Die Nöte der Bienen
Die Insekten sind in freier Wildbahn bedroht, doch privat interessieren sich immer mehr Menschen für die Imkerei. In Gottmannshofen tauschten sie sich mit Experten aus
Wertingen Haben Sie schon mal von „Urban Beekeeping“gehört, von Bienen-AGs in der Schule? Oder wollen Sie sich mal als Probeimker versuchen? Damit lägen Sie voll im Trend, denn eine Erkenntnis erlangten die Zuhörer eines Vortrags mit zahlreichen Experten in Wertingen: Imkern ist „in“.
Das bestätigt auch Ruth Müller, imkereipolitische Sprecherin der bayerischen SPD-Landtagsfraktion, bei ihrem Vortrag über aktuelle Entwicklungen der Imkerei in Bayern. Kein Zweifel besteht aber auch daran: Die Bienen sind weiterhin stark gefährdet. Varroamilbe, Flächenversiegelung und die abnehmende Pflanzenvielfalt sind ein großer Teil des Problems, das nicht nur der Honigbiene, sondern allen Bienenarten enorm zusetzt, sagt Müller.
Studien belegen laut Müller, dass Bienen mittlerweile in größeren Städten und auf Friedhöfen ein besseres Nahrungsangebot vorfinden als auf dem Land. Welche Möglichkeiten gibt es daher für politisch Verantwortliche in ländlichen Kommunen, ohne wesentliche Mehrkosten wieder mehr Lebensraum für Bienen zu schaffen? Das wollten Ruth Müller und ihr Landtags-Kollege Herbert Woerlein (SPD) bei ihrem Empfang „Politik trifft Imkerei – was können Kommunen für Bienen tun?“im Landgasthof Stark aufzeigen. Die beiden Abgeordneten haben zu diesem Gespräch Imker aus dem Kreis Dillingen und der gesamten Region Schwaben nach Gottmannshofen eingeladen. Bienenhalter konnten hier die Gelegenheit nutzen, ihre Fragen und Anliegen zum Thema vorzubringen und sich darüber mit den anwesenden Politikern, Rainer Holzapfel und Bienenfachfrau Ingrid Illies auszutauschen.
„Wir sollten überlegen, welche Impulse wir hier setzen können“, regt Rainer Holzapfel, Zweiter Vorsitzender des Imker-Bezirks Schwaben, seine Verbandsmitglieder zur Stellungnahme an. Und Ingrid Illies vom Institut für Bienenkunde und Imkerei Veitshöchheim fügt hinzu: „Wenn ich von Bienen rede, meine ich alle Bienenarten. Lebensraum für sie zu schaffen bedeutet mehr, als für ein paar Blüten zu sorgen. Es braucht Nahrung, Nistplätze, Nistmaterial.“
Wie das praktisch aussehen kann, zeigt Illies mit einer großformatigen Bildpräsentation: Herrlich blühende Blumenwiesen in ländlichen Siedlungen, gewachsen aus Saatmischungen mit so wohlklingenden Namen wie „Sommerzauber“und „Bienenweide“. Die Augen des Betrachters können sich an einer Vielfalt erfreuen, die er in der stark veränderten landwirtschaftlichen Struktur – mit vor allem Mais- und Getreideanbau – aber auch innerorts nicht mehr vorfindet.
Während aber in der Landwirtschaft klare Auflagen und bundesweit strenge Naturschutzgesetze Anbau und Pflege der Pflanzen regeln, dürfe man im kommunalen Zuständigkeitsbereich „das Fenster viel weiter aufmachen“und auch nichtheimische Stauden und Bäume ausbringen, sagt Ingrid Illies.
Größere Handlungsspielräume werfen jedoch laut Illies weitere Fragen auf: Wann ist der richtige Zeitpunkt für Baumschnitt- und Mäharbeiten an städtischem Grün? Bauhofmitarbeiter führen diese Arbeiten oft vor der Blüte durch – beispielsweise aus Gründen der Verkehrssicherheit, wenn der Bewuchs zu hoch wird. Viel zu früh aus Sicht der Imker. Aus Sicht einiger Bürger nicht einmal früh genug für ein „ordentliches“Erscheinungsbild am Straßenrand.
Auch blühende Linden seien vielen Autobesitzern ein Gräuel. Teils althergebrachte Ansprüche an Ordnung und Sauberkeit und hoher Kostendruck der Kommunen bei ihren Begrünungsmaßnahmen scheinen demnach kaum mit den Bedürfnissen der Bienen vereinbar zu sein. „Kommunen müssen neue Maßnahmen kommunizieren“, etwa mit Schildern, schlägt Ingrid Illies für ein Umdenken vor. Ruth Müller verweist auf das Projekt „Farbe für Stadt und Land“der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau: Diese hat in langjährigen Versuchsreihen kostengünstige Saatgutmischungen aus Kultur- und Wildarten entwickelt und für die Praxis bereitgestellt.
Zum Ende des Themenabends im Landgasthof Stark gingen Dr. Illies, Rainer Holzapfel, Ruth Müller und Herbert Woerlein noch einmal auf Fragen zur finanziellen Förderung der Imkerei in Bayern ein. Unter anderem verursachen Ausgaben für Varroabekämpfungsmittel und immer häufiger auftretende Spätfröste hohe wirtschaftliche Einbußen für die Imker. Holzapfel: „Ein finanzieller Ausgleich kann zwar einiges mildern. Aber er kann für die Bienen keine Apfelbaumblüte ersetzen.“