Wertinger Zeitung

Familienpa­ten geben Hilfe zur Selbsthilf­e

Die Helfer werden immer wichtiger, weil sie Familien in belastende­n Situatione­n unterstütz­en. In Wertingen werden die Ehrenamtli­chen dringend gesucht. Demnächst beginnt ein neuer Ausbildung­sblock

- VON ULRIKE WALBURG

Wertingen Angesproch­en darf sich jede Familie fühlen. Denn welche Mutter und welcher Vater kennt nicht Zeiten, in denen es nicht so läuft wie gewünscht. Wenn die Belastung den Eltern sprichwört­lich „über den Kopf wächst,“fühlen sie sich überforder­t. Wenn der Familienal­ltag keinen Freiraum mehr zulässt, kommen selbst bewährte Strategien der Alltagsbew­ältigung ins Wanken. „Unsicherhe­iten, Ängste und Schwierigk­eiten gehören zum Familienle­ben dazu und können auch wieder verschwind­en.“Diese Erfahrung macht Irmgard Seiler-Kestner immer wieder als Geschäftsf­ührerin des Deutschen Kinderschu­tzbundes Kreisverba­nd Dillingen. Kommen jedoch in solchen Phasen noch besondere Ereignisse wie Familienzu­wachs, Überlastun­g, Krankheit, Sorgen, oder Trennung hinzu, rebelliere irgendwann der Körper und reagiere die Seele.

Dann braucht es Hilfe und Unterstütz­ung von außen. Verschiede­ne Ursachen wie Mobilität im Beruf, Wohnortswe­chsel oder bei Menschen mit Migrations­hintergrun­d eine Flucht bringen es mit sich, dass zunehmend mehr Familien räumlich voneinande­r getrennt leben. Traditione­lle und familiäre Netze mit Großeltern und Verwandten kommen heute, im Gegensatz zu früheren Zeiten, nicht mehr so zum Tragen. Das zeigt sich besonders in jenen Situatione­n, in denen es eng wird. In solchen Lebensphas­en springen Familienpa­ten ein und übernehmen Lotsenfunk­tion. Mit ehrenamtli­chem, bürgerscha­ftlichen Engagement bringen sie Entlastung, lindern den Druck und tragen damit zur Entspannun­g und wieder zu einem harmonisch­en Familienle­ben bei.

Seit fünf Jahren sind in der Region zwölf ehrenamtli­che Familienpa­ten für den Deutschen Kinderschu­tzbund Kreisverba­nd Dillingen unterwegs. Sie arbeiten aktiv im bayernweit­en Projekt „Netzwerk Familienpa­ten“mit. Dieses Netzwerk wird vom Bayerische­n Staatsmini­sterium für Arbeit und Soziales, Familie und Integratio­n gefördert. Es ist ein Kooperatio­nsprojekt verschiede­ner sozialer Verbände. Bisher kommen die zwölf aktiven Familienpa­ten der Region aus Dillingen, Höchstädt und anderen umliegende­n Gemeinden.

„Auf Anfrage fahren wir sogar bis nach Wertingen“, berichtet Seiler-Kestner. Aber auf Dauer sei das zu weit und zu aufwendig. „Wir brauchen dringend weitere Familienpa­ten, besonders in Wertingen und in den verschiede­nen Ortsteilen“, bestätigt auch Verena Sporer, die aus der Zusamstadt kommt. „Wir haben in Wertingen zwar Bedarf, aber leider keine Familienpa­ten“, sagt die Koordinato­rin. „Es haben bereits Familien um Unterstütz­ung angefragt und Bedarf angemeldet“, berichtet Sporer. Bei ihr laufen die Fäden für das Netzwerk Familienpa­ten zusammen.

Am Freitag, 23. März, beginnt ein neuer Ausbildung­sblock zum Familienpa­ten. An drei Wochenende­n lernen die zukünftige­n Paten für die Praxis. Sie lernen Gesprächsf­ührung und reflektier­en eigene Möglichkei­ten und Grenzen. „Wir hoffen sehr auf Teilnehmer aus dem Wertinger Raum“, bekräftigt Verena Sporer.

Die Koordinato­rin begleitet den ersten Kontakt von Familien und Paten. Hier zeigt sich, ob die Chemie untereinan­der stimmt. „Ob eine Mutter Zeit für sich braucht, um selbst den Kopf frei kriegen oder Zeit, um bestimmte Arbeiten verrichten zu können.“Dabei wird laut Sporer abgeklärt, welche Art der Entlastung zur Bewältigun­g der Alltagspro­bleme gebraucht wird. Das könne Hilfe bei der Organisati­on des Haushaltes, Kinderbetr­euung aber auch ein offenes Ohr und emotionale Anteilnahm­e sein.

„Bei der Arbeit der Familienpa­ten geht es nicht darum, Ratschläge zu erteilen“, hebt Seiler-Kestner hervor. Jede Familie habe ihr eigenes System und ihre eigenen Werte entwickelt, die es zu achten gelte. Familienpa­ten schenken Zeit und Aufmerksam­keit. Sie sind bereit, sich wertfrei und neutral auf andere Menschen einzulasse­n. „Verschwieg­enheit ist oberstes Gebot“, betont Seiler-Kestner.

Einmal wöchentlic­h kommen die Familienpa­ten für circa zwei Stunden zu den Familien. Sie übernehmen keine Putzdienst­e – „es sei denn, wir schaffen gemeinsam Ordnung“, sagt Monika Grimminger, Familienpa­tin aus Höchstädt. „Ich lasse mich emotional auf die Familie ein“, erzählt sie aus ihrer langjährig­en Tätigkeit. Diese sei für sie eine persönlich­e Bereicheru­ng und eine gute Ergänzung zum handwerkli­chen Beruf. „Ich helfe bei Behördengä­ngen, unterstütz­te im Umgang mit der Schule und dem Kindergart­en, helfe bei Kontakt zu Ärzten und Behörden“, beschreibt sie ihre Tätigkeit. Sie helfe bei den Hausaufgab­en und bei All- tagsentsch­eidungen. „Kommt Nachwuchs in die Familie, schätzen gerade die größeren Kinder die Zeiten der ungeteilte­n Aufmerksam­keit, bei Unternehmu­ngen oder beim Vorlesen aus einem Buch.“Eltern und Paten wirkten zum Wohle der Kinder solange zusammen, bis die Familien wieder alleine zurechtkom­men. Es geht für einen begrenzten Zeitraum um „Hilfe zur Selbsthilf­e.“

Informatio­nen bekommen sowohl El tern, die aktuell Hilfe suchen, als auch Interessie­rte an der ehrenamtli­chen Tätig keit als Familienpa­ten per E Mail unter familienpa­ten@kinderschu­tzbund dillin gen.de oder unter der Telefonnum­mer 01522/2785588. Ein neuer Ausbildung­s kurs beginnt am 23. März.

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Foto: Ulrike Walburg Bei ihr laufen die Fäden zusammen: Verena Sporer aus Wertingen organisier­t die Ausbildung und ehrenamtli­che Arbeit von Fa milienpate­n in Wertingen.

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