„Ausgerechnet nach Rieblingen?“
Beim Neubürgertreffen in dem Wertinger Stadtteil führt der Zweite Bürgermeister Johann Bröll eine neue Willkommenskultur ein. Das Dorf präsentiert ein buntes Vereinsleben und bekommt viele neue junge Einwohner
Wertingen Rieblingen Zwei Bürgermeister an einem sonnigen Sonntagnachmittag gemeinsam auf einer Veranstaltung – was war denn da in Rieblingen im Gange? „Wir möchten Sie gerne unterstützen, dass Sie sich hier im Ort wohlfühlen“, sagt Zweiter Bürgermeister Johann Bröll mit Blick auf die über 40 Neubürger, die vor ihm stehen. Der jüngste Neu-Rieblinger ist erst zwei Tage alt, deswegen kann er nicht teilnehmen, erzählt Bröll mit sichtbarer Freude über den Zuwachs. Zeigt es doch einen Trend, von dem andere Orte nur träumen können. Seit das neue Baugebiet erschlossen ist, siedeln sich immer mehr junge Familien im Wertinger Ortsteil an. Neben dem unübersehbaren Bauboom verzeichnet das Dorf einen Babyboom. Der Nachwuchs mischt an diesem Nachmittag schon kräftig mit, nicht immer dringen die Redner mit ihrer Stimme durch. So macht es Bürgermeister Willy Lehmeier kurz und zeigt im Zeitraffer den Mehrwert auf, den die Stadt Wertingen mit ihren Ortsteilen zu bieten habe: Schulen, soziale Einrichtungen, kulturelle Veranstaltungen, Kino, Feste, Kinderferienprogramm, Seniorenhilfe, ein reges Vereinsleben.
In Rieblingen und Prettelshofen sind insgesamt 14 Vereine und aktive Gruppierungen gelistet, von der Kinderkirche, Krabbelgruppe bis zur Singgruppe, vom Jugendtreff, Schützenverein bis zum Kriegerund Soldatenverein. Eine große Rolle im Dorfleben spielen die Freiwilligen Feuerwehren. Nicht nur hier rücken die beiden Dörfer immer enger zusammen. Auch die Pfarreien seien zunehmend auf Gemeinschaften angewiesen, heißt es in den Präsentationen der Verantwortlichen.
Zweieinhalb Stunden werben die Verantwortlichen um die Gunst der neuen Bürger. Wie etwa Daniel Heider, Zweiter Kommandant der Rieblinger Feuerwehr: „Wir brauchen junge Frauen und Männer, die Freude am Helfen und Interesse an Technik haben.“Die Kameradschaft komme dabei nicht zu kurz. Mit Letzterem wollen auch die anderen Vereine punkten: Feiern, Spaß haben und gemeinsam etwas unternehmen, heißt es immer wieder. Dabei fällt auf, dass eine Mitgliedschaft nicht unbedingt Voraussetzung sein muss. „Alle dürfen rein“, betont zum Beispiel Werner Spengler, Vorsitzender des FCAFanclubs „Schienbachtal 07“. Dem mitgliederstärksten Verein – 250 an der Zahl – geht es vorrangig um Geselligkeit.
Vereinsmeierei ist nicht jedermanns Sache? Kein Problem. Die „Steckalesflitzer“kommen ohne eingetragenen Verein aus, nehmen jeden mit, der Lust auf Laufen mit Stöcken hat. „Einfach kommen und mitmachen“, lädt Tanja Wegner die Neuen ein.
Wo verbringt die junge Generation ihre Freizeit, wo findet überall Begegnung statt, wo gibt es Unterstützung, Arbeitsplätze, Sport- und Erholungsmöglichkeiten: Diese Fragen finden im Bürgerhaus Antworten. Die Grenzen zwischen Prettelshofen und Rieblingen sind fließend. Jedes Dorf hat seine eigenen Potenziale: Kneippanlage und Kräutergarten befinden sich in Rieblingen, Prettelshofen dominiert mit seiner Kirche und bekommt mit der Gasverdichterstation derzeit ein 100-Millionen-Projekt.
Eines interessiert am Ende den Zweiten Bürgermeister Bröll dann doch: „Welche Beweggründe haben sie ausgerechnet nach Rieblingen geführt, in so ein kleines Dorf?“
„Wir haben einen alten Bauernhof gesucht“, berichtet Jonas Ziegler. Er wohnt mit seiner Familie seit drei Jahren in Rieblingen auf dem ehemaligen Antonihof. „Wir fühlen uns hier sehr wohl. Aber den Biergarten machen wir nicht wieder auf“, stellt er zum Bedauern der Alteingesessenen klar.
„Wir haben zehn Jahre in München gelebt, dann zehn Jahre in Augsburg verbracht, jetzt sind wir hier gelandet“, berichtet ein Neubürger von der Suche nach einem Bauplatz. Dass ein Dorf die Neuen mit offenen Armen empfängt, hätten sie noch nie so erlebt. „Das ist eine gute Idee.“Willy Lehmeier nutzt die Steilvorlage: „Ich gehe gerne da hin, wo es gute Ideen gibt.“
Doch warum gibt es einen derartigen Neubürgerempfang nicht in der Wertinger Kernstadt? Es gab ihn einmal, doch irgendwann sei er „eingeschlafen“– wohl wegen fehlender Kommunikation. Auf dem Dorf könnte diese besser klappen, glaubt Lehmeier, weil man sich öfter auf der Straße begegnet, miteinander spricht, sich kennenlernt. Und noch etwas findet Lehmeier an diesem Sonntagnachmittag bemerkenswert: „Frauen sind hier auf dem Land auf dem Vormarsch.“Den Schützenverein „Jägerblut“führt inzwischen eine reine Damenriege an.
Wohnen könne man überall, sagt Lehmeier. Doch soziale Kontakte werden aufgrund des demografischen Wandels immer wichtiger. Offener denken und sich gegenseitig inspirieren: Die neue Willkommenskultur kann in seinen Augen dazu beitragen und Schule machen. »Kommentar
Die neue Willkommenskultur in dem Wertinger Stadtteil könnte Schule machen