Der Ärger mit dem Cannabis
Seit einem Jahr können Ärzte die Hanfpflanze leichter verschreiben. Die Nachfrage ist groß, vor allem in Bayern. Warum Apotheker, Forscher und Patienten nicht nur glücklich sind
Augsburg Christoph Roßner ist sauer. Seit Monaten will er in einem ehemaligen Atombunker am Flughafen in Memmingen Cannabis anbauen. In großem Stil, 140 verschiedene Sorten, zu Forschungszwecken. Gemeinsam mit Investoren und der Technischen Universität München plant er im Allgäu „das Silicon Valley der Cannabis-Forschung“, wie er es nennt. 75 Millionen Euro sollen investiert und hunderte Arbeitsplätze geschaffen werden. Doch seit Monaten wird er vertröstet – die Genehmigung des Projektes durch die Bundesopiumstelle lässt auf sich warten. „Es ist eine Frechheit, wir werden massiv behindert“, schimpft Roßner, Geschäftsführer der Firma Bunker Pflanzenextrakte. Er ist einer der Menschen, die mit der Lockerung der Cannabis-Gesetze in Deutschland vor einem Jahr große Hoffnungen verbanden – und dann enttäuscht wurden.
Ärzte dürfen seit einem Jahr Patienten leichter medizinisches Cannabis verschreiben, was bis dahin nur rund 1000 Schwerkranken mit einer Ausnahmegenehmigung vorbehalten war. Der Konsum der Hanfpflanze – als Blüten oder Extrakt – soll Patienten vor allem helfen, chronische und starke Schmerzen besser zu ertragen. Die Nachfrage nach Cannabis auf Rezept steigt seither rasant an. Allein bei den vier größten gesetzlichen Krankenkassen Deutschlands (Techniker, Barmer, DAK, AOK) gingen in den vergangenen zwölf Monaten mehr als 17000 Anträge zur Übernahme der Kosten für eine Therapie mit der als Betäubungsmittel geltenden Hanfpflanze ein. Auffällig dabei: In Bayern ist die Nachfrage nach Cannabis-Medikamenten offenbar besonders hoch. Aus keinem anderen Bundesland kamen mehr Anfragen, teilen sowohl die Barmer als auch die AOK mit. Die anderen beiden Kassen werten die Zahlen nicht regional aus.
„Der Andrang war enorm“, bestätigt Ulrich Koczian, Apotheker in Augsburg und Sprecher der Bayerischen Landesapothekenkammer. Viele der Menschen, die bei ihm nach Cannabis fragten, musste er jedoch wieder nach Hause schicken. „Gerade in den ersten Monaten kursierten so viele Gerüchte und Behauptungen, die Unsicherheit war groß. Es wurden falsche Erwartungen und Hoffnungen geweckt“, er- klärt Koczian. Denn die Hürden dafür, dass jemand Cannabis auf Rezept bekommt, sind nach wie vor hoch. Es darf nur schwerkranken Personen verschrieben werden, bei denen alternative Therapien entweder erfolglos waren oder beispielsweise aufgrund von Nebenwirkungen nicht anwendbar sind, heißt es im Sozialgesetzbuch. In rund ein Drittel der Fälle lehnten die Krankenkassen im vergangenen Jahr eingereichte Anträge zur Kostenübernahme ab.
Zwei Drittel der Patienten bekamen eine Zusage – doch damit nicht unbedingt auch Cannabis. Denn: Die Pharmaindustrie kommt mit der Produktion nicht hinterher, regelmäßige Lieferengpässe sind die Folge. Bislang werden die Medikamente hauptsächlich aus Kanada und den Niederlanden importiert. In Deutschland darf Cannabis noch nicht angebaut werden. Das soll sich ab 2019 ändern. Aktuell läuft ein Ausschreibungsverfahren für den staatlich kontrollierten Anbau von insgesamt 6,6 Tonnen bis zum Jahr 2022.
Apotheker Koczian sieht das als wichtigen Schritt, um die Engpässe in der Cannabis-Versorgung in den Griff zu bekommen. Viel wichtiger ist seiner Ansicht nach jedoch eine wissenschaftlich fundierte Erforschung der Wirkung der Hanfpflanze. „In Cannabis sind weit über 100 Inhaltsstoffe. Es ist überhaupt nicht klar, wie diese genau bei verschiedenen Patienten und Krankheiten wirken“, erklärt Koczian und übt Kritik an der seiner Meinung nach vorschnellen Gesetzänderung vor einem Jahr: „Andere Medikamente hätten mit so einer Datenlage nie eine Zulassung bekommen.“
Der Allgäuer Unternehmer Christoph Roßner fühlt sich dadurch bestätigt. Genau diese Datenlage wolle er mit seinem Bunker-Projekt schaffen. 140 verschiedene Hanfpflanzen sollen angebaut, geklont und auf ihre Wirkungsweise untersucht werden. Er könne quasi morgen mit dem Aufbau und dem Anbau der Pflanzen beginnen, die Vorbereitungen im Bunker liefen, ein gefordertes Sicherheitskonzept liege längst vor. Nur die Genehmigung lasse noch auf sich warten.
Nur ein bisschen Frühling – mit dieser Überschrift verkauften gestern die Kollegen der Presseagentur die Nachricht, dass die Wetterfrösche mal wieder danebenlagen. Vollmundig hatten diese zum Wochenende das Frühlingserwachen angekündigt, Vorfreude auf T-Shirt, Eis und Biergarten geweckt – um dann am Sonntag zähneknirschend feststellen zu müssen: war wohl nix. Mild ja, Sonne nein. Zumindest in weiten Teilen Bayerns. Nur ein bisschen Frühling eben. Es klingt wie eine Entschuldigung.
Geschenkt. Auch Meteorologen dürfen sich irren. Zumal sich die Folgen der fehlerbehafteten Frühlingsverkündung in Grenzen gehalten haben dürften. Der ein oder andere Spaziergänger wird wohl die Sonnenbrille umsonst eingepackt und der ein oder andere kurzbehoste Eisdielenbesucher eine Gänsehaut bekommen haben. Schlimmeres wird schon nicht passiert sein.
Denn all den Allergikern, die dem Frühling jedes Jahr wieder mit Grausen und roten Augen entgegensehen, ist die Meinung der Wetterfrösche ohnehin redlich egal. Triefende Nasen und unzählige Niesattacken haben ihnen das Aufblühen der Natur schon längst angekündigt. Ob ihnen wohl das neue Pollenwarnsystem des Landesamtes für Gesundheit helfen wird? Es soll quasi in Echtzeit zeigen, welche Nasenkitzler wann und wo gerade wieder so in der bayerischen Luft unterwegs sind. Gestern hätten die elektronischen Pollenfänger vermutlich verkündet: Heute fliegen Birke, Hasel und Erle. Es ist Frühling. Aber nur ein bisschen.
Es klingt wie eine Drohung.