Gefräßige Ameisen und Bienen als Nutztierhalter
Der erfahrene Imker Franz Bürger gab in Binswangen verblüffende Einblicke in die Welt der Insekten
Binswangen Wenn Waldameisen Läuse pflegen, sorgen sie damit auch für leckeren Waldhonig. Das erklärt der Ameisenschutzwart und Imker Franz Bürger beim Bienenstammtisch. Ins Schillinghaus Binswangen eingeladen hatte der Ortsverband Bündnis 90/Die Grünen. Mit der seit 2015 regelmäßig stattfindenden Veranstaltung wollen sie informieren und Mitstreiter gegen das fortschreitende Insektensterben gewinnen.
Imker, Landwirte und andere Interessierte lauschen gebannt, als Bürger aus seinem reichen Erfahrungsschatz über die Waldameisen berichtet. Der Nordendorfer ist Vorsitzender im Bayerischen Landesverband der Ameisenschutzwarte, der aktuell rund 1200 Mitglieder hat. Seine Begeisterung ist ihm anzumerken, wenn er bei einem Bildervortrag erklärt, wie die Insekten leben, sich vermehren und zum Wohl des Waldes einen wesentlichen Beitrag leisten – mit teils zupackenden Mitteln. „Bis zu 10 Millionen Forstschädlinge vernichtet ein Ameisenvolk in einem Sommer“, berichtet er und erklärt, dass Waldbesitzer so die gefährlichen Eichenprozessionsspinner und Borkenkäfer im Zaum halten können. In Wäldern, in denen viele Ameisenvölker leben, ist die Pflanzenvielfalt außerdem größer, da diese Samen der Pflanzen verbreiten.
Für die Imker besonders interessant ist, wie die Hautflügler Läuse laut Bürger für ihre Ernährung nutzen: Sobald es warm wird, beginnt quasi der Farmbetrieb. Die Ameisen halten und pflegen verschiedene Lausarten und verteidigen diese gegen Räuber. Das Ziel ist, dass diese möglichst viel Honigtau produzieren, der dann wiederum als Nahrung für die Ameisen dient. „Das ist praktisch so wie bei uns die Haltung von Milchkühen“, schmunzelt Bürger, und weiter: „Die Läuse geben so viel Honigtau, dass es für die Ameisen und Bienen zusammen locker reicht.“Der Binswanger Imker Florian Rigel bestätigt dies und meint, dass er in einer guten Saison schon täglich sechs Kilogramm Honig gewonnen hat: „Da kommst gar nicht mehr nach mit dem Schleudern!“, sagt er und grinst.
Geduldig beantwortet Franz Bürger jede Frage und räumt so auch mit Vorurteilen auf. Eine Frage lautet zum Beispiel, ob die roten Ameisen beißen, während die schwarzen harmlos sind. Er erläutert, dass beide Arten ihre Kiefer (Mandibeln) zur Verteidigung nutzen. Während dieses „Beißen“für Menschen harmlos ist, würden die Ehrenamtlichen beim Umsiedeln der Völker unter dem Verspritzen von Säure leiden. Zur Veranschaulichung dienen Bilder, bei denen die Helfer mit krabbelnden Insekten bedeckt sind.
Der Rückgang von Insekten trifft auch die Waldameisen, wie Bürger feststellt. „Von 480 Ameisenarten vor 200 Jahren gibt es nur noch 120“, sagt er. Dabei sind die bayerischen Ameisenschützer bundesweit Spitzenreiter bei Umsiedlungsaktionen: In den Jahren 1985 bis 2013 konnten die ehrenamtlichen mehr als 2000 Ameisenvölker retten, ob aus Baustellen oder im Auftrag von Waldbesitzern oder in Privathaushalten.
Gegen Ende des spannenden Abends spekulieren die Besucher über den Grund, warum Bayern Spitzenreiter im Ameisenschutz zu sein scheint. Liegt es an den größeren Waldgebieten, dem zunehmenden Flächenfraß oder an einem gewachsenen Bewusstsein aller Beteiligten für die Bedeutung des Artenschutzes? Die Antwort bleibt offen, aber alle Zuhörer gehen mit dem Gefühl nach Hause, wieder etwas über die faszinierende Zusammenarbeit in der Natur gelernt zu haben.