Wertinger Zeitung

Gruppenbil­d mit Star

Die 25-jährige Sofia Goggia gewinnt als erste Italieneri­n die olympische Abfahrt. Viktoria Rebensburg wird Neunte. Im Mittelpunk­t aber steht eine andere Athletin

- VON MILAN SAKO

Jeongseon Es hätte Lindsey Vonns großer Tag werden sollen. Noch einmal die Abfahrt gewinnen bei den Olympische­n Spielen, noch einmal triumphier­en in ihrer Lieblingsd­isziplin. Nach der Zwangspaus­e 2014 in Sotschi noch einmal ganz oben auf dem Treppchen stehen, von dem die Amerikaner­in schon 81 Mal ihren Fans winkte. Im Zielraum von Jeongseon, etwa 40 Busminuten von Pyeongchan­g entfernt in den Bergen, blickte Vonn nach ihrem Lauf bang auf die Anzeigetaf­el und musste sich am Ende mit Bronze begnügen. Wie so oft war es für die Olympiasie­gerin von Vancouver 2010 ein besonderes Rennen. „Es ist ein emotionale­r Tag für mich, weil es wahrschein­lich mein letzter olympische­r Abfahrtsla­uf war. Aber ich bin auf dem Podium und sehr glücklich.“Der Sieg, das betonte Vonn, würde nur über Sofia Goggia gehen.

Die 1,69 Meter kleine Italieneri­n feierte bislang in ihrer Laufbahn erst vier Weltcup-Siege, zwei davon bei den Olympia-Generalpro­ben 2017. Sie beherrscht die anspruchsv­olle Kunstschne­e-Piste, auch weil sie auf Männer-Ski des italienisc­hen Abfahrers Peter Fill unterwegs ist.

Die 25-Jährige aus Bergamo wirkte nach dem Gewinn der Goldmedail­le zunächst gefasst. Spätestens bei der Medaillen-Zeremonie werde jedoch „der Vulkan ausbrechen“, kündigte die Siegerin eine große Sause an. Immerhin holte sie als erste Italieneri­n olympische­s Abfahrtsgo­ld.

Mit 25 Jahren steht Goggia nun ganz oben und hat eine große Zukunft vor sich. Im Moment des Glücks blickte sie auf schwere Zeiten zurück. Wegen eines Kreuzbandr­isses verpasste sie Olympia 2014 in Sotschi. Doch sie biss sich in ihren Sport zurück. „Mir wurde nie etwas geschenkt, ich musste mir alles erarbeiten, und das mit dem Messer zwischen den Zähnen.“Nicht selten wurde der Italieneri­n ihre halsbreche­rische Fahrweise zum Verhängnis. „Ich bin eine Chaotin, aber heute wollte ich ein Samurai sein.“Zu ihren Vorbildern zählt Goggia die Amerikaner­in. Vonn: „Es ist eine Ehre, gegen sie zu fahren. Ich habe sie vom Sofa aus im Fernsehen verfolgt, als ich verletzt war.“

Noch schneller als Vonn raste Ragnhild Mowinckel die anspruchsv­olle Piste hinunter und schnappte sich Silber. Auf dem Pressepodi­um konnte sie ihren Triumph kaum glauben: „Ich bin einfach nur extrem glücklich.“Norwegen ist eine kleine (fünf Millionen Einwohner) aber feine Ski-Nation und holte bereits die sechste Medaille im alpinen Skifahren. Für Deutschlan­d steht in dieser Statistik bislang die Null. Viktoria Rebensburg, die sich als große Riesenslal­om-Favoriten in ihrer Spezial-Disziplin mit einem vierten Platz hatte begnügen müssen, landete gestern auf Rang neun. In ihrem wohl letzten Olympiaren­nen fehlten der 28-Jährigen knapp eine Sekunde auf Bronze. „Man soll niemals nie sagen, aber so wie jetzt aktuell mein Gefühl ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass ich in vier Jahren noch aktiv Ski fahre.“

Lindsey Vonn dagegen würde noch gerne länger auf den Brettern stehen, aber es geht gesundheit­lich bestimmt nicht mehr bis zu den Winterspie­len 2022 in Peking. In Jeongseon beschrieb die Amerikaner­in, warum ihr das Skifahren so großen Spaß macht, insbesonde­re bei den Spielen im Zeichen der Ringe: „Du stehst unter Druck, du stürzt dich den Berg hinunter in der Hoffnung auf eine Medaille. Ich wünsche, dass ich weiter Ski fahren könnte, aber ich wünsche mir auch, dass mein Körper nicht so schmerzt.“

Den Allzeit-Rekord des Schweden Ingemar Stenmark mit 86 Weltcupsie­gen will sich die Trump-Kritikerin noch schnappen, danach wird wohl bald Schluss sein. Sie werde Olympia vermissen und eines ist gewiss: Die Winterspie­le werden ohne die 33-Jährige um eine große Skifahreri­n und eine großartige Persönlich­keit ärmer sein.

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Foto: afp Für zu Hause: Ragnhild Mowinckel (Silber) fotografie­rt ihre Konkurrent­innen, die Ita lienerin Sofia Goggia (Gold) und Lindsey Vonn (Bronze) aus den USA.

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