Psychiatriegesetz entschärft
Nach wenigen Wochen im Amt macht Ministerpräsident Söder bei einem unwillkommenen Erbstück aus der Amtszeit seines Vorgängers Seehofer einen Rückzieher
München Die CSU-Staatsregierung will den von vielen Experten und Bürgern heftig kritisierten Entwurf für ein neues Psychisch-KrankenHilfegesetz in Bayern in entscheidenden Punkten verändern. Ein Teil der Kritik sei „sachlich berechtigt“gewesen, sagte Bayerns Sozialministerin Kerstin Schreyer, CSU, nach einer Sitzung des Kabinetts: „Wir wollen dazu beitragen, dass die Angst nicht so im Vordergrund steht.“
Deshalb solle, sagt Schreyer, auf die heftig umstrittene Unterbringungsdatei vollständig verzichtet werden. Auch sollen Vermischungen des Psychisch-Kranken-Hilfegesetzes mit dem Maßregelvollzugsgesetz gestrichen werden, um eine klare Trennlinie zwischen Straftätern und psychisch Kranken zu dokumentieren.
Zudem sollen weiterhin „Besuchskommissionen“die Einrichtungen beraten, an der künftig auch Selbsthilfeorganisationen beteiligt werden können. Auf die Umwand- lung dieser Gremien in „Unterbringungsbeiräte“, wie es sie in ähnlicher Form im Strafvollzug gibt, wird verzichtet.
Schreyer hob hervor, dass die öffentlich-rechtliche Unterbringung nur den kleinen Kreis von Menschen mit psychischer Erkrankung betrifft, die aufgrund einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung durch Kreisverwaltungsbehörden oder die Polizei in ein Krankenhaus gebracht werden. Eine solche Unterbringung sei nur auf richterliche Anordnung rechtlich zulässig.
Bei einer zeitgleich im Landtag laufenden Anhörung zeigten sich die geladenen Experten aus Sozialverbänden, Medizin und Justiz erleichtert über die geplanten Änderungen. Die Fachleute waren sich aber auch einig, dass der Gesetzentwurf darüber hinaus weiterer Verbesserungen bedarf, um dem Namen eines „Hil- fegesetzes“für psychisch Kranke wirklich gerecht werden zu können.
So müsse vor allem das mit dem Gesetzestext transportierte Bild „gefährlicher Personen, gegen die schwere Geschütze aufgefahren werden“revidiert werden, forderte etwa Davor Stubican von der Freien Wohlfahrtspflege Bayern. Denn auch mit der geänderten Vorlage würden bei Betroffenen „Ängste vor der Psychiatrie geschürt, die extrem kontraproduktiv sind“. So sei etwa der Begriff einer „Gefährdung des Allgemeinwohls“als Grund für eine zwangsweise Unterbringung so schwammig, dass er den Kreis der potenziell Betroffenen viel zu groß mache, kritisierte Stubican.
„Wir wollen helfen und heilen und nicht unterbringen und wegsperren“, sagte auch der Präsident des Bayerischen Bezirketags, Josef Mederer. Die Fokussierung des Gesetzes auf Sicherheitsfragen bleibe zu einseitig: „Heilung ist doch die beste Gefahrenabwehr.“Auch Prof. Peter Falkai, der Direktor der Psychiatrischen Kliniken der Universität München, forderte weitere „Feinarbeit“an dem Gesetz: So benötige etwa die Frage, wann eine Person auch gegen ihren erklärten Willen in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht werden darf, „deutlich sorgfältigere Formulierungen“. Auf Basis des vorliegenden Textes fragten sich viele Menschen zu Recht, „wo denn die Schwelle ist, auch gegen meinen Willen behandelt zu werden“.
Auf viel Kritik stößt zudem die weiter vorgesehene Meldepflicht der Kliniken bei der Entlassung zwangsuntergebrachter Personen an die Polizei. „Diese Meldepflicht darf keine Ersatz-Erfassungsdatei werden“, forderte Celia WenkWolff vom Bayerischen Bezirketag: Statt einer generellen Regelung müsse hier eine Beschränkung auf besondere Einzelfälle ausreichen. Die Polizei habe vor allem ein Interesse an den entlassen Patienten, die wegen möglicher Fremdgefährdungen eingewiesen worden waren, erklärte der Münchener Polizeidirektor Oliver Etges: „Dieser Austausch ist mangels klarer Befugnisse derzeit leider massiv erschwert.“
Keine Registrierung psychisch Kranker