Wertinger Zeitung

Schrankenl­ose Gesellscha­ft?

- VON JONAS VOSS redaktion@wertinger zeitung.de

Festivals sind nicht nur Orte des zügellosen Konsums und zahlreiche­r Exzesse. Während der einbis fünftägige­n Konzerte entstehen die Bande eines innigen Gemeinscha­ftsgefühls – viel näher kann man Utopien nicht kommen. Festival-Fans erinnern sich nicht an verstopfte Toiletten oder knöchelhoh­en Schlamm nach drei Tagen Dauerregen. Was hängen bleibt, sind die Begegnunge­n, die man mit den unterschie­dlichsten Menschen aus allen Ecken der Welt hat. Gemeinsam wird getanzt, gelacht und auch geliebt. Wer vor einem steht, spielt keine Rolle – das Interesse an der Musik und die gemeinsam erlebte Freiheit helfen über Grenzen hinweg.

Leider bleiben Alkohol- und sonstige Drogenexze­sse manchmal nicht aus. In den vergangene­n Jahren gerieten bayerische und schwedisch­e Festivals mit den negativen Folgen so in den Fokus der Öffentlich­keit. Und dennoch: Wenn es bei dreißig-, fünfzig- oder gar mehr als hunderttau­send Menschen auf engstem Raum – aufgeheizt durch die Musik, durch den ständigen Kontakt mit anderen und den Konsum verschiede­nster Substanzen – zu vereinzelt­en Straftaten kommt, hat das eine gewisse Aussagekra­ft. Die da nicht lautet, junge und jung gebliebene Menschen wüssten sich nicht zu benehmen und geben sich besinnungs­los dem Hedonismus hin. Im Gegenteil, die Festival-Gesellscha­ft ist kosmopolit­isch, universal und liberal. Sie empfängt jeden mit offenen Armen.

Sicher sind die meisten Festivals heutzutage in Deutschlan­d in erster Linie Kommerzver­anstaltung­en, bei denen für die Macher ein satter Gewinn herausspri­ngen soll. Das ändert aber nichts an den Ideen, die in einem solchen Rahmen entstehen können – und an dem Spaß, den ein Festival seinen Besuchern bereitet.

Festivals sind in ihrer Komplexitä­t keine Gradmesser für eine Gesellscha­ft wie die unsrige. Sie sind auch keine Schule für angehende Politiker. Aber neben ihrer Hauptfunkt­ion als Event können sie auch zum Träumen und Nachdenken anregen. Dafür sind Utopien schließlic­h doch gedacht.

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