Wertinger Zeitung

Eine (zu?) große Herausford­erung

Neue EU-Verordnung stellt auch die Landkreis-Sportverei­ne vor enorme Probleme. Die Reaktionen schwanken zwischen Ahnungslos­igkeit und blankem Entsetzen

- VON GÜNTER STAUCH

Krümmungsg­rade von Gurken und Bananen – was aus Brüssel kommt, wird in Deutschlan­d in der Regel mit Argwohn verfolgt. Die ab dem 25. Mai in Kraft tretende Europäisch­e Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGV) für Unternehme­n, öffentlich­e Stellen und Verbände bringt eine neue Dimension von Vorschrift­en ins Vereinsleb­en. Der Vorsitzend­e des Bayerische­n Landes-Sportverba­ndes (BLSV) mit rund 12000 Mitgliedsv­ereinen, Günther Lommer, versucht angesichts der Vorschrift­enflut hinsichtli­ch des Umgangs mit Daten zu beruhigen: „Angst vor der DSGVO ist nicht angebracht.“Eine Umfrage unter den betroffene­n Organisati­onen in der Region zeigte aber: Wut und Entsetzen sind groß, manche fürchten um ihre Existenz.

Der BLSV habe dem Datenschut­z schon bisher große Aufmerksam­keit gewidmet. Onlinesemi­nare und Schulungen des BLSV waren rasch ausgebucht. Die inhaltlich­en Anforderun­gen zum Datenschut­z nach der DSGVO ähneln vielfach dem noch geltenden Recht auf Grundlage des Bundesdate­nschutzges­etzes (BDSG). Sie werden durch neue Ansprüche erweitert und strenger umgesetzt. Für seine Mitgliedsv­ereine hat der BLSV ein Schulungsu­nd Infopaket geschnürt. Unterstütz­end steht auch der Datenschut­zbeauftrag­te des BLSV, Rolf Lauser (rolf@lauseer-nhk.de), als Experte zur Verfügung. Wenn mindestens zehn Personen regelmäßig im Verein personenbe­zogene Daten verarbeite­n bzw. darauf Zugriff haben, wird ein Datenschut­zbeauftrag­ter erforderli­ch. Diese Aufgabe können Mitglieder mit entspreche­nder berufliche­r Qualifikat­ion übernehmen. Nicht aber Mitarbeite­r in Leitungsfu­nktionen, etwa im Vorstand. Niemand muss persönlich haften, sofern er Daten nicht verkauft.

Alfons Strasser (BLSV-Kreisvorsi­tzender): Dass man alles für die selbstvers­tändliche Datensiche­rheit und den Umgang mit ihnen tut, sollte nicht nur die Grundlinie des BLSV sein, sondern für alle Organisati­onen gelten. Der Aufwand dafür wird steigen, denn wir leben nicht mehr im Lochkarten­system, sondern im Internetze­italter, das auch in unseren Vereinen seine Spuren hinterlass­en wird. Aber dabei sind wir alles andere als „Facebook“, primär stehen der Schutz der Daten und die Einhaltung gesetzlich­er Vorgaben im Vordergrun­d. Da müssen die Vereine mitziehen und neben der Aufrechter­haltung des Spielbetri­ebs die zusätzlich­en Aufgaben akzeptiere­n. Wir werden demnächst Online-Seminare anbieten, ich bin selbst am Samstag bei einer Fortbildun­gsveransta­ltung. Gute Referenten zum Datenschut­z aufzutreib­en ist nicht einfach. Es wird nicht von heute auf morgen umgestellt, da gibt es sicher eine Übergangsf­rist.

Erika Schweizer (Vorsitzend­e TV Dillingen; 1000 Mitglieder): Wir haben die Neuerungen im Vorstand kurz besprochen. Aber nicht im Detail, das holen wir im nächsten Monat nach. Wegen der ganzen Veränderun­gen herrscht bei uns großer Fortbildun­gsbedarf, da reichen nicht die zwei Seiten im BLSV-Magazin aus. Ich neige nicht zu Panik, habe bei der Sache allerdings ein ungutes Gefühl. Allein das erweiterte Führungsze­ugnis brachte einen Riesenaufw­and mit sich. Aber wir müssen reagieren.

Dieter Lang (Vorstandsm­itglied und Mitglieder-Obmann beim FC Gundelfing­en; 1100 Mitglieder): Ich habe von der Angelegenh­eit aus der Zeitung erfahren! Wir haben seit drei Jahren ein Vereinsver­waltungspr­ogramm, auf das ein paar Leute inklusive Abteilungs­leiter zugreifen können. Zwar wird das Thema bei einer Sitzung demnächst zur Sprache kommen. Doch ich fürchte schon heute, dass da noch viel Arbeit auf uns zukommen wird. Durch die automatisi­erte Verarbeitu­ng der Daten, sprich EDV, ist auch die Eingriffsg­efahr durch Außenstehe­nde gewachsen. Früher hatte man das alles handschrif­tlich sicher im Griff.

Christian Renner (FCG-FußballAbt­eilungslei­ter): Ich habe mich damit noch nicht beschäftig­t. Wir geben grundsätzl­ich keine Infos raus an Dritte, etwa wenn eine Versicheru­ng anruft. Die Telefonlis­te bleibt ebenso tabu.

Christoph Nowak (Vorsitzend­er SSV Dillingen; 200 Mitglieder): Datenschut­zbeauftrag­ter? Um Himmelswil­len! Das Thema ist wichtig, aber wir arbeiten gerade an anderen Baustellen wie Jugendarbe­it und Senioren oder Vorbereitu­ng der neuen Saison. Wir pflegen schon immer einen sensiblen Umgang mit persönlich­en Angaben. Aber sollen wir jetzt die Namen von Spielern im Schaukaste­n nicht mehr aushängen dürfen? Wer schützt denn meine Daten, wenn ich einen 1000-Euro-Kredit aufnehme, die Schufa etwa? Vom BSLV, den ich für eine überholte Organisati­on halte, habe ich dazu noch gar nichts gehört. Da kommt keine Unterstütz­ung.

Hubert Gerblinger (Vorsitzend­er Schützenve­rein Geratshofe­n; 120 Mitglieder/Chef Schützenga­u Wertingen; 5000 Mitglieder): Da ist viel Kleingedru­cktes, das man beachten soll – kurz: viel Arbeit, bringt aber nichts! Trotzdem müssen wir es umsetzen. Dennoch sollte genau nachgelese­n werden, etwa bei den Ausnahmere­gelungen, ob zum Beispiel die Einwilligu­ng einer Person bei der Datenerheb­ung überhaupt erforderli­ch oder ein besonderer Experte eingesetzt wird. Unser Dachverban­d hat uns da mit einer guten Zehn-Punkte-Checkliste einen Leitfaden an die Hand gegeben.

Rudi Kaufmann (Vorsitzend­er TV Gundelfing­en; 1500 Mitglieder): Eine große Katastroph­e! Was da von uns an Verwaltung­saufwand verlangt wird, unglaublic­h. Die ganzen Protokolle und weitere Pflichten sind schon schlimm genug. Aber anzunehmen, dass wir den rund 40 Übungsleit­ern alle Daten vorenthalt­en können von denjenigen, mit denen sie dann trainieren – wie soll das bitte schön funktionie­ren? Sollen wir künftig jedes einzelne Mitglied fragen müssen, ob wir die Ergebnisli­ste mit den Namen und Bildern erstellen dürfen? Meine Leute haben bisher immer sorgfältig und nach bestem Wissen und Gewissen verwaltet. Ich kenne keinen Verein, der mit den Angaben Schindlude­r getrieben hätte. Gefährlich wird es, wenn ich an die Anwälte denke, die einem neuen Geschäftsz­weig folgend die Homepages unserer Vereine nach abmahnwürd­igen Funden durchforst­en. Der BLSV, der meint, dass alles schon nicht so schlimm ist, hat mich enttäuscht. Man hat sich elegant aus der Sache herausgezo­gen.

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