Die Orgel lockt Menschen aus ganz Europa an
Im Orgelförderverein Gabelbach geht eine Ära zu Ende: Richard Kraus hat nach 20 Jahren den Vorsitz an Rien Voskuilen abgegeben. Der niederländische Musiker ist wegen des historischen Instruments ins Dorf gezogen
Zusmarshausen Gabelbach Welcher Musiker kann schon behaupten, dass er direkt neben einem der bedeutendsten Instrumente seines Fachs wohnt? Rien Voskuilen kann das. Seit fast zehn Jahren wohnt der freiberufliche Musiker, spezialisiert auf Cembalo und Orgel, im Gabelbacher Pfarrhaus. Gegenüber, in der Pfarrkirche St. Martin, steht die älteste Orgel Süddeutschlands. Und dass der Niederländer Voskuilen hier lebt, hat genau mit dieser Orgel zu tun.
Voskuilen wohnte in Karlsruhe, als er in Artikeln der Augsburger Allgemeinen von der historischen Günzer-Orgel erfuhr. Seine Frau stammt aus Neusäß. Zu einem runden Geburtstag wünschte sie sich, dass er für sie und die Familie ein Konzert an genau dieser Orgel spielt. Der berühmte Baumeister Marx Günzer hatte sie 1609 für die Augsburger Barfüßerkirche konstruiert. Fast 150 Jahre wurde sie dort gespielt, dann passte sie nicht mehr zum Zeitgeschmack. Deshalb wurde sie nach Gabelbach verkauft, wo sie seit 1758 steht – und als eine der wenigen Orgeln, die Jahrhunderte mit Kriegen und neuen Moden überlebt hat.
Kein Wunder also, dass es Rien Voskuilen, den Experten für historische Tasteninstrumente, reizte, darauf zu spielen. Nach einigen Telefonaten und Besuchen kam das Konzert dann auch zustande – und die Gabelbacher fragten ihn gleich, ob er nicht hierherziehen möchte. Das Pfarrhaus stand damals nämlich leer. „Als Erstes habe ich gleich Nein gesagt“, erzählt Voskuilen lachend – dann hat das Musikerpaar sich das Haus doch angeschaut. Und seit fast zehn Jahren lebt es nun hier.
Dass Rien Voskuilen jetzt auch eine Aufgabe im Orgel-Förderverein bekommen hat, ist bei dieser Geschichte irgendwie die logische Konsequenz. „Das war höchste Zeit“, meint Richard Kraus schmunzelnd. Er ist seit mehr als 40 Jahren Organist und Chorleiter in der kleinen Gemeinde. Und 20 Jahre lang, seit der Gründung, leitete er den Förderverein. Jetzt ist diese Ära zu Ende: Voskuilen wurde kürzlich zum neuen Vorsitzenden gewählt, Kraus bringt als Stellvertreter weiterhin all seine Erfahrung mit ein. Er betont, er sei froh über den Wechsel: „Nach 20 Jahren braucht es neue Ideen und neue Leute.“
Die Bilanz des Fördervereins ist beeindruckend: Seit der Gründung hat er 263000 Euro gesammelt, die für die Restaurierung der historischen und den Bau der neuen Orgel genutzt wurden. Hunderte Menschen haben zu dieser Summe beigetragen – „wir bekamen Spenden von 20 Euro bis 63000 D-Mark“, erzählt Kraus. Außerdem gab es zahlreiche Aktionen im Dorf, zum Beispiel wurden Orgel-Socken und Orgel-Wein verkauft. Und der Verein hat 60 Benefizkonzerte organisiert. Das alles hat dazu beigetragen, dass die Restaurierung vor knapp zwei Jahren abgeschlossen werden konnte. Das wertvolle Instrument wurde aufwendig saniert und auf den Stand von 1758 zurückgebaut. Jetzt klingt sie wieder wie vor 400 Jahren.
Doch mit der feierlichen Segnung im Juni 2016 war die Arbeit noch nicht beendet. Im Gegenteil: Der Verein hat sich eine neue Satzung gegeben, will sich nun um die Pflege und den Erhalt der Orgel kümmern – und durch Konzerte einem breiten Publikum bekannt machen. Das erste Konzert des Jahres findet am Sonntag, 20. Mai, statt. Welch ein Schatz da in der prächtigen Kirche steht, das hat sich in den vergangenen Jahren herumgesprochen. Experten aus ganz Deutschland und aus der Schweiz kamen schon nach Gabelbach. Dageblieben ist bisher allerdings nur Rien Voskuilen. Und er will auch nicht mehr weg. Kein Wunder: Welcher Musiker kann schon behaupten, dass er direkt neben einem der bedeutendsten Instrumente seines Fachs wohnt?