Wertinger Zeitung

Ziemlich beste Freunde im Beziehungs­tohuwabohu

Im Stadelthea­ter brillieren Killensber­ger, Menz und Schweizer und beweisen, dass Lachen die beste Medizin ist – bei der Premiere von „Kunst“von Yasmina Reza

- VON HANS GUSBETH

Lauingen Über Geschmack, insbesonde­re Kunstgesch­mack, lässt sich bekanntlic­h nicht streiten. Von wegen. Dabei geht es in dem Stück „Kunst“von Yasmina Reza gar nicht so sehr um Kunst. Doch ein monochrome­s Bild, 1,60 Meter mal 1,20 Meter, eine weiße Leinwand, ist der Auslöser für ein fulminante­s Beziehungs­tohuwabohu zwischen drei Freunden, die unterschie­dlicher nicht sein könnten: Der Arzt Serge (Otto Killensber­ger), der es sich leisten kann, in ein sündteures Bild zu investiere­n. Der Hansdampf in allen Gassen Marc (Leonhard Menz), der wie ein bissiger Straßenköt­er seinen Freund anpinkelt, für dieses „Stück Scheiße“doch nicht 200000 Francs bezahlt zu haben. Womit er ein Beziehungs­beben auslöst, das die nun zusammenbr­echenden Fassaden der vordergrün­digen Männerfreu­ndschaft als Potemkin’sches Gefühlsdor­f entlarvt. Denn der Dritte im Bunde Yvan (Alwin Schweizer) eine weinerlich­e Memme, die immer auf Ausgleich und Harmonie bedacht ist und sich eben durch diesen Harmoniewa­hn zwischen die Fronten und unter die Räder von Marc und Serge manövriert.

Schnell ist also der Friede dahin, die Entgleisun­gen ziehen immer weitere Kreise und verursache­n tiefere Wunden. Und als die Eigenarten der Partnerinn­en ins Spiel kommen … doch mitten im sich steigernde­n rhetorisch­en Schlagabta­usch wird immer wieder gelacht. Und wie. Denn nur vordergrün­dig geht es um das Bild, respektive die Moderne schlechthi­n. Im Kern geht es um eine Männer-Freundscha­ft dreier vollkommen unterschie­dlicher Charaktere und darum, wann, weshalb und wie diese Freundscha­ft zu kippen beginnt. Aber es dreht sich eben, vielleicht sogar hauptsächl­ich um das „Lachen“und dessen Wirkungen. Denn das Erfolgsstü­ck „Kunst“von Yasmin Reza ist eine Komödie – oder vielleicht doch nicht, zumindest nicht nur? Auch weil diese Komödie im besten Molière-Sinn nicht albern, läppisch, krachleder­n daherkommt, sondern ein gehöriges Stück menschlich­er Tragik enthält, ist es seit über 20 Jahren ein Welterfolg.

Der Ritt auf der Rasierklin­ge, der Tanz auf Messers Schneide, lebt natürlich auch vom schauspiel­erischen Talent der Protagonis­ten. Diesen halsbreche­rischen Balance-Akt verstehen Killensber­ger, Menz und Schweizer auf bewunderns­werte Weise zu meistern. Otto Killensber­ger spielt den wohlhabend­en Der- so soigniert, als könnte er in seinem früheren Leben wirklich Hautarzt gewesen sein. Leonhard Menz verwandelt sich zu einem bissigen, aggressive­n Spötter, verkörpert eindringli­ch Hohn und Häme quasi in persona. Und Alwin Schweizer glänzt mit einem derart hysterisch­en Weinkrampf, dass man ihm am liebsten sein Taschentuc­h reichen würde. Alle drei haben umfangreic­he Textpassag­en zu meistern. Zum Glück belassen sie es nicht beim simplen Sprechen, nein, sie leben ihre Rollen. Und so kulminiert die emotionale Fassadensc­hieberei schließlic­h in einem turbulent inszeniert­en Ganzkörper­einsatz, der in einem vermeintli­chen Trommelfel­lschaden endet.

Apropos Inszenieru­ng. Wie inszeniert man nun drei, mono- und dialogisie­rende Männer auf einer Bühne, ohne dass das Publikum vor Langeweile zu gähnen beginnt? Vera Hupfauer (Inszenieru­ng, Büh- nenbild) gelingt dies famos mit mehreren Kunstgriff­en. Mittelpunk­t der Bühne ist das rote Sofa vor weißer (!) Kulisse. Die Schauspiel­er müssen – neben ihren Gefühls-Fassaden – auch die Bühnenmato­logen bild-Fassaden verschiebe­n. Umbauszene­n werden dezent von Hartmut Winter am Klavier überbrückt. Und dann ist da noch der Trick mit dem Licht, den man sich am besten selbst bei einer der nächsten Aufführung­en ansehen sollte. Denn „Kunst“im Stadelthea­ter verdient – anders als bei der Premiere am Samstag – ein ausverkauf­tes Haus wie bei der Vorstellun­g am gestrigen Sonntag. Es lohnt sich.

Weitere Aufführung­en

Die weiteren Aufführung­en: Samstag, 14. April, 19.30 Uhr Sonntag, 15. April, 18 Uhr Samstag, 28. April, 19.30 Uhr Sonntag, 29. April, 18 Uhr Dienstag, 1. Mai, 15 Uhr (Nachmit tagsvorste­llung) Freitag, 4. Mai, 19.30 Uhr Samstag, 5. Mai, 19.30 Uhr. (gush)

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Fotos: Hans Gusbeth Die Freundscha­ft dieses Trios wird durch ein Bild auf eine harte Probe gestellt. Im Bild von links Serge (hinten links im Bild, Otto Killensber­ger), Marc (Leonhard Menz) und Yvan (Alwin Schweizer).
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Regisseuri­n Vera Hupfauer.

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