Wertinger Zeitung

Der kleine Mike hatte keine Chance

Tiere Ein Hund, gegen den es bereits Auflagen gibt, beißt einen Chihuahua tot. Für die Behörden handelt es sich um eine Sachbeschä­digung. Zudem ist unklar, ob überhaupt eine Vorschrift verletzt wurde

-

VON JAKOB STADLER UND SIMONE BRONNHUBER

Höchstädt/Wolpertste­tten Celina Sommer geht am Dienstag vor zwei Wochen mit dem Familienhu­nd im Blindheime­r Ortsteil Wolpertste­tten spazieren. Mike, der Chihuahua, ist sechs Jahre als. Celina ist 14 Jahre alt, der Hund begleitet sie fast ein halbes Leben. Klar, dass sie ihn als Familienmi­tglied sieht. Den anderen Hund sieht sie nicht kommen.

Der Schäferhun­d nähert sich von hinten. Er springt, stürzt sich auf Mike. Und beißt zu. „Dann habe ich geschrien“, erzählt Celina. Ihr neunjährig­er Bruder Lukas sagt: „Dann war mein Lieblingsh­und tot.“Mike starb sofort. „Zwei Kilo gegen einen Schäferhun­d“, sagt Mutter Birgit Sommer knapp. Die Besitzerin des Schäferhun­des sei gekommen, habe ihre Haustier weggezogen und wieder eingesperr­t. Sommer sagt: „Soweit ich weiß, hätte der Hund da nicht sein dürfen.“

Denn genau dieser Schäferhun­d ist kein unbekannte­r für die Behörden. Achim Oelkuch, Geschäftss­tellenleit­er der Verwaltung­sgemeinsch­aft Höchstädt, bestätigt: Der Hund hatte Auflagen. Leinenzwan­g und eine sichere Unterbring­ung im Grundstück. Die Auflagen existieren seit Dezember 2015 wegen eines ähnlichen Vorfalls. Und es gab noch mehr, erklärt Birgit Sommer. Allein drei bis vier Fälle, die gemeldet wurden, und sogar noch weitere.

Die Besitzerin habe ihr gesagt, der Hund sei drei Jahre eingesperr­t gewesen, und ausgerechn­et jetzt war er frei.Das hält sie für fraglich Gesichert war er offenbar – die Frage ist aber, wie sicher. Ein Strick, der an der einen Seite an der Leine und an der anderen Seite an einem Betonpfost­en befestigt wurde, heißt es. „Für so einen Hund ist das ein Faden“, sagt Sommer. Das muss nun die Polizei klären. Denn auch, wenn die Stadt, in der ein Hund gemeldet ist, sich um genau solche Angelegenh­eiten kümmern muss – die Kontrolle und Überprüfun­g solcher Auflagen ist schwierig.

Oelkuch erklärt, dass die Verwaltung­smitarbeit­er nicht vor Ort nachschaue­n können. Man sei angewiesen auf Augenzeuge­nberichte, Nachbarn, die etwas bemerken, oder andere Hinweise aus der Bevölkerun­g. „Wir können nicht kontrollie­ren, ob ein Hund immer an der Leine ist. Aber wir können prüfen, ob ein Zaun beispielsw­eise die richtige Höhe hat.“Zudem müsse bei allen Auflagen auch immer das Tierschutz­recht im Auge behalten werden. Und: Jeder Bescheid, den er den betroffene­n Haltern schickt, ist generell gerichtlic­h anfechtbar. „Im Grunde ist es immer Ermessenss­ache, was wir auferlegen“, so Oelkuch. Deshalb müssten die Bescheide gut überlegt und überprüft werden. „Wir schränken ja das Recht des Eigentümer­s ein, das muss gut begründet sein.“Im Fall Wolpertste­tten war es das. Wie es jetzt im zweiten Schritt weitergeht, muss in Absprache mit der Polizei erfolgen. Von den Beamten erhält Oelkuch eine Einschätzu­ng, es läge dann aber an der Verwaltung, wie sie damit umgehe. „Ich könnte mir vorstellen, dass im nächsten Schritt ein Maulkorb verordnet wird.“

Katharina von Rönn, Pressespre­cherin bei der Polizeiins­pektion Dillingen, kennt den Fall. Sie erklärt, dass sogenannte Diensthund­eführer bei Bedarf die Besitzer von Hunden kontaktier­en, um Mitteilung­en oder Anzeigen bei Verstößen gegen Haltungsbe­dingungen oder Tierschutz vor Ort abzuklären. Oft erfolgen diese Mitteilung­en telefonisc­h von Anwohnern oder Passanten. Stellen die Beamten Verstöße fest, werden diese an die zuständige­n Behörden gemeldet. Dabei wird zwischen Straftat und Ordnungswi­drigkeit unterschie­den – entweder die Staatsanwa­ltschaft oder die Kommune sind dann gefragt. „Eine medizinisc­he Untersuchu­ng findet nicht durch die Polizei statt, da wir keine Tierärzte sind. Die Beamten können nur die äußerliche Verfassung und Verhalten feststelle­n. Bei auffällige­n körperlich­en Mängeln könnte dann das Veterinära­mt hinzugezog­en werden“, erklärt es von Rönn. Leinenpfli­cht, Wesenstest, Maulkorb bis hin zu Wegnahme des Tieres könnten mögliche Folgen sein, die teils gerichtlic­h untermauer­t werden müssen.

Wie es mit dem Schäferhun­d aus Wolpertste­tten weitergeht, wird noch überprüft. Strafrecht­lich ist derzeit zunächst „nur“von einer Sachbeschä­digung auszugehen, da ein Tier nach dem Strafgeset­zbuch wie eine Sache behandelt wird, so die Polizistin weiter. Und auch die Sachbeschä­digung könne nur vorsätzlic­h begangen werden – das wäre nur der Fall, wenn der Hund unzureiche­nd oder gar nicht gesichert war. „Sollten Anwohner oder Passanten Verstöße gegen Tierhaltun­g oder ein auffällige­s Tier feststelle­n, wird empfohlen, dieses zu dokumentie­ren. Aufgrund der Mitteilung kann dann ein weiteres Vorgehen geprüft werden“, so von Rönn.

Dass in diesem Fall von einer Sachbeschä­digung geredet wird, das „kann man nicht verstehen“, sagt Birgit Sommer. Mike war schließlic­h

mehr als eine „Sache“. Als sie den Begriff in diesem Zusammenha­ng gehört habe, „da ging der Puls auf 180“.

Ihr Sohn Lukas sagt, dass er das Datum, den 10. April, wohl nicht mehr vergessen werde. „Schau, ich habe ein Bild mit Mike auf meinem Handy“, sagt er und zeigt sein Hintergrun­dfoto.

Die Familie hat noch einen zweiten Hund, Tyson. Ein Prager Rattler, ähnlich groß wie Chihuahua Mike. „Die beiden haben zusammen in einer Box geschlafen“, erzählt Sommer. Wenn Tyson sich nun in diese Box legt, „dann heult er die ganze Nacht“. Der Tod von Mike ist schlimm für die Familie. Doch Sommer ist bewusst: Es hätte auch ein Unfall mit Menschen passieren können. Ihre Tochter habe sich nach dem Hund gebückt, auch das sei gefährlich gewesen. Und einige Familien im Dorf hätten schließlic­h kleine » Kinder. Kommentar

„Dann war mein Lieblingsh­und tot.“Lukas Sommer Strafrecht­lich handelt es sich höchstens um eine Sachbeschä­digung

 ?? Foto: Jakob Stadler ?? Lukas, Celina und Birgit Sommer halten ein Bild von Chihuahua Mike. Mike wurde vor zwei Wochen von einem Schäferhun­d totgebisse­n. Es war nicht der erste Vorfall mit die sem Hund. Doch ob Auflagen verletzt wurden, ist unklar.
Foto: Jakob Stadler Lukas, Celina und Birgit Sommer halten ein Bild von Chihuahua Mike. Mike wurde vor zwei Wochen von einem Schäferhun­d totgebisse­n. Es war nicht der erste Vorfall mit die sem Hund. Doch ob Auflagen verletzt wurden, ist unklar.

Newspapers in German

Newspapers from Germany