Wie funktioniert die neue Bereitschaftspraxis?
Diese Woche startet eine neue Einrichtung am Dillinger Kreiskrankenhaus
Landkreis Am Dillinger Kreiskrankenhaus gibt es ab kommendem Mittwoch, zwei Tage vor der vorläufigen Schließung der Geburtshilfe, eine neue Einrichtung: die Bereitschaftspraxis. Sie ist die neue Anlaufstelle für Patienten, die abends oder am Wochenende Hilfe brauchen – aber kein Notfall sind. Damit sollen auch die Notaufnahmen der Krankenhäuser entlastet werden, da viele leichtere Fälle dort schlicht falsch sind. Die Kassenärzte des Landkreises teilen sich die Öffnungszeiten der Bereitschaftspraxis auf. Für die Patienten bedeutet das, dass sie eine feste Anlaufstelle haben, eben am Dillinger Krankenhaus sowie auch in festen Bereitschaftsdienstpraxen in Donauwörth und Nördlingen. „Man hat einfach erkannt, anders geht es nicht“, sagt der Dillinger Hausarzt Dr. Alexander Zaune. Was er damit meint: Bislang gab es im Landkreis Dillingen Teams, sie sich diese Bereitschaft teilten. Alleine im Bereich Wittislingen/Bachhagel seien dabei etwa 1350 Bereitschaftsstunden im Jahr pro Arzt angefallen. Und das parallel zum Praxisbetrieb. 36-StundenSchichten waren bislang nichts Besonderes. „Man hat sein Leben darauf ausgerichtet“, sagt Dr. Zaune. Acht Dienstgruppen gab es bislang im nun zur neuen Bereitschaftsdienstregion Dillingen/Donauwörth/Nördlingen/Wertingen/Meitingen zusammengelegten Gebiet. Immer einer der dort tätigen Ärzte musste Bereitschaft leisten. „Aber das will in dieser Frequenz kein junger Arzt mehr“, sagt Zaune. Die Folge wäre ein weiteres Verwaisen der ländlichen Region.
Niemand wolle nach einem zwölf Stunden langen Nachtdienst am nächsten Tag direkt weiterarbeiten. „Doch wir sollen“, ergänzt Hausarzt Michael Münch. Auch sein Dillinger Kollege Dr. Rainer Schindler sagt, das bisherige System sei jetzt, wo es immer weniger Ärzte auf dem Land gibt, nicht mehr machbar. Im Schnitt kam früher jeder Doktor im Kreis Dillingen auf 400 Stunden im Jahr, künftig sollen es laut Kassenärztlicher Vereinigung nur noch 90 bis 110 Stunden sein. Dienstverpflichtet sind grundsätzlich alle Kassenärzte. Um die medizinische Versorgung dennoch rund um die Uhr aufrechtzuerhalten, führt die KV nach gesetzlichen Vorgaben an verschiedenen Standorten Bereitschaftspraxen ein.
Vier Pilot-Regionen hatte es zuvor gegeben. Das System ist laut Dr. Zaune, selbst Mitglied im beratenden Fachausschuss Hausärzte der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern und Beirat im Landesvorstand des bayerischen Hausärzteverbandes, vier Jahre getestet worden. Die Erfahrungen seien überwiegend positiv. Jetzt also gibt es bei der Dillinger Notaufnahme auch so eine Pra- xis. „Ich denke, das ist gerechter für die Kollegen“, meint Zaune. Sein Dillinger Kollege und langjähriger KV-Dienstgruppen-Obmann Dr. Schindler fängt am 21. März um 16 Uhr in der ehemaligen Praxis von Dr. Götz Martin am Dillinger Krankenhaus an. Die Öffnungszeiten der drei Praxen in den beiden Landkreisen Dillingen und Donau-Ries kennt er auswendig: Nördlingen, Dillingen und Donauwörth bieten den Dienst samstags und sonntags von 9 bis 21 Uhr, Dillingen zudem am Mittwoch und Freitag von 16 bis 21 Uhr und Donauwörth montags, dienstags und donnerstags von 18 bis 21 Uhr an. Dort wird generell nur die Basisversorgung angeboten, betonen die Ärzte. Es wird kein Ultraschall gemacht und keine Kernspintomografie. Dennoch soll die Notaufnahme dadurch entlastet werden. Eine Sprechstundenhilfe nimmt die Patienten in Empfang. Jeweils zu zweit sind die Ärzte in dieser Zeit im Dienst, davon einer auf Abruf als Fahrdienst. Falls sich zum Beispiel ein Patient aufgrund eines Hexenschusses nicht mehr rühren kann und allein zuhause ist. Dann bringt ein Fahrdienst – ausgebildetes medizinisches Fachpersonal – den Doktor dorthin. Auch ein Vorteil für die Mediziner, die bislang mit ihren Privatautos unterwegs waren. Dreimal hatte Dr. Zaune dabei einen Unfall. Künftig ist die Nutzung des privaten Wagens untersagt.
Der Nachteil jetzt ist: Das Gebiet für die Hausbesuche der Bereitschaftsdienste ist wesentlich größer als vorher: Die Landkreise Dillingen, Donau-Ries und der Landkreis Dillingen bis Meitingen gehören zum Einsatzgebiet. „Vorher reichte es von Höchstädt bis Dillingen und von Unterliezheim bis Glött“, veranschaulicht Dr. Schindler den Unterschied. Dr. Linda van Malland fürchtet, dass kein Patient dafür Verständnis haben wird, wenn er eineinhalb Stunden lang mit Hexenschuss daheim auf den Arzt warten muss. Unterwegs von Glött nach Oettingen und über Meitingen zum nächsten Patienten nach Nördlingen, das könne dauern, schildert Münch ein Beispiel. Und außerhalb der Dienstzeiten der Bereitschaftspraxis steht für den ganzen großen Einsatzbereich nur ein einziger Mediziner bereit. „Ich denke, wir werden nicht so oft dransein, aber wenn, dann werden wir mehr zu tun haben“, vermutet Dr. Schindler. Die Patienten müssten sich entsprechend auf längere Wartezeiten und weitere Anfahrtswege einstellen. Aber anders wäre der Dienst eben gar nicht mehr aufrecht zu erhalten gewesen. Eine Alternative wäre es, die regulären Sprechzeiten des Hausarztes wahrzunehmen, schlägt Dr. Zaune vor. Die Bevölkerung sollte wissen, dass es immer weniger Haus- und Fachärzte im ländlichen Raum gibt. Und diese wiederum seien einer ständig steigenden Belastung ausgesetzt. Bis zu 100 Patienten behandelt ein Hausarzt zum Teil pro Tag, auch die Facharztpraxen sind übervoll. Viele Praxen nehmen daher gar keine neuen Patienten mehr auf.