Absage an Tests ohne Ansage
In Bayern gehören Exen vielerorts zum Schulalltag. Doch viele Schüler, Lehrer und Eltern lehnen sie ab
Augsburg Theoretisch kann es einen bayerischen Schüler jeden Tag kalt erwischen. Er kommt in die Schule, hat seine Hausaufgaben gemacht, auf die Matheschulaufgabe am nächsten Tag gelernt, das Deutschreferat vorbereitet – und plötzlich liegt eine Stegreifaufgabe in Chemie vor ihm. Unangekündigt. Wie zeitgemäß ist diese Methode der Leistungsabfrage? Diese Frage haben wir auf der vergangenen Schule-Seite gestellt. Die vielen Zuschriften, die wir daraufhin erhalten haben, zeigen, dass das Thema Schüler, Lehrer und Eltern sehr beschäftigt. Dabei geht die Tendenz klar in eine Richtung: Exen gehören nach Meinung vieler abgeschafft.
Sigrid Römer-Eisele aus Geltendorf (Kreis Landsberg) schreibt, dass das Thema in ihrer Familie seit Jahren diskutiert werde, da ihr Mann in Baden-Württemberg ohne Exen zum Abitur gelangt sei. Sie sei in Bayern zur Schule gegangen und kenne die Stresssituationen. Die Unkalkulierbarkeit der Überraschungstests fördere Stress und könne sich als „hinterrückse Aktion“negativ auf das Schüler-LehrerVerhältnis auswirken. „Exen geben mit der Abfrage des Stoffes aus einer oder zwei Unterrichtsstunden nur einen sehr punktuellen Blick auf das Wissen eines Kindes“, schreibt sie. Die Phasen danach nutzten Schüler zum Verschnaufen. So rausche der nachfolgende Stoff an ihnen vorbei.
Mutter Sabine Mattes, deren Tochter in die sechste Klasse Realschule geht, kann den Stress nur bestätigen. Zwei Exen, eine Schulaufgabe und mündliche Ausfragen innerhalb einer Woche, da bleibe kaum Zeit für Hobbys, schreibt sie.
Auch eine Realschullehrerin aus dem südlichen Landkreis Günzburg, die namentlich nicht genannt werden will, hat sich bei unserer Zeitung gemeldet. Sie schreibe seit Jahren nur noch angekündigte Arbeiten und habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Sie und ihre Neuntklässler sind sich einig: „Die Stunden zwischen den angesagten Tests sind für die Schülerinnen und Schüler deutlich entspannter.“Sollten die Schüler im Unterricht oder bei den Hausaufgaben Verständnisprobleme haben, könnten sie diese aufarbeiten – ohne die Angst, „dass diese Probleme in der nächsten Stunde abgefragt und benotet werden“. Gute Noten würden planbar und die Schüler damit ehrgeiziger und motivierter, teilt die Lehrerin in einem Leserbrief mit.
Dass angesagte Tests sinnvoller sind, finden auch Realschülerinnen aus Weißenhorn (Kreis Neu-Ulm), die sich per E-Mail gemeldet haben. Zehntklässlerin Eva scheint es „logischer, die Tests anzusagen, da der Schüler dann genau weiß, wann er lernen muss und sich nicht unnötig schlechte Noten einhandelt“. Der Stoff werde zudem trotz Exen schnell wieder vergessen. Angesagte Tests motivierten den Schüler „zu intensivem und nachhaltigem Lernen“. Das findet auch Lucia. Sie schreibt, wenn sie eine Woche vor der Ex Bescheid wisse, könne sie einen Zeitplan erstellen und müsse kein Fach vernachlässigen.
Die 16-jährige Lisa ist nicht grundsätzlich gegen Exen, fragt sich jedoch, „ob das in allen Fächern nötig ist“. Denn unangekündigte Stegreifaufgaben „erhöhen den Druck auf den Schüler um ein Mehrfaches“, schreibt sie.
Auch Anna-Lena findet, Exen sorgen „nur für unnötigen Stress“. Sie verhinderten einen wirklichen Lernfortschritt und sollten angesagt werden, um Schüler zu entlasten. Ganz abschaffen würde sie die Kurztests nicht: „Sie sorgen dafür, das bis dahin angesammelte Wissen zu testen und aufzuzeigen, wo eventuell Lücken vorhanden sind.“
Aus diesem Grund würde Michael, der die 9. Klasse des SimpertKraemer-Gymnasiums in Krumbach besucht, Tests wie Exen und Abfragen nicht abschaffen: Man werde vom Lehrer auf eventuelle Fehler hingewiesen. „Dadurch entstehen diese Fehler bei der nächsten Leistungsabnahme wie zum Beispiel einer Schulaufgabe nicht mehr“, sagt er. Michael empfindet die Tests nicht als stressig. Gemessen an den Zuschriften, die uns erreichten, scheint das eher die Ausnahme als die Regel. (slor)