Zunächst hat ihr keiner geglaubt
Eine Frau aus dem Landkreis erzählt von der Gewalt, die sie zu Hause erfahren hat. Der Weiße Ring half ihr
Landkreis Er hat sie bedroht, geschlagen, ihr das Nasenbein gebrochen und 10 000 Euro in die Hand genommen, um einen Mord in Auftrag zu geben. Seit ihrer standesamtlichen Hochzeit hat Maria M. (Name geändert) häusliche Gewalt in extremer Form erfahren. „Aber nie vor den Kindern. Mein Mann hat immer darauf geachtet, dass es keine Zeugen gibt“, sagt sie. Hinterher habe er dann erzählt, sie hätte sich die Verletzungen selbst zugefügt. Schließlich hat die Frau aus dem Landkreis Dillingen ihren Mut zusammengenommen, den Mann vor die Tür gesetzt, die Schlösser ausgetauscht und sich verbarrikadiert. Die Kinder aber gingen zu ihm. „Er übt enorme Macht auf sie aus. Entweder bedroht er sie, oder er besticht sie mit Roller, Nintendo oder Handy“, sagt Maria M. anlässlich des Tags der Kriminalitätsopfer, der am 22. März begangen wird.
Irgendwann brach der Kontakt zu den Kindern ab: Von der Schule erfuhr Maria M. nichts mehr, am Muttertag wartete sie vergeblich auf eine SMS. Vor etwa zweieinhalb Jahren erhielt sie von einem Polizeibeamten den Kontakt zu Siegfried Zeckel, Mitarbeiter des Weißen Rings. Dass der Weiße Ring auch für Fälle wie ihren zuständig ist, habe sie nicht gewusst. „Das Treffen habe ich dann erst mal geschoben. Ich dachte, der Weiße Ring kann auch nicht helfen.“
Zeckel arbeitet seit fünf Jahren für den Weißen Ring. „Als ich dort anfing, war ich überrascht, wie viele Fälle es auch hier im Landkreis gibt“, sagt er. Die genaue Zahl sei wegen der hohen Dunkelziffer schwer zu bestimmen. Zeckel begleitet die Menschen zum Anwalt, sitzt neben ihnen vor Gericht und begleitet sie zu Aussagen bei der Polizei.
Die größte Hürde sei die Angst der Betroffenen. Die will Zeckel ihnen nehmen, indem er zuhört und sie bestärkt, sich zu wehren. Weil die Täter meist Macht demonstrieren und Zwang ausüben, sei es wichtig, ein Gegengewicht aufzubauen. „Die Menschen müssen wieder aufrecht durchs Leben gehen.“
Im Jugendamt werde alles so schnell wie möglich abgehandelt, sagt Maria M., für den Einzelfall interessiere sich dort niemand. „Und wenn man als Frau Gewalt erlebt, glaubt einem erst mal keiner.“Aber man könne für die Wahrheit kämpfen. Jeden Vorfall meldet sie der Polizei. „Ich bin nicht in ein Loch gefallen. Und ich tue das nicht für mich, sondern für meine Kinder.“Zeckel beeindruckt der Kampfgeist seiner Klientin. Sie müsse ein Vorbild für jene sein, deren Fälle nicht bekannt sind. Er hofft, dass die Dunkelziffer geringer wird: „Ich kann nur allen raten, ihr Schweigen zu brechen.“
Tag der Kriminalitätsopfer: Aus diesem Anlass gibt es bereits am heuti gen Mittwoch, 21. März, von 10 bis 16 Uhr zwei Fachreferate im Sitzungssaal des Landratsamts.