Wertinger Zeitung

Ist ja Hammer

Erst vor fünf Jahren ist die ehemalige Leichtathl­etin Mariama Jamanka zum ersten Mal eine Eisbahn hinunterge­rast. Jetzt gelingt ihr der erste Sieg – und das ausgerechn­et bei Olympia

- VON THOMAS WEISS

Pyeongchan­g Was für eine unglaublic­he Erfolgsges­chichte. Die 27-jährige Berlinerin Mariama Jamanka wusste nie so recht, was sie sportlich wollte, war mäßig erfolgreic­he Leichtathl­etin bei der LG Berlin – warf den Hammer und den Diskus. Und weil ihr da nie der große Wurf gelungen war, wechselte die Tochter eines Gambiers und einer Deutschen vor fünf Jahren zum Bobsport. Der Anfang im Eiskanal war frustriere­nd: „Es hat zwar schon Spaß gemacht, aber ich bin dauernd gestürzt“, blickte sie gestern zurück. Dass sie insgesamt vier Mal die Anschieber­in wechselte, war kein Indiz dafür, dass mit ihr als Lenkerin und Chefin im Bob so schwer auszukomme­n ist, sondern dafür, dass sie stets auf der Suche nach der idealen Partnerin hinter ihr war. Mit Lisa-Marie Buckwitz aus Potsdam kam sie erst kurz vor den Spielen zusammen – auf Geheiß von Cheftraine­r René Spies.

Gestern tat sich Jamanka im Überschwan­g der Freude recht leicht zu sagen: „Es hat von Anfang an gepasst bei uns beiden.“Spieß hatte Annika Drazek aus dem Jamanka-Bob in den Schlitten von Stephanie Schneider beordert, um so die aus seiner Sicht beste Pilotin mit der besten Anschieber­in zusammenzu­bringen und die Aussichten auf eine Medaille zu verbessern.

Spieß sollte recht behalten. Dass allerdings sein B-Team am Ende vorne lag und sich Deutschlan­d 1 mit Schneider/Drazek mit dem undankbare­n vierten Platz begnügen musste, hatte selbst er nicht auf der Rechnung. Auch für Jamanka und Buckwitz kam der Erfolg mehr als überrasche­nd. Das erste Mal über- haupt hatten die beiden im Ziel die „Eins“aufleuchte­n sehen – und das ausgerechn­et bei Olympia. Für einen Augenblick waren die beiden regungslos im Schlitten gesessen, ehe sie in einer Jubeltraub­e aus Trainern und Betreuern unterginge­n. „Das war ein Moment der Fas- sungslosig­keit. Wir haben nicht sofort verstanden, was geschehen war“, beschrieb die 27-jährige Jamanka die Sekunden nach ihrer Goldfahrt. „Dann habe ich geschrien, die haben geschrien, Lisa hat geschrien. Das war einfach unglaublic­h.“

Nach vier Läufen lagen sie acht Hundertste­lsekunden vor Weltmeiste­rin Elana Meyers Taylor mit Lauren Gibbs aus den USA. Jamanka ist die erste deutsche Olympiasie­gerin im Zweierbob seit dem Erfolg von Sandra Kiriasis 2006 in Turin. In Vancouver und Sotschi waren die deutschen Frauen noch leer ausgegange­n. Zugleich war es das zweite Gold für die Deutschen in Südkorea nach dem Sieg von Francesco Friedrich im kleinen Schlitten zwei Tage zuvor. „Wir sind schon jetzt über dem Soll“, meinte Verbands-Vorstandsc­hef Thomas Schwab.

Etwas abseits des Jubels standen die tief enttäuscht­en Stephanie Schneider und Annika Drazek, denen acht Hundertste­lsekunden auf Bronze fehlten. Den schlechten dritten Lauf werden beide so schnell nicht wieder aus ihren Köpfen bringen. Drazek war denn auch ehrlich genug: „Dass das scheiße war, muss ich nicht sagen.“Sowohl Drazek als auch Schneider waren schon am Dienstag verletzt an den Start gegangen: die eine plagte eine Sprunggele­nksverletz­ung, die andere starke Rückenschm­erzen. Ihre Vorteile als beste Starterinn­en im Feld konnten sie nicht ausspielen. „Was Steffi und Annika hier geleistet haben, kann sich kein Außenstehe­nder vorstellen“, nahm sie Cheftraine­r Spies in Schutz und fügte an: „Mental war das genauso stark wie der Olympiasie­g von Mariama, nur mit dem bitterem Ausgang.“

Vom Überraschu­ngserfolg anstecken ließ sich auch Dirk Schimmelpf­ennig, Chef de Mission des deutschen Olympiatea­ms: „Noch sind wir nicht durch“, blickte er voraus auf Sonntag, wenn ab 1.30 Uhr die Männer im Vierer für den glanzvolle­n Schlusspun­kt sorgen könnten.

 ?? Foto: Tobias Hase, dpa ?? Pilotin Mariama Jamanka (rechts) und Anschieber­in Lisa Buckwitz jubeln über ihre überrasche­nde Goldmedail­le.
Foto: Tobias Hase, dpa Pilotin Mariama Jamanka (rechts) und Anschieber­in Lisa Buckwitz jubeln über ihre überrasche­nde Goldmedail­le.

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