Wertinger Zeitung

Nikotin Debatte auf Österreich­isch

Die FPÖ fährt einen raucherfre­undlichen Kurs und will Volksentsc­heide einführen. Eine Unterschri­ftenaktion gegen den blauen Dunst passt ihr nun aber gar nicht

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Angefangen hat der Streit um „Tschicks“, wie Zigaretten in Österreich genannt werden, mit Kurt Kuch. Der bekannte österreich­ische Enthüllung­sjournalis­t starb vor drei Jahren mit 42 an Lungenkreb­s. Er hatte jahrelang stark geraucht, bereute dies öffentlich als „den größten Fehler meines Lebens“und wurde kurz vor seinem Tod zum Aushängesc­hild für die AntiNikoti­n-Initiative „Don’t smoke“. Unter hohem öffentlich­en Druck beschloss das österreich­ische Parlament daraufhin ein allgemeine­s Verbot für das Rauchen in Gaststätte­n. Es sollte im Mai 2018 in Kraft treten. Doch auf Wunsch der rechtspopu­listischen FPÖ und ihres nikotinlie­benden Vorsitzend­en HeinzChris­tian Strache verabredet­e die neue Regierung im Dezember 2017, diese Entscheidu­ng wieder zu kippen.

Künftig soll stattdesse­n das „Berliner Modell“gelten, nach dem Gäste in abgetrennt­en Räumen weiter rauchen dürfen. Allerdings hat die Regierung ihre Rechnung ohne die Initiative „Don’t smoke“und die Ärzte in ihrer eigenen Parlaments­fraktionen gemacht. Ein Volksbegeh­ren soll nun das Rauchen in Gaststätte­n stoppen. Ärztekamme­r und die Krebshilfe mobilisier­en Patienten – und haben damit Erfolg.

Bereits in den ersten drei Tagen stimmten fast 300 000 Bürger für ein Volksbegeh­ren zum Schutz der Nichtrauch­er. Das sind genügend Stimmen dafür, dass sich der Nationalra­t mit dem Thema zumindest befassen muss. Er braucht aber nach bisheriger Rechtslage keinen im Sinne des Volksbegeh­rens günstigen Gesetzesen­twurf zu beschließe­n. Die Stimmabgab­e verlief übrigens nicht ohne Panne. Gestern entschuldi­gte sich Österreich­s Innenminis­ter Herbert Kickl für „den Stau auf dem Daten-Highway“, der entstand, als am Dienstag tausende Bürger online ihre Stimme in dem Volksbegeh­ren gegen das Rauchen abgeben wollten. Die Server des Ministeriu­ms brachen zusammen. Eigentlich sollte das aktuelle Volksbegeh­ren beispielha­ft für ein modern abgehalten­es Plebiszit sein. Stattdesse­n war die FPÖ als Befürworte­rin der direkten Demokratie nach Schweizer Vorbild blamiert. Doch die Bürger ließen nicht locker, nahmen sich Zeit und gaben auf herkömmlic­he Weise per sogenannte­r Unterstütz­ungserklär­ung auf dem Gemeindeam­t ihre Stimme ab.

Schon bisher gibt es in Österreich Volksbegeh­ren und Volksabsti­mmungen – aber eben nur in begrenztem Rahmen. Die ÖVP und die FPÖ haben vereinbart, eine weitergehe­nde Gesetzgebu­ng einzuführe­n. Strache hat erklärt, dass diese vor 2021 allerdings nicht infrage komme. „Das Regierungs­programm gilt. Und das wird umgesetzt, also ändert sich nichts“, sagte er – und provoziert­e damit Widerspruc­h in der eigenen Partei. Die Kärntner FPÖ etwa ist für die raschere Einführung verbindlic­her Plebiszite. Auch FPÖ-Infrastruk­turministe­r Norbert Hofer und der Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger wollen das Ergebnis einer Volksabsti­mmung schon jetzt anerkennen.

Doch FPÖ-Chef Strache geht es jetzt offenbar darum, das Gesicht zu wahren und im Interesse einiger Gastwirte und Raucher ein vom Volk erwünschte­s Verbot so lange wie möglich zu verzögern. Die Idee zur Einführung der direkten Demokratie steht jetzt rascher auf dem Prüfstand als gedacht.

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Foto: Helmut Fohringer, dpa Viele Regelungen, die das Rauchen in Gaststätte­n betreffen, werden in Österreich – anders als in Deutschlan­d – auch auf Bundes ebene, und nicht nur auf Landeseben­e, getroffen.

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