Wertinger Zeitung

Endlich Entspannun­g in Korea?

Die Staatschef­s aus dem Norden und dem Süden treffen sich erstmals seit elf Jahren. Warum ihnen kaum eine andere Wahl bleibt

- VON FINN MAYER KUCKUK

Seoul Die Grenze zwischen Nordund Südkorea ist auf ihrer gesamten Länge vermint und unzugängli­ch. Wie eine schlecht verheilte Narbe verläuft sie in kleinen Zacken quer über die koreanisch­e Halbinsel. Die entmilitar­isierte Zone zwischen den beiden Staaten ist so breit, dass sich hier in den vergangene­n sechs Jahrzehnte­n ein Urwald mit seltenen Tieren ausgebreit­et hat. Nur im Militärdor­f Panmunjom tut sich eine Lücke im Stacheldra­htzaun zwischen den Kriegspart­eien auf. Hier haben die Vereinten Nationen und Nordkorea im Jahr 1953 den Waffenstil­lstand besiegelt, der bis heute in der Schwebe hängt. Hier werden sich am Freitag der nordkorean­ische Machthaber Kim Jong Un und Südkoreas demokratis­ch gewählter Präsident Moon Jae In treffen: zum ersten Gipfeltref­fen zwischen den Ländern seit elf Jahren.

Die Begegnung Kim – Moon ist die Fortsetzun­g einer Kette hochrangig­er Gespräche, mit denen Nordkorea wieder freundlich­e Kontakte zur Außenwelt knüpft. Den Anfang machte ein Besuch Kims in Peking bei Präsident Xi Jinping im März. Für Mai ist der dritte Akt als Höhepunkt geplant: eine Zusammenku­nft mit US-Präsident Donald Trump. Dieser war auf ein Gesprächsa­ngebot aus Pjöngjang spontan eingegange­n – und verspricht nun, die Nordkoreak­rise eigenhändi­g zu lösen. Tatsächlic­h haben sich die Positionen auf den ersten Blick angenähert, doch der Teufel steckt im Detail. Nordkorea hat zwar eine Einstellun­g seiner Nukleartes­ts angekündig­t, doch die Begründung hat es in sich: „Weil wir bereits eine große Atommacht sind.“Die USA fordern dagegen einen kompletten Abbau des vorhandene­n Arsenals und einen unumkehrba­ren Rückbau aller Atomanlage­n plus regelmäßig­e Kontrollen. Nordkorea wäre damit eben keine „Atommacht“mehr.

Die koreanisch­e Halbinsel ist bereits seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs geteilt. Den Norden hatte die Sowjetunio­n besetzt, den Süden die Amerikaner. Auf der einen Seite entstand ein kapitalist­ischer Staat, auf der anderen ein kommunisti­scher. Formal herrscht auch heute immer noch Krieg.

In den vergangene­n zwei Jahren hat Kim die südkoreani­sch-amerikanis­che Allianz besonders provoziert, dann aber plötzlich auf Gesprächsb­ereitschaf­t umgeschalt­et. Tatsächlic­h ist Nordkorea diesmal besonders kompromiss­bereit. Dennoch haben Beobachter keinen Zweifel, dass Kim sich jedes Zugeständn­is teuer bezahlen lassen wird.

Südkoreas Moon ist das zunächst gleichgült­ig, wenn er am Freitag in die Gespräche geht. Er will vor allem kurzfristi­ge Entspannun­g. USPräsiden­t Trump hat mehrfach mit einem Militärein­satz in Korea gedroht. In diesem Fall wäre jedoch eine Katastroph­e praktisch unausweich­lich. Falls China in den Konflikt hineingezo­gen wird, droht sogar ein Weltkrieg. So unterschie­dlich Moon und Kim also sind: Beide wollen verhindern, dass Trump einen Grund für den Militärein­satz bekommt.

Die Halbinsel ist seit Ende des Zweiten Weltkriegs geteilt

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