Ziemlich beste Freunde im Beziehungstohuwabohu
Im Stadeltheater brillieren Killensberger, Menz und Schweizer und beweisen, dass Lachen die beste Medizin ist – bei der Premiere von „Kunst“von Yasmina Reza
Lauingen Über Geschmack, insbesondere Kunstgeschmack, lässt sich bekanntlich nicht streiten. Von wegen. Dabei geht es in dem Stück „Kunst“von Yasmina Reza gar nicht so sehr um Kunst. Doch ein monochromes Bild, 1,60 Meter mal 1,20 Meter, eine weiße Leinwand, ist der Auslöser für ein fulminantes Beziehungstohuwabohu zwischen drei Freunden, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Der Arzt Serge (Otto Killensberger), der es sich leisten kann, in ein sündteures Bild zu investieren. Der Hansdampf in allen Gassen Marc (Leonhard Menz), der wie ein bissiger Straßenköter seinen Freund anpinkelt, für dieses „Stück Scheiße“doch nicht 200000 Francs bezahlt zu haben. Womit er ein Beziehungsbeben auslöst, das die nun zusammenbrechenden Fassaden der vordergründigen Männerfreundschaft als Potemkin’sches Gefühlsdorf entlarvt. Denn der Dritte im Bunde Yvan (Alwin Schweizer) eine weinerliche Memme, die immer auf Ausgleich und Harmonie bedacht ist und sich eben durch diesen Harmoniewahn zwischen die Fronten und unter die Räder von Marc und Serge manövriert.
Schnell ist also der Friede dahin, die Entgleisungen ziehen immer weitere Kreise und verursachen tiefere Wunden. Und als die Eigenarten der Partnerinnen ins Spiel kommen … doch mitten im sich steigernden rhetorischen Schlagabtausch wird immer wieder gelacht. Und wie. Denn nur vordergründig geht es um das Bild, respektive die Moderne schlechthin. Im Kern geht es um eine Männer-Freundschaft dreier vollkommen unterschiedlicher Charaktere und darum, wann, weshalb und wie diese Freundschaft zu kippen beginnt. Aber es dreht sich eben, vielleicht sogar hauptsächlich um das „Lachen“und dessen Wirkungen. Denn das Erfolgsstück „Kunst“von Yasmin Reza ist eine Komödie – oder vielleicht doch nicht, zumindest nicht nur? Auch weil diese Komödie im besten Molière-Sinn nicht albern, läppisch, krachledern daherkommt, sondern ein gehöriges Stück menschlicher Tragik enthält, ist es seit über 20 Jahren ein Welterfolg.
Der Ritt auf der Rasierklinge, der Tanz auf Messers Schneide, lebt natürlich auch vom schauspielerischen Talent der Protagonisten. Diesen halsbrecherischen Balance-Akt verstehen Killensberger, Menz und Schweizer auf bewundernswerte Weise zu meistern. Otto Killensberger spielt den wohlhabenden Der- so soigniert, als könnte er in seinem früheren Leben wirklich Hautarzt gewesen sein. Leonhard Menz verwandelt sich zu einem bissigen, aggressiven Spötter, verkörpert eindringlich Hohn und Häme quasi in persona. Und Alwin Schweizer glänzt mit einem derart hysterischen Weinkrampf, dass man ihm am liebsten sein Taschentuch reichen würde. Alle drei haben umfangreiche Textpassagen zu meistern. Zum Glück belassen sie es nicht beim simplen Sprechen, nein, sie leben ihre Rollen. Und so kulminiert die emotionale Fassadenschieberei schließlich in einem turbulent inszenierten Ganzkörpereinsatz, der in einem vermeintlichen Trommelfellschaden endet.
Apropos Inszenierung. Wie inszeniert man nun drei, mono- und dialogisierende Männer auf einer Bühne, ohne dass das Publikum vor Langeweile zu gähnen beginnt? Vera Hupfauer (Inszenierung, Büh- nenbild) gelingt dies famos mit mehreren Kunstgriffen. Mittelpunkt der Bühne ist das rote Sofa vor weißer (!) Kulisse. Die Schauspieler müssen – neben ihren Gefühls-Fassaden – auch die Bühnenmatologen bild-Fassaden verschieben. Umbauszenen werden dezent von Hartmut Winter am Klavier überbrückt. Und dann ist da noch der Trick mit dem Licht, den man sich am besten selbst bei einer der nächsten Aufführungen ansehen sollte. Denn „Kunst“im Stadeltheater verdient – anders als bei der Premiere am Samstag – ein ausverkauftes Haus wie bei der Vorstellung am gestrigen Sonntag. Es lohnt sich.
Weitere Aufführungen
Die weiteren Aufführungen: Samstag, 14. April, 19.30 Uhr Sonntag, 15. April, 18 Uhr Samstag, 28. April, 19.30 Uhr Sonntag, 29. April, 18 Uhr Dienstag, 1. Mai, 15 Uhr (Nachmit tagsvorstellung) Freitag, 4. Mai, 19.30 Uhr Samstag, 5. Mai, 19.30 Uhr. (gush)