Der Garten meiner Träume
Der Garten meiner Träume liegt mitten in Wertingen. Als Kind habe ich dort gespielt, bin die Leitern hoch geklettert, die an den Obstbäumen lehnten und habe mit den Amseln um die Wette nach den safttriefenden Weichseln geschnappt. Den Garten meiner Träume grenzte die alte Stadtmauer ein, Eidechsen sonnten sich auf den roten Ziegeln, Käfer huschten durch die Ritzen und am Fuße der Mauer wuchs das Kraut, mit dessen gelber Flüssigkeit ich meine Hautwarzen an den Fingern einrieb bis sie verschwanden. Im Garten meiner Träume blühten Margeriten und Gänseblümchen, von denen wir uns Kränze flochten, wuchs der Sauerampfer, dessen Blätter wir uns schmecken ließen. Im Garten meiner Träume kletterte ich auf die Mauer und schaute in den Kindergarten oder beobachtete auf Nachbars Grundstück die Ferkel und die dicke Muttersau, die sich im Morast wälzte.
Im Garten meiner Träume wurde eines Tages die Mauer abgebrochen, wurden die Weichselbäume gefällt, wurde Rasen gepflanzt. Im Garten meiner Träume konnte man jetzt gut Federball spielen, und meine Mutter plagte sich ab mit den Rosenbeeten und Prachtstauden, die ja ihrem Namen alle Ehre machen sollten. Und mein Vater kaufte große Sonnenschirme, unter denen sich dann doch die Hitze staute.
Der Garten meiner Träume ist jetzt in die Jahre gekommen, und der alte Apfelbaum, an dem wir „Bäumchen, wechsle Dich“spielten, steht immer noch. Er ist ein Relikt vergangener Zeit und müht sich weiter, gute Äpfel zu erzeugen. Er hat viele Löcher, in die die Stare schlüpfen und Insekten krabbeln.
Im Garten meiner Träume kann nicht mehr alles so sein, wie es war. Ich streife umher und lasse die Gedanken fliegen. Ich hole Luft und atme ein und verwahre ihn gut in mir – den Garten meiner Träume.