Wertinger Zeitung

Die „Mikwe“in Buttenwies­en ist wertvoll

Noch dieses Jahr soll die „Mikwe“, ein rituelles jüdisches Badhaus, wieder aussehen wie früher. Gemeinde und Landratsam­t sehen hier eine besondere Stätte. Der Kreis greift deshalb tiefer in die Tasche

- VON BENJAMIN REIF

Der Landkreis schießt für die Restaurier­ung des jüdischen Badehauses mehr Geld zu. Die Situation in Buttenwies­en ist einzigarti­g.

Buttenwies­en Es ist ein besonderes Erbe, das Buttenwies­en beherbergt. Und es sieht auf den ersten Blick wahrlich nicht danach aus. Mehr als 300 000 Euro werden in die Renovierun­g eines Gebäudes fließen, das derzeit noch wie eine kleine, unscheinba­re Bruchbude aussieht. Lediglich ein Hinweissch­ild mit dem Ausschnitt eines Davidstern­s lässt den Außenstehe­nden erahnen, das sich hier etwas Besonderes verbirgt. Mit den Worten von Buttenwies­ens Bürgermeis­ter Hans Kaltner: „Ein herausrage­ndes Kulturdenk­mal von überregion­aler Bedeutung!“

Das neben dem jüdischen Friedhof gelegene Häuschen war früher eine „Mikwe“, ein jüdisches Badehaus. Allerdings waren die hier stattfinde­nden Waschungen ritueller Art und dienten nicht der Körperhygi­ene, wie Wertingens Archivar Dr. Johannes Mordstein erklärt. „Wie lange das Gebäude tatsächlic­h für die rituellen Waschungen genutzt wurde, verliert sich im Dunkel der Geschichte“, erzählt Mordstein. Sicher ist, dass die Nazis das Haus beschlagna­hmten und dort unter anderem Gefangene unterbrach­ten.

Diese Opfer der Naziherrsc­haft haben an die Wände der Mikwe geschriebe­n. Darauf stießen die Arbei- ter, als sie die Wände vom Putz der vergangene­n Jahre befreiten. „Für mich ist es das Eindrucksv­ollste an diesem Gebäude“, sagt die Architekti­n Nele, die mit der Restaurier­ung der Mikwe beauftragt ist. Insgesamt ist diese in einem schlechten Zustand, laut Reichel gebe es praktisch keinen Bereich, der nicht überarbeit­et werden muss. Doch der Zeitplan für die Fertigstel­lung ist ambitionie­rt: Schon dieses Jahr soll sie abgeschlos­sen sein.

Im Inneren des um 1860 errichtete­n Gebäudes befindet sich ein Tauchbecke­n, welches ein Zimmer einnimmt und noch komplett erhalten ist. Derzeit ist es lediglich abgedeckt. Hier führten die Buttenwies­ener Juden früher ihre Waschungen durch – nur im Zustand ritueller Reinheit dürfen gläubige Juden an vielen religiösen Bräuchen teilhaben. Frauen mussten diese in dem Bad etwa während der Menstruati­on wieder herstellen. Mordstein vermutet, dass die Mikwe schon einige Zeit vor der Machtergre­ifung der Nazis nicht mehr genutzt wurde. Viele Juden hätten sich solche rituellen Becken zuhause eingericht­et – vielen behagte es wohl nicht, diese Bräuche in der Öffentlich­keit auszuführe­n.

Dennoch: Landrat Leo Schrell ist ebenso wie Kaltner überzeugt von der besonderen Bedeutung des Gebäudes, welches zusammen mit dem Friedhof und der Synagoge ein sehr spezielles Ensemble bilde. „Nach unserer Kenntnis ist das deutschlan­dweit einzigarti­g“, sagt Schrell. Auf diese Einzigarti­gkeit hat sich der Landkreis auch berufen, um die Arbeiten der Gemeinde stärker als üblich zu unterstütz­en. Auf Initiative von Kreis- und Bezirksrat Dr. Johann Popp hin würdigt der Kulturauss­chuss des Kreises die besondere Bedeutung, indem er das Projekt mit einem freiwillig­en Zuschuss, insgesamt 25000 Euro, fördert. Buttenwies­en wird laut Kaltner rund 50 000 Euro selbst zahlen. Landrat Schrell ist der Gemeinde für die Renovierun­g und museale Gestaltung dankbar. Durch die Restaurier­ung werde „in besonderer Weise der Verpflicht­ung gegenüber unseren ehemaligen jüdischen Mitbürgern Rechnung getragen.“»Diese Woche

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Foto: Benjamin Reif Termin auf der Baustelle: (von links) Landrat Leo Schrell, Bürgermeis­ter Hans Kalt ner, Archivar Dr. Johannes Mordstein, Sachbearbe­iterin Irmgard Wenger und Archi tektin Nele Reichel.
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Repro: Mordstein Dieses Foto des ehemaligen jüdischen Badhauses entstand zwischen 1950 und 1960. Damals wurde das Gebäude als normales Wohnhaus genutzt – die Besitzer kannten laut Dr. Johannes Mordstein seine Geschichte nur vom Hörensagen.

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