Verschärfte Kontrollen bei Reichsbürgern
Warum eine Frau aus dem Landkreis eine Bewährungsstrafe erhält und was der Justizminister damit zu tun hat
Landkreis Augsburg/Augsburg Einen Tumult im Gerichtssaal wie in Kaufbeuren soll es in Augsburg nicht geben: Wenn sogenannte Reichsbürger oder Selbstverwalter vor Gericht stehen, dann gelten am Strafjustizzentrum in Augsburg besondere Sicherheitsvorkehrungen. „Bislang verlaufen die Verhandlungen aber friedlich. Wir wollen auch garantieren, dass das so bleibt“, sagt der Präsident des Amtsgerichts, Bernt Münzenberg. Derzeit findet im Durchschnitt jede Woche ein Prozess statt, für den besondere Vorkehrungen gelten. Konkret werden dann folgende Anordnungen getroffen:
Mobiltelefone und sonstige zu Film- und Tonaufnahmen geeignete technische Geräte dürfen nicht in den Sitzungssaal mitgenommen werden.
Der Angeklagte und die Zuhörer werden durchsucht.
In den Sitzungssaal darf nur, wer einen gültigen amtlichen Lichtbildausweis vorlegen kann.
Die Personalien des Angeklagten und der Zuhörer werden festgehalten.
Während der Hauptverhandlung befinden sich zwei Polizeibeamte im Sitzungssaal.
Damit soll sichergestellt werden, dass es kein Durcheinander wie vor zwei Jahren am Amtsgericht Kaufbeuren gibt. Damals ging der angeklagte Reichsbürger während tumultartiger Szenen hinter den Richtertisch, nahm die Akte an sich und warf sie einem Zuhörer zu. Nach einigen Minuten verließen die etwa 20 Störer den Saal. Mit dabei: die Akte. Die Wachtmeister der Justiz konnten den Diebstahl nicht verhindern. Dafür gab es hernach ein Video, das ein Zuhörer vom Tumult gemacht und ins Internet hochgeladen hatte.
Auch in dieser Woche hatte sich das Gericht auf die schärferen Kontrollen eingestellt: Angeklagt war eine Reichsbürgerin aus dem nördlichen Landkreis. Allerdings erschien die 64-jährige Frau nicht. Die Folge: Richterin Rita Greser verurteilte sie wegen Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Die Frau hatte im Juni 2017 wegen versuchter Nötigung einen rechtskräftigen Strafbefehl mit einer Geldstrafe von insgesamt 4000 Euro erhalten. Doch zahlen wollte sie nicht. Stattdessen schickte sie im Juli ein Schreiben an den bayerischen Justizminister Winfried Bausback, in dem sie ihn aufforderte, innerhalb von 72 Stunden die Vollstreckung des Strafbefehls einzustellen. Dem Schreiben waren mehrere Dokumente beigefügt, die die Frau an das Finanzministerium der USA übersandt hatte. Darin war unter anderem die Verpflichtung der in dem Strafbefehlsverfahren betrauten Urkundsbeamtin enthalten, für Verbindlichkeiten der Frau mit einer Bürgschaft von bis zu 100 Millionen US-Dollar aufzukommen. Doch daraus wurde nichts. Der Einspruch der 64-Jährigen wurde verworfen. Zur Reichsbürgerbewegung zählen nach Information des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz insbesondere sogenannte Reichsbürger, Germaniten, Reichsdeutsche, Deutsches Polizeihilfswerk, Exilregierung Deutsches Reich oder der Bundesstaat Bayern.
Aktuell gibt es im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Nord rund 60 bekannte Reichsbürger. Sie erkennen weder die Bundesrepublik als Staat noch das Rechtssystem an und behaupten, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Gerichte, Bußgeldbescheide oder auch Steuerforderungen betrachten sie deshalb als nichtig. Das Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet seit Oktober 2016 die „Reichsbürgerszene“als „sicherheitsgefährdende Bestrebung“. (AL)