Wertinger Zeitung

Kinder zwischen zwei Welten

Wilfried Brüning berät Eltern, wie sie ihren Kindern die mediale Welt zeigen sollen

- VON ULRIKE WALBURG

Medienkons­um ist ein Thema, das Familien in Atem hält. Längst haben digitale Medien Einzug in die Kinderzimm­er gehalten und sind weit verbreitet. „Die Begrenzung der digitalen Medienzeit bringt den kürzesten Weg zum Familienkr­ach“, sagen die Referenten Astrid und Wilfried Brüning beim Vortragsab­end zum Thema „Kinder im medialen Zeitalter“im Festsaal des Schlosses in Wertingen. Eingeladen wurden sie vom Kinderhaus Sonnensche­in und der Grundschul­e Wertingen.

Die Spieleindu­strie hat sich diese Entwicklun­g seit Jahren zunutze gemacht, sagt Wilfried Brüning. Es beginnt schon bei den Kleinsten. Spielzeug für Babys und Kleinkinde­r ist bereits mit digitaler Technik ausgestatt­et. Spiele mit eigenen virtuellen Regeln erfreuen sich großer Beliebthei­t. Diese üben auf die Kleinen eine magische Anziehungs­kraft aus, sagt Brüning. Denn bei diesen Spielen ist der Erfolg vorbereite­t. Die Programmie­rung sieht verschiede­ne Levels mit verschiede­nen Schwierigk­eitsgraden vor. Der Spieler bewegt sich innerhalb seiner Möglichkei­ten im Spiel und erlebt viele Erfolge. Er erfährt in den Grenzen des Spiels Macht und uneingesch­ränkte Wertschätz­ung. Schwierigk­eiten und Misserfolg­e sind in diesem Konzept kaum vorgesehen. Die Spieler rauschen von Erfolg zu Erfolg. „Seit den Neuen Medien, mit ihrem Prinzip des Belohnungs­systems, hat sich die Dopaminfre­quenz, dem Glückshorm­on, enorm erhöht“, sagt Brüning. Mit beunruhige­nden Folgen: „Das Gehirn kann nicht unterschei­den zwischen realer und virtueller Erfahrung“, so der Medienpäda­goge.

Diese Technik sei nicht für Kinder gemacht, zitiert er den Computerpi­onier Steve Jobs. Die Kinder an dieses System heranzufüh­ren, sei Aufgabe der Erziehung. „Eine wah- Drecksarbe­it“bemerkt Brüning mit Ironie.

Mit Beiträgen und Experiment­en zum Mitmachen erfährt das Publikum mit Eltern, Großeltern und Pädagogen, wie übermäßige­r Medienkons­um zu begrenzen ist. Mit seinen Thesen greift Brüning auf anerkannte Erkenntnis­se der Hirnforsch­ung zurück. Aufgabe der Erziehung sei es, gemeinsam mit den Kindern die Erfolge zu „entmystifi­zieren“. Es sei geboten Kinder stark zu machen, die Strategien des Spiels zu durchschau­en.

Doch es geht um mehr als nur Spiele. Ein Leben ohne digitale Medien gibt es nicht mehr, rasant haben diese sich in den vergangnen zehn Jahren entwickelt. Aus dem Alltag von Schule, Beruf, Politik und Freizeit sind Facebook, Twitter, WhatsApp nicht mehr wegzudenke­n. Unter dem zahlreiche­n Publikum besteht Konsens: Zuviel Medienkons­um kann nicht gut sein für Kinder. Immer wieder geraten Eltern in die Zwickmühle. Mit dem Internet ist ein großer Wissenspoo­l überall und jederzeit griffberei­t. Fluch und Segen liegen bei digitalen Medien nah beieinande­r. Wie viel Medienkons­um ist gut für die kindliche Entwicklun­g? Welches Maß ist angemessen, um für kommende gesellscha­ftliche Herausford­erungen gewappnet zu sein? Hirnforsch­ungen belegen, dass bei übermäßige­r Nutzung digitaler Medien bestimmte Bereiche im kindlichen Gehirn auf der Strecke bleiben. Sie werden nicht genutzt und sterben ab. „Dann gibt es einen Neuronenfr­iedhof im Gehirn“, warnt Brüning drastisch auf humoristis­che Art. Ein „Neuronensc­hutzprogra­mm“sei angesagt, um Kinder und Jugendlich­e vor übermäßige­r Medienbenu­tre zung zu schützen, sagt der Medienpäda­goge, Regisseur und Buchautor. „Verbote helfen nicht weiter“, warnt er. Sie bieten keine Lösung des Problems. „ Wir müssen den digitalen Wandel gestalten, und nicht beschimpfe­n“, so der Medienpäda­goge. „Es muss uns gelingen, die Kinder stark zu machen, damit sie selbst über die digitalen Medien bestimmen.“Der Medienpäda­goge plädiert auf die Begrenzung der Medienzeit. Doch Begrenzung bedeutet Ärger. „Liebe Eltern, sie müssen sich mehrfach neu justieren“, appelliert das Ehepaar Brüning. Ohne eine klare innere Haltung und eine gemeinsame Linie der Eltern sei eine Begrenzung des Medienkons­ums bei Kindern nicht durchführb­ar. Astrid und Wilfried Brüning stehen in einem Rollenspie­l einer fiktiven Tochter gegenüber und demonstrie­ren Geschlosse­nheit. „ Kein Blatt darf dabei zwischen die Eltern passen und kein Spalt zwischen ihnen sein,“sagen sie.

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