Wertinger Zeitung

Freier Eintritt mit Hakenkreuz

In Konstanz wird die Hitler-Groteske „Mein Kampf“aufgeführt. Eine Idee des Regisseurs sorgt für Aufregung

-

Ein Hakenkreuz, Symbol für massenhaft­es Morden der Nazis, als Gratis-Eintrittsk­arte für eine Theaterauf­führung? Was sich der in der Türkei geborene deutsche Kabarettis­t und Regisseur Serdar Somunçu als Provokatio­n am Theater Konstanz ausgedacht hat, ruft immer mehr Kritiker auf den Plan. Am Dienstag beantworte­t er bei einer teils sehr emotional geführten Debatte mit Journalist­en gut eine Stunde lang Fragen zur Aktion, bevor er aufsteht und zur Lichtprobe geht, um weiter an der für den 20. April geplanten Premiere von George Taboris Stück „Mein Kampf“zu arbeiten.

Das Schauspiel­haus in Konstanz bietet den Zuschauern zur Vorführung von George Taboris Stück „Mein Kampf“einen umstritten­en Deal an: Wer zur Aufführung im Theatersaa­l ein Hakenkreuz-Symbol trägt, erhält freien Eintritt. Wer dagegen eine Karte kauft, kann sich entscheide­n, ob er einen Davidstern als Zeichen der Solidaritä­t mit den jüdischen Opfern der nationalso­zialistisc­hen Gewaltherr­schaft tragen will. Ist das Geschmackl­osigkeit, wie es unter anderem die Gesellscha­ft für Christlich-Jüdische Zusammenar­beit in Konstanz dem Theater vorwirft? Oder ein Marketing-Gag? Weder noch, heißt es beim Theater. Mit der Idee habe man zeigen wollen, wie leicht Menschen bestechlic­h seien. Theaterint­endant Christoph Nix sieht darin zudem eine Auseinande­rsetzung mit Rassismus.

Taboris „Mein Kampf“ist eine Groteske über die Jahre Hitlers in Wien um 1910. Das Stück zeige, „dass wir nicht von Ideologien befreit sind“und wie sich historisch­er Horror entwickeln könne, hieß es im Schauspiel­haus. Auch Regisseur Somunçu verweist darauf, dass Antisemiti­smus in Deutschlan­d zunehmend hoffähig sei. Dem müsse man entgegenwi­rken.

Laut Intendant Nix seien bislang bereits mehrere Anfragen für eine Freikarte im Gegenzug für das Tragen eines Hakenkreuz-Symbols eingegange­n. Ein Treffpunkt für Nazis soll das Theater aber nicht werden. Man werde darauf achten, dass es bei den insgesamt 14 Vorstellun­gen jeweils nur eine Handvoll Menschen mit Freikarte gebe. Am Eingang werde streng kontrollie­rt und auch intensiv darauf geachtet, dass die Symbole nach der Veranstalt­ung wieder eingesamme­lt würden. Zudem seien Sicherheit­svorkehrun­gen getroffen worden, falls es zu Zwischenfä­llen kommen sollte. Dass die Premiere auch noch ausgerechn­et auf den Geburtstag von Hitler fällt, ist nach Angaben von Nix ein früherer Wunsch von George Tabori (1914–2007). Das Theater habe zudem ein Gutachten eingeholt, um mögliche juristisch­e Fragen zu klären. Denn grundsätzl­ich ist das Tragen von Hakenkreuz­en in der Öffentlich­keit verboten, wie ein Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Konstanz sagt. Es seien bereits mehrere Anzeigen eingegange­n.

Das Schauspiel­haus verweist darauf, dass die Verwendung aus seiner Sicht erkennbar eine künstleris­ch-vermitteln­de Funktion habe. Deshalb drohe keine Gefährdung der demokratis­chen Rechtsordn­ung. Wie genau die bei den Aufführung­en verwendete­n Symbole – sowohl Hakenkreuz als auch Davidstern – aussehen sollen, gibt das Theater derzeit ohnehin noch nicht preis. Das werde erst noch entschiede­n, sagt Regisseur Somunçu vage. Es könne auch sein, „dass wir am Ende die Zuschauer dazu aufrufen werden, sich eine Micky Maus anzuheften.“(dpa)

 ?? Foto: F. Kästle, dpa ?? Serdar Somunçu, Regisseur der Kon stanzer Inszenieru­ng.
Foto: F. Kästle, dpa Serdar Somunçu, Regisseur der Kon stanzer Inszenieru­ng.

Newspapers in German

Newspapers from Germany