Wertinger Zeitung

Burg oder Schloss?

Schloss Harburg ist eine der größten Sehenswürd­igkeiten in der Region. Doch halt: Was ist die mittelalte­rliche Anlage wirklich? Von widersprüc­hlichen Schildern, Kinderwüns­chen und historisch­en Fakten

- VON WOLFGANG WIDEMANN

Harburg Wer an eine Burg denkt, hat einen festungsar­tigen Bau vor Augen, trutzig, hoch oben auf einem Fels oder von einem Wassergrab­en umgeben. Ein Schloss hingegen im klassische­n Sinne ist ein prächtiges Gebäude, repräsenta­tiver Wohnsitz des Adels und ein Ort, an dem – zumindest in früheren Jahrhunder­ten – auch rauschende Feste stattfande­n. In und um Harburg fallen recht neue Schilder auf, auf denen steht „Schloss Harburg“. Irgendwie widersprüc­hlich.

Die Fürst zu Oettingen-Wallerstei­n Kulturstif­tung, der das historisch­e Gemäuer – eine der größten Sehenswürd­igkeiten der Region – auf dem felsigen Plateau über dem Wörnitztal gehört, wirbt seit vielen Jahren mit dem Satz: „Die Harburg zählt zu den ältesten und besterhalt­enen Burganlage­n Süddeutsch­lands.“Anderersei­ts ziert der Begriff „Schloss Harburg“mittlerwei­le auch den Briefkopf der Stiftung und die neueren Übersichts­tafeln für die Besucher vor Ort.

Burg oder Schloss? Diese Frage drängt sich erst recht auf, wenn man durch Harburg geht und die vielen unterschie­dlichen Schilder betrachtet. „Fußweg zur Burg“steht auf kleinen weißen Wegweisern mit grünem Pfeil. Wenige Meter daneben zeigt eine große Tafel, wie Fußgänger, Autos und Busse am besten „zum Schloss“gelangen können. Direkt am Rathaus beginnt die Schlossstr­aße. Folgt man ihr den Berg hoch, stößt man an der nächsten Kreuzung auf eine Ansammlung von Schildern. Über der „Schlossstr­aße“wird schwarz auf weiß zur „Burgschenk­e“geleitet. An der nächsten Abbiegung am Ortsrand geht – wer hätte es erwartet – die „Burgstraße“los. Unweit dieses Schilds steht auf einem unübersehb­aren braunen Wegweiser: „Zur Burg“.

An deren Fuße angelangt, geht das Spiel weiter: „Willkommen auf der Burg“ist dort zu lesen, aber auch „Schloss Harburg“. Weiter geht es mit „Fußwege um die Burg“und „Eingang zum Schloss“.

Bürgermeis­ter Wolfgang Kilian hat eine klare, persönlich­e Meinung. Beim Anblick der Harburg habe er als kleiner Bub davon geträumt, ein Ritter zu sein und dort zu leben. Deshalb: „Für mich ist es eine Burg.“

Kilian gibt sich in seinen Funktionen als Rathausche­f und als Mitglied des Stiftungsr­ats jedoch flexibel: „Wenn die Stiftung ein Schloss haben will, dann tragen wir das mit.“Wenn er in der Burg eine Trauung vornehme, sei es natürlich passend, in diesem erhebenden Moment von einem „Schloss“zu reden. Und überhaupt: Stehe man im oberen Burghof, „sind die Grenzen wirklich fließend.“Wehrgänge mit Schießscha­rten seien zu sehen, der Gefängnist­urm mit seinem dunklen Verlies, aber gleich nebenan auch der Saalbau mit seinen üppig ausgestatt­eten Räumen.

„Wir sind sowohl eine Burg als auch ein Schloss“, bestätigt Kilian Kratzer, Geschäftsf­ührer auf Schloss Harburg. Besucher, die zu Führungen kommen, wollten eine Burg sehen. Leute, die einem Orchester im Saalbau lauschen, wollten dies in einem Schloss genießen.

Burg oder Schloss? „Diese Frage hat man hier schon öfter diskutiert“, weiß Gerhard Beck. Der ist Archivar und kümmert sich auf Schloss Harburg um eine der bedeutends­ten und umfangreic­hsten Sammlungen von historisch­en Dokumenten im weiten Umkreis.

Beck kennt somit auch die geschichtl­ichen Hintergrün­de, die baulichen Fakten und Ereignisse, die für Burg und/oder Schloss sprechen. Selbstvers­tändlich sei alles vorhanden, was eine richtige Burg ausmache. Die sei im Jahr 1150 erstmals als Stauferbur­g urkundlich belegt.

Der Charakter der Anlage habe sich zum Ende des 15. Jahrhunder­ts gewandelt: Graf Wolfgang der Schöne verlegte seine Residenz aus Oettingen auf die Harburg: „Zusammen mit seinem Hofstaat hat er hier gewohnt.“Der Herrscher habe einiges umbauen lassen. Auch sein Sohn (gestorben 1549) lebte noch dort.

So richtig prunkvoll wurde es laut Beck um 1720. Da ließ Albrecht Ernst II. Fürst zu Oettingen-Oettingen als letzter seines Geschlecht­s den Saalbau errichten. Das barocke Juwel konnte er noch zehn Jahre genießen. 1731 starb der Fürst. Er ist in der Schlosskir­che St. Michael – die heißt interessan­terweise schon lange so und nicht Burgkirche – begraben.

Gerhard Beck kommt zu dem Schluss: „Die Harburg ist definitiv beides – Burg und Schloss. Das macht sie zu etwas Besonderem.“Abgesehen davon höre sich „Burg Harburg“ja auch nicht so schön an.

Übrigens: Die vielen ausländisc­hen Gäste dürften sich nicht den Kopf über solche Fragen zerbrechen – zumindest die englischsp­rachigen. Die kennen das Wort „Castle“– das bedeutet Burg und Schloss.

 ?? Fotos: Wolfgang Widemann ?? Schloss Harburg thront hoch über dem Wörnitztal. Das historisch­e Gemäuer ist bereits 1150 urkundlich belegt – und zwar als Stauferbur­g. Im Laufe der Jahrhunder­te entwickelt­e sich die Anlage immer weiter – und ist noch immer weitgehend erhalten.
Fotos: Wolfgang Widemann Schloss Harburg thront hoch über dem Wörnitztal. Das historisch­e Gemäuer ist bereits 1150 urkundlich belegt – und zwar als Stauferbur­g. Im Laufe der Jahrhunder­te entwickelt­e sich die Anlage immer weiter – und ist noch immer weitgehend erhalten.
 ??  ?? Barocke Pracht im Saalbau des Schlosses: Eine Darstellun­g an der Decke des Saals im zweiten Stock.
Barocke Pracht im Saalbau des Schlosses: Eine Darstellun­g an der Decke des Saals im zweiten Stock.
 ??  ?? Solche Wegweiser führen von der Bundesstra­ße zu Schloss Harburg, einer der größten Sehenswürd­igkeiten in der Region.
Solche Wegweiser führen von der Bundesstra­ße zu Schloss Harburg, einer der größten Sehenswürd­igkeiten in der Region.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Finsteres Mittelalte­r: das Verlies in der Burg.
Finsteres Mittelalte­r: das Verlies in der Burg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany