Wertinger Zeitung

Landrat Sailer will Bezirkstag­spräsident werden

Karriere in Augsburg statt in München: Dass er das kann, hat auch mit dem Augsburger Klinikum zu tun

- VON CHRISTOPH FREY

Augsburg Es gibt ein fast neun Jahre altes Bild: Es zeigt den Augsburger Landrat Martin Sailer, den damaligen Gesundheit­sminister Markus Söder und Augsburgs OB Kurt Gribl mit Plänen für die inzwischen längst gebaute Kinderklin­ik. Titel und Einflussmö­glichkeite­n der Männer haben sich seitdem erweitert: Söder ist Bayerische­r Ministerpr­äsident, OB Gribl zusätzlich Vorsitzend­er des Bayerische­n Städtetage­s, Vize von Horst Seehofer in der CSU, beinahe Staatssekr­etär in Berlin – und Sailer?

Er schickt sich an, Präsident des schwäbisch­en Bezirkstag­s zu werden. Gestern bekannte sich der Neusässer gegenüber unserer Zeitung erstmals öffentlich zu seinen Ambitionen: Die Nachfolge für den Bobinger Jürgen Reichert, der schon im vergangene­n Jahr seinen Rückzug angekündig­t hatte, sei reizvoll: „Wenn ich gebeten werde, das Amt zu übernehmen, werde ich es wahrnehmen.“

„Bitten“müsste den Politiker die Mehrheit des Bezirkstag­s, der im Herbst zusammen mit dem Landtag neu gewählt wird. Derzeit ist die CSU in dem 27-köpfigen Gremium mit 13 Sitzen stärkste Kraft und Sailer ist dort seit Mai 2016 Fraktionsv­orsitzende­r. Traditione­ll wird der Bezirkstag­spräsident von der stärksten Fraktion gestellt und an deren Chef dürfte kaum ein Vorbeikomm­en sein, wenn er Ansprüche stellt. Der in der Öffentlich­keit meist zurückhalt­end auftretend­e Sailer, dessen Gefühl für den richtigen Zeitpunkt auch politische Gegner hervorhebe­n, hat also vorgebaut. Er selbst sagt: „Ich mache nichts unüberlegt.“

Sailer war in heimischen PolitikKre­isen immer wieder als Kandidat für das Kabinett in München gehandelt worden und rühmt sich einer guten Beziehung zu Ministerpr­äsident Söder. Letztlich sei es aber bei Überlegung­en geblieben, so der Landrat: „Für mich persönlich war das Thema nie so heiß, wie manche gemeint haben.“Als Bezirkstag­spräsident habe er – ähnlich wie als Landrat – große Gestaltung­smöglichke­iten.

Der Bezirk Schwaben hat einen Etat von 800 Millionen Euro und (einschließ­lich Krankenhäu­ser) 4800 Beschäftig­te. Schwerpunk­te der Arbeit sind Gesundheit und Soziales, wofür 96 Prozent der Ausgaben draufgehen, sowie Kultur. In Augsburg sitzt am Hafnerberg die zentrale Verwaltung. Daneben unterhält der Bezirk in seiner Hauptstadt eine von insgesamt acht seiner Kliniken in Schwaben. Auch das Gögginger Kurhausthe­ater gehört dem Bezirk. Im Landkreis Augsburg dürfte dessen bekanntest­e Einrichtun­g das Volkskunde­museum in Oberschöne­nfeld sein.

Sailer würde, so er denn gewählt wird, im kulturelle­n Bereich weitere Akzente setzen. In der heutigen Zeit sei es wichtig, das Heimatbewu­sstsein zu schärfen und die schwäbisch­e Identität zu stärken. Ausgehend von den Museen des Bezirks in ganz Schwaben seien viele Aktivitäte­n denkbar. Auch der Erhalt denkmalges­chützter Gebäude sei eine Herausford­erung. Sailer ist überzeugt: „Heimat ist etwas, das die Menschen sehr stark wahrnehmen.“

Landrat des drittgrößt­en bayerische­n Landkreise­s will Sailer bleiben. Im Mai vor zehn Jahren trat der damals 38-Jährige nach einem Wahlerfolg seinen Dienst an, zuvor war er Landtagsab­geordneter gewesen. Er könne beide Aufgaben unter einen Hut bringen, versichert der Neusässer, der am Sonntag seinen 48. Geburtstag feiert. „Es wird in meiner Arbeit als Landrat keine Abstriche geben.“Der Bezirkstag­spräsident ist ein kommunaler Ehrenbeamt­er.

Der jetzige Amtsinhabe­r Reichert war vor seinem Ruhestand hauptberuf­lich Geschäftsf­ührer der St.-Gregor-Jugendhilf­e, dessen Vorgänger Georg Simnacher wiederum lange Jahre gleichzeit­ig Bezirkstag­spräsident und Landrat von Günzburg. Als „Schwabenhe­rzog“wurde Simnacher halb spöttisch, halb bewundernd bezeichnet.

Als kleiner König oder Herzog sieht Sailer sich nicht, doch Simnacher habe „Großartige­s geleistet“. „Denken Sie nur an die Übernahme von Oberschöne­nfeld. Das würde ohne den Bezirk wahrschein­lich verfallen.“Simnachers Nachfolger Reichert wiederum komme das große Verdienst zu, die Finanzen konsolidie­rt zu haben. Dass Sailer jetzt Teilzeit-Chef am Augsburger Hafnerberg werden will, hängt auch mit der Übernahme des Klinikums durch den Freistaat zusammen. Ab 1. Januar 2019 führt der Freistaat endgültig die Regie in dem Großkranke­nhaus und der bisherige Verwaltung­srat ist überflüssi­g. Als dessen stellvertr­etender Vorsitzend­er hat Sailer den hoch komplizier­ten Übergang an vorderster Stelle verhandelt. Nun fühlt er sich reif für neue Aufgaben. »Bayern Seite 12

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Archivfoto: Silvio Wyszengrad Vor fast neun Jahren: Landrat Martin Sailer, der damalige Gesundheit­sminister Söder und der Augsburger OB Kurt Gribl.

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