Wertinger Zeitung

Die Nöte der Bienen

Die Insekten sind in freier Wildbahn bedroht, doch privat interessie­ren sich immer mehr Menschen für die Imkerei. In Gottmannsh­ofen tauschten sie sich mit Experten aus

- VON JOHANNA HOFMANN

Wertingen Haben Sie schon mal von „Urban Beekeeping“gehört, von Bienen-AGs in der Schule? Oder wollen Sie sich mal als Probeimker versuchen? Damit lägen Sie voll im Trend, denn eine Erkenntnis erlangten die Zuhörer eines Vortrags mit zahlreiche­n Experten in Wertingen: Imkern ist „in“.

Das bestätigt auch Ruth Müller, imkereipol­itische Sprecherin der bayerische­n SPD-Landtagsfr­aktion, bei ihrem Vortrag über aktuelle Entwicklun­gen der Imkerei in Bayern. Kein Zweifel besteht aber auch daran: Die Bienen sind weiterhin stark gefährdet. Varroamilb­e, Flächenver­siegelung und die abnehmende Pflanzenvi­elfalt sind ein großer Teil des Problems, das nicht nur der Honigbiene, sondern allen Bienenarte­n enorm zusetzt, sagt Müller.

Studien belegen laut Müller, dass Bienen mittlerwei­le in größeren Städten und auf Friedhöfen ein besseres Nahrungsan­gebot vorfinden als auf dem Land. Welche Möglichkei­ten gibt es daher für politisch Verantwort­liche in ländlichen Kommunen, ohne wesentlich­e Mehrkosten wieder mehr Lebensraum für Bienen zu schaffen? Das wollten Ruth Müller und ihr Landtags-Kollege Herbert Woerlein (SPD) bei ihrem Empfang „Politik trifft Imkerei – was können Kommunen für Bienen tun?“im Landgastho­f Stark aufzeigen. Die beiden Abgeordnet­en haben zu diesem Gespräch Imker aus dem Kreis Dillingen und der gesamten Region Schwaben nach Gottmannsh­ofen eingeladen. Bienenhalt­er konnten hier die Gelegenhei­t nutzen, ihre Fragen und Anliegen zum Thema vorzubring­en und sich darüber mit den anwesenden Politikern, Rainer Holzapfel und Bienenfach­frau Ingrid Illies auszutausc­hen.

„Wir sollten überlegen, welche Impulse wir hier setzen können“, regt Rainer Holzapfel, Zweiter Vorsitzend­er des Imker-Bezirks Schwaben, seine Verbandsmi­tglieder zur Stellungna­hme an. Und Ingrid Illies vom Institut für Bienenkund­e und Imkerei Veitshöchh­eim fügt hinzu: „Wenn ich von Bienen rede, meine ich alle Bienenarte­n. Lebensraum für sie zu schaffen bedeutet mehr, als für ein paar Blüten zu sorgen. Es braucht Nahrung, Nistplätze, Nistmateri­al.“

Wie das praktisch aussehen kann, zeigt Illies mit einer großformat­igen Bildpräsen­tation: Herrlich blühende Blumenwies­en in ländlichen Siedlungen, gewachsen aus Saatmischu­ngen mit so wohlklinge­nden Namen wie „Sommerzaub­er“und „Bienenweid­e“. Die Augen des Betrachter­s können sich an einer Vielfalt erfreuen, die er in der stark veränderte­n landwirtsc­haftlichen Struktur – mit vor allem Mais- und Getreidean­bau – aber auch innerorts nicht mehr vorfindet.

Während aber in der Landwirtsc­haft klare Auflagen und bundesweit strenge Naturschut­zgesetze Anbau und Pflege der Pflanzen regeln, dürfe man im kommunalen Zuständigk­eitsbereic­h „das Fenster viel weiter aufmachen“und auch nichtheimi­sche Stauden und Bäume ausbringen, sagt Ingrid Illies.

Größere Handlungss­pielräume werfen jedoch laut Illies weitere Fragen auf: Wann ist der richtige Zeitpunkt für Baumschnit­t- und Mäharbeite­n an städtische­m Grün? Bauhofmita­rbeiter führen diese Arbeiten oft vor der Blüte durch – beispielsw­eise aus Gründen der Verkehrssi­cherheit, wenn der Bewuchs zu hoch wird. Viel zu früh aus Sicht der Imker. Aus Sicht einiger Bürger nicht einmal früh genug für ein „ordentlich­es“Erscheinun­gsbild am Straßenran­d.

Auch blühende Linden seien vielen Autobesitz­ern ein Gräuel. Teils althergebr­achte Ansprüche an Ordnung und Sauberkeit und hoher Kostendruc­k der Kommunen bei ihren Begrünungs­maßnahmen scheinen demnach kaum mit den Bedürfniss­en der Bienen vereinbar zu sein. „Kommunen müssen neue Maßnahmen kommunizie­ren“, etwa mit Schildern, schlägt Ingrid Illies für ein Umdenken vor. Ruth Müller verweist auf das Projekt „Farbe für Stadt und Land“der Bayerische­n Landesanst­alt für Weinbau und Gartenbau: Diese hat in langjährig­en Versuchsre­ihen kostengüns­tige Saatgutmis­chungen aus Kultur- und Wildarten entwickelt und für die Praxis bereitgest­ellt.

Zum Ende des Themenaben­ds im Landgastho­f Stark gingen Dr. Illies, Rainer Holzapfel, Ruth Müller und Herbert Woerlein noch einmal auf Fragen zur finanziell­en Förderung der Imkerei in Bayern ein. Unter anderem verursache­n Ausgaben für Varroabekä­mpfungsmit­tel und immer häufiger auftretend­e Spätfröste hohe wirtschaft­liche Einbußen für die Imker. Holzapfel: „Ein finanziell­er Ausgleich kann zwar einiges mildern. Aber er kann für die Bienen keine Apfelbaumb­lüte ersetzen.“

 ?? Foto: Michael Hofmann ?? Die Experten (von links) Ruth Müller, Rainer Holzapfel und Ingrid Illies traten in Gott mannshofen in den Dialog mit Imkern. Diese Tätigkeit ist auf dem Vormarsch. Gut so, denn in freier Wildbahn sind die Tiere zunehmend bedroht.
Foto: Michael Hofmann Die Experten (von links) Ruth Müller, Rainer Holzapfel und Ingrid Illies traten in Gott mannshofen in den Dialog mit Imkern. Diese Tätigkeit ist auf dem Vormarsch. Gut so, denn in freier Wildbahn sind die Tiere zunehmend bedroht.

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