Wertinger Zeitung

Vor hundert Jahren wurde Frieden geschlosse­n

Mit dem Vertrag von Brest-Litowsk endete der 1. Weltkrieg im Osten. Wie die Heimatzeit­ung berichtete

- VON JONAS VOSS

Dillingen Die Region fieberte dem Frühling entgegen, denn die Kohlenkris­e verursacht­e bittere Not. Während im fernen Brest-Litowsk, im heutigen Weißrussla­nd, der „Friede mit Russland (...) Nachmittag­s 5 Uhr unterzeich­net“wurde, fand im Hofbräuhau­s der Stadt ein „vaterländi­scher Abend“statt. Dort sollten die Bürger zur Zeichnung einer erneuten Kriegsanle­ihe bewegt werden. Am 3. März 1918 ist „des Winters Regiment noch nicht ganz gebrochen“, so stand es in der Schwäbisch­en Donauzeitu­ng, wie die Heimatzeit­ung damals hieß.

Der Anlass: Heuer vor hundert Jahren wurde der Friedensve­rtrag zwischen Sowjetruss­land und den Mittelmäch­ten im Ersten Weltkrieg unterzeich­net – in Brest-Litowsk. Wir haben anlässlich des Jahrestags in unseren alten Zeitungen geblättert und mit Dr. Arnold Schromm, Historiker aus Dillingen, gesprochen. Er sagt: „Das Reich hat den Frieden gebraucht – es musste heraushole­n, was nur möglich war.“Trotzdem sei der Vertrag hart ge- wesen. „Trotzki geht nach BrestLitow­sk“, titelte die Schwäbisch­e Donauzeitu­ng am 7. Januar 1918. Seit Dezember gab es einen Waffenstil­lstand im Osten. In ersten Gesprächen machte die Reichsführ­ung deutlich, gewaltige Gebietsgew­inne durchsetze­n zu wollen. Schromm, der auch Geschichte am Lauinger AlbertusGy­mnasium unterricht­et, zählt die Forderunge­n der deutschen Seite auf: Russisch-Polen, Litauen und Kurland sollten Russland entrissen, weitere Satelliten­staaten geschaffen werden.

Noch während der Verhandlun­gen, zur Zeit des Waffenstil­lstands, drangen deutsche Verbände tief in russische Gebiete ein und eroberten Stadt um Stadt. Unverblümt berichtet unsere Zeitung im März über die „gewaltige Beute der letzten Tage, zu der uns dankenswer­terweise Herr Trotzki (...) Gelegenhei­t gab“. Es sei von einem vorauseile­nden Gehorsam der deutschen Presse gegenüber der Regierung auszugehen, so Schromm. Kritik sei verpönt gewesen. Die russische Delegation stimmte am 3. März dem Vertrag zu. „Das Abkommen schuf Fakten, die teilweise auch nach dem Krieg Bestand hatten“, sagt Schromm. Russland wurde eines Viertels seines europäisch­en Territoriu­ms beraubt, es verlor wichtige Teile seiner Industrie und verpflicht­ete sich zu Zahlungen in Milliarden­höhe.

Die deutsche Führung propagiert­e die Inhalte des Vertrags als fortschrit­tlich und sich selbst als milden Sieger. „Es wird immer ein Ruhmesblat­t Deutschlan­ds bleiben (...) den armen und bedrückten Randvölker­n Erlösung aus schwerer Not (...)“gebracht zu haben, so schreibt die Schwäbisch­e Donauzeitu­ng am 28. Februar 1918. Zu Ehren der Sieger hisste die Stadt Dillingen ihre Fahnen. „In den Schulen wurde das Weltereign­is durch interne Schulfeier­n dem Gedächtnis der Schüler eingeprägt und sodann war schulfrei“, schilderte die Zeitung.

Es war das letzte Aufbäumen des Deutschen Kaiserreic­hs. Der Friedensve­rtrag von Versailles, 1919, hat die politische Landkarte Europas umgestalte­t – er zog in das kollektive Gedächtnis der Deutschen ein. Die Härte der eigenen Machthaber gegenüber Sowjetruss­land ist schnell vergessen. „Der Versailler Vertrag hatte wesentlich­en Einfluss auf deutsche Revisionsg­edanken der Zwischenkr­iegszeit“, so Schromm, deshalb habe er die größere Rolle in den deutschen Schulen und der Erinnerung.

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Fotos: Jonas Voss/Katharina Indrich Ein Bericht über den Friedensve­rtrag in Brest Litowsk in der Schwäbisch­en Donau zeitung 1918.
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