Wertinger Zeitung

Sven Ulreich fällt aus seiner Rolle

Als Torhüter Nummer zwei kam er 2015 zum FC Bayern. Heute sehen Experten mehr in ihm. Das Duell gegen Real Madrid ist das Spiel seines Lebens

- Foto: dpa

Wenn Sven Ulreich auf den Fußballpla­tz läuft, streckt er seine Faust zum Himmel. Eine Dankesgest­e für seinen toten Vater. Er hat nicht mehr miterlebt, wie sein Sohn beim VfB Stuttgart aufstieg, und auch nicht, wie er zu „einer Säule des FC Bayern“wurde, wie Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic erst kürzlich sagte.

Im Alter von fünf Jahren fing Ulreich bei den Bambini als Feldspiele­r an. In der F-Jugend zog es ihn zwischen die Pfosten – sein Vater war ebenfalls Torhüter und trainierte seinen Jungen beim TSV Schorndorf in der Nähe von Stuttgart. Schließlic­h wurde der VfB bei einem Sichtungst­ag auf das junge Talent aufmerksam. Ulreich war zehn Jahre alt, als er sich das erste Mal das Trikot mit dem Stuttgarte­r Emblem überstülpt­e. Nach 16 Jahren VfB und 175 Bundesliga­einsätzen wechselte Sven Ulreich dann auf die wohl begehrtest­e Ersatzbank Deutschlan­ds.

Freiwillig die Nummer zwei nach Manuel Neuer zu sein, obwohl ihm ein Stammplatz im Stuttgarte­r Tor sicher war? Mitnichten. Der damalige VfB-Trainer Armin Veh zweifelte öffentlich an seiner Nummer eins, setzte ihn sogar einige Male auf die Bank. Als Veh den Verein 2014 verließ, war Ulreichs Beziehung zum VfB nicht mehr zu kitten. Im Juli 2015 dann die Entscheidu­ng für die Rolle des FCB-Ersatztorh­üters, die sich für ihn als richtig erweisen sollte.

Nach einem 6:0-Sieg gegen den FC Augsburg twitterten die Münchner am 1. April vergangene­n Jahres ein Bild des ausnahmswe­ise spielenden Ersatztorh­üters und dazu einen Kommentar: „Sven Zu-Null-Reich“. Damals ahnte niemand, dass er ein halbes Jahr den Platz des verletzten Manuel Neuer beim FC Bayern einnehmen und eine konstant gute Leistung zeigen würde. Sogar so gut, dass über den 29-Jährigen ganz FußballDeu­tschland diskutiert. Ist der „Ulle“, wie der BayernTorh­üter gerne genannt wird, ein Kandidat für die Weltmeiste­rschaft? Thomas Müller hat sein Urteil bereits gefällt: „Er ist eine exzellente Option.“Bayern-Trainer Jupp Heynckes sprach von „riesigem Potenzial“und für Salihamidz­ic ist Ulreich „ein logischer Kandidat“. Am Ende entscheide­t aber nur einer: Jogi Löw. Und der schweigt beharrlich. Während andere debattiere­n, gibt sich der ehemalige Stuttgarte­r gelassen. Mit seiner ruhigen Art erklärt er, dass die WM zwar für jeden Sportler das Größte sei, sollte er aber nicht nominiert werden, würde ihn das auch nicht „unglücklic­h“machen. Denn: Privat hat er mit Ehefrau Lisa, Tochter Malia und Hündin Nala sein Glück längst gefunden.

Heute steht Ulreich mit den Bayern im Halbfinale der Champions League gegen Real Madrid (20.45 Uhr/ZDF). Nun soll die Nummer zwei das vollbringe­n, was Neuer vor einem Jahr nicht geschafft hat: Ronaldo stoppen. Galina Bauer

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