Ein Matthäus kann mit Druck umgehen
Lothar Matthäus ist einer der besten deutschen Fußballer aller Zeiten. Mit 150 Länderspiel-Einsätzen hält der Mittelfeldstar den Rekord und wird zu Recht als großartiger Kicker verehrt. Seit seinem Karriereende bereichert er die Experten-Riege mit der Marke: hart, aber ehrlich. Der Franke aus Erlangen verkörpert den Fußballer der alten Schule. Er ist einer, der die Spieler Gras fressen sehen will, der keinen Druck verspürt und alles, bloß nicht eines haben will: Mitleid. Seine Fußballwelt ist kinderleicht zu erklären. Wer siegt, wird gefeiert. Wer verliert, wird gefeuert.
Belastenden Druck wie Nationalspieler Per Mertesacker kennt ein Matthäus nicht. Doch in diesem Punkt hält es der Rekord-Nationalspieler mit Konrad Adenauer: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern, von 2013? Damals sagte Matthäus dem Magazin Elf Freunde: „Es gab Momente in meiner Karriere, da bin ich an diesem Erwartungsdruck fast erstickt.“
Nun ja. Wer noch nie seine Meinung korrigierte, werfe den ersten Stein. Für seine Macho-Haltung im Umgang mit psychischem Druck erntet Matthäus nun allerdings aus einer unerwarteten Ecke Widerspruch. Ausgerechnet Stefan Effenberg, in seiner Laufbahn nicht als Männerversteher aufgefallen, widerspricht seinem ehemaligen Kollegen beim FC Bayern München und in der Nationalmannschaft. Lothar Matthäus könne die Probleme nicht verstehen, weil er sich nicht damit beschäftigt habe.
In der einfachen Fußballwelt des Lothar Matthäus haben Psychologen offenbar keinen Platz. Moderne Trainer dagegen holen sich professionelle Hilfe. Der Bundesligist FC Augsburg arbeitet mit einem Psychologen zusammen.
Beim Eishockey-Klub in Augsburg setzt Trainer Mike Stewart, der in seiner aktiven Zeit als beinharter Verteidiger gefürchtet war, auf die professionelle Hilfe eines Mentalcoaches. Der Österreicher Ulf Wallisch arbeitet zwar mit Stewart zusammen, berichtet ihm aber nicht im Detail, welcher Profi mit welchen Problemen zu ihm kommt und Hilfe in Anspruch nimmt.
Das ist modernes Coaching. Wer unter dem Leistungsdruck zusammenzubrechen droht, soll nicht seinen Sport an den Nagel hängen oder leiden. Ihm soll geholfen werden.