch nicht zu sehr freuen: „Wir haben Großes erreicht, aber es ist noch mehr drin.“

 ?? Foto: Michael Kappeler, dpa ?? Den Moment des großen Glücks genießt manch einer am liebsten für sich allein. Nicht so die Spieler der deutschen Eishockey Nationalma­nnschaft. Nachdem die Schiedsric­h ter den Siegtreffe­r zum 4:3 anerkannt hatten, bildeten sie einen Jubelknäue­l.
Foto: Michael Kappeler, dpa Den Moment des großen Glücks genießt manch einer am liebsten für sich allein. Nicht so die Spieler der deutschen Eishockey Nationalma­nnschaft. Nachdem die Schiedsric­h ter den Siegtreffe­r zum 4:3 anerkannt hatten, bildeten sie einen Jubelknäue­l.

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