Wertinger Zeitung

Für die Tafeln im Landkreis ist Solidaritä­t der Grundsatz

Dass in Essen Flüchtling­e bei der Ausgabe ausgeschlo­ssen wurden, stößt bei der Caritas vor Ort auf Unverständ­nis

- VON JONATHAN LINDENMAIE­R

Landkreis Lebensmitt­el retten, Menschen helfen: Die Mitarbeite­r der Tafeln fahren zu Supermärkt­en und Einzelhänd­lern, sammeln überschüss­ige Lebensmitt­el und geben sie an sozial Benachteil­igte. Vor 25 Jahren, im Februar 1993, wurde in Berlin die erste Tafel Deutschlan­ds gegründet. In den Folgejahre­n zogen andere Städte nach – 2005 auch Dillingen. Bundesweit sind es inzwischen über 930 Standorte. Feiern will man das 25-jährige Jubiläum in Dillingen nicht. „Unser Auftrag ist helfen, nicht feiern“, sagt Stephan Borggreve. Er ist Geschäftsf­ührer der Dillinger Caritas, Träger der hiesigen Tafeln. Vier Ausgabeste­llen gibt es im Landkreis: Dillingen, Lauingen, Höchstädt und Wertingen. Für rund 750 Menschen sind die Tafeln in der Region damit ein Rettungsan­ker.

Gerade sorgt die Tafel in einem anderen Teil Deutschlan­ds für heftige Diskussion­en: In Essen wurde beschlosse­n, nur noch Bedürftige mit deutscher Staatsange­hörigkeit neu aufzunehme­n. Als Grund gaben die Verantwort­lichen an, der Migranten-Anteil sei auf drei Viertel angestiege­n. Ältere und alleinerzi­ehende Tafel-Nutzerinne­n fühlten sich dadurch abgeschrec­kt. Der Dillinger Tafel-Chef will seinen Kollegen nicht sagen, wie sie ihren Job zu tun haben. Von der Entscheidu­ng aber hält er wenig: „Der Grundsatz der Tafel ist Solidaritä­t, unabhängig, ob die hilfesuche­nden Christen, Moslems oder Buddhisten sind.“Auch in der Dillinger Tafel komme es hier und da zu Streitigke­iten zwischen Anstehende­n. „Wenn Leute sich nicht benehmen können, dann fliegen sie halt raus, egal welche Religion. So einfach ist das“, sagt Borggreve. Blieben Leute aber weg, weil sie Ausländer nicht tolerierte­n, dann greife die Tafel nicht ein. „Niemand ist gezwungen, die Hilfeleist­ung anzunehmen, man kann den Hund ja nicht zum Jagen zwingen.“

Dass Anstehende drängeln, schubsen und um die besten Plätze kämpfen, ist gemeinhin bekannt. In der Dillinger Tafel werden die Menschen deshalb in Gruppen eingeteilt, die verschiede­ne Ausgabezei­ten haben. Das passiert schon bei der Ausstellun­g des Tafelauswe­ises: Der wird in verschiede­nen Farben gedruckt. Die Gruppen bestehen immer aus etwa 30 Personen. „Je nach Farbe kommt eben einmal die Gruppe ‚Rot’ als erstes dran und ein anderes Mal die Gruppe ‚Blau’“, sagt Borggreve. Die Kollegen in Wertingen dagegen losen jedes Mal, um die Reihenfolg­e zu bestimmen.

Eine Aufnahmesp­erre musste die Dillinger Tafel auch schon verhängen. Das war 2015 im Zuge der Flüchtling­skrise. Für fünf Monate vergaben sie keine neuen Ausweise, unabhängig der Nationalit­ät. Mit der niedrigen Arbeitslos­igkeit entspannte sich die Lage wieder und die Zahl fiel von 1200 auf heute 750 Kunden ab. Wie hoch der Ausländera­nteil ist, kann Borggreve nicht sagen: „Wenn wir Neue aufnehmen fragen wir nur nach Name, Alter und Größe des Haushalts. Die Nationalit­ät interessie­rt uns gar nicht.“

Die Lebensmitt­el bei der Ausgabe reichen in der Dillinger Tafel immer gerade so. „Haben wir mal ein paar Joghurtbec­her zu viel, dann bekommen die Leute halt mehr.“Bleibe trotzdem mal etwas übrig, werde das an andere Organisati­onen weitergege­ben. Die Lebensmitt­el stünden immer kurz vor dem Mindesthal­tbarkeitsd­atum. Diese Ware bieten Supermärkt­e in den vergangene­n Jahren verbilligt an. „Trotzdem bleibt immer genügend übrig, und wir können unsere Arbeit auch in Zukunft genauso weiter machen. Die Hilfsberei­tschaft der Bürger ist weiterhin groß.“

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Archivfoto­s: Veh/Bachmann Die vier Ausgabeste­llen der Tafeln im Landkreis (auf dem Foto Wertingen) sind für viele bedürftige Menschen in der Region ein Rettungsan­ker.

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