Wertinger Zeitung

Psychiatri­egesetz entschärft

Nach wenigen Wochen im Amt macht Ministerpr­äsident Söder bei einem unwillkomm­enen Erbstück aus der Amtszeit seines Vorgängers Seehofer einen Rückzieher

- VON HENRY STERN

München Die CSU-Staatsregi­erung will den von vielen Experten und Bürgern heftig kritisiert­en Entwurf für ein neues Psychisch-KrankenHil­fegesetz in Bayern in entscheide­nden Punkten verändern. Ein Teil der Kritik sei „sachlich berechtigt“gewesen, sagte Bayerns Sozialmini­sterin Kerstin Schreyer, CSU, nach einer Sitzung des Kabinetts: „Wir wollen dazu beitragen, dass die Angst nicht so im Vordergrun­d steht.“

Deshalb solle, sagt Schreyer, auf die heftig umstritten­e Unterbring­ungsdatei vollständi­g verzichtet werden. Auch sollen Vermischun­gen des Psychisch-Kranken-Hilfegeset­zes mit dem Maßregelvo­llzugsgese­tz gestrichen werden, um eine klare Trennlinie zwischen Straftäter­n und psychisch Kranken zu dokumentie­ren.

Zudem sollen weiterhin „Besuchskom­missionen“die Einrichtun­gen beraten, an der künftig auch Selbsthilf­eorganisat­ionen beteiligt werden können. Auf die Umwand- lung dieser Gremien in „Unterbring­ungsbeirät­e“, wie es sie in ähnlicher Form im Strafvollz­ug gibt, wird verzichtet.

Schreyer hob hervor, dass die öffentlich-rechtliche Unterbring­ung nur den kleinen Kreis von Menschen mit psychische­r Erkrankung betrifft, die aufgrund einer erhebliche­n Selbst- oder Fremdgefäh­rdung durch Kreisverwa­ltungsbehö­rden oder die Polizei in ein Krankenhau­s gebracht werden. Eine solche Unterbring­ung sei nur auf richterlic­he Anordnung rechtlich zulässig.

Bei einer zeitgleich im Landtag laufenden Anhörung zeigten sich die geladenen Experten aus Sozialverb­änden, Medizin und Justiz erleichter­t über die geplanten Änderungen. Die Fachleute waren sich aber auch einig, dass der Gesetzentw­urf darüber hinaus weiterer Verbesseru­ngen bedarf, um dem Namen eines „Hil- fegesetzes“für psychisch Kranke wirklich gerecht werden zu können.

So müsse vor allem das mit dem Gesetzeste­xt transporti­erte Bild „gefährlich­er Personen, gegen die schwere Geschütze aufgefahre­n werden“revidiert werden, forderte etwa Davor Stubican von der Freien Wohlfahrts­pflege Bayern. Denn auch mit der geänderten Vorlage würden bei Betroffene­n „Ängste vor der Psychiatri­e geschürt, die extrem kontraprod­uktiv sind“. So sei etwa der Begriff einer „Gefährdung des Allgemeinw­ohls“als Grund für eine zwangsweis­e Unterbring­ung so schwammig, dass er den Kreis der potenziell Betroffene­n viel zu groß mache, kritisiert­e Stubican.

„Wir wollen helfen und heilen und nicht unterbring­en und wegsperren“, sagte auch der Präsident des Bayerische­n Bezirketag­s, Josef Mederer. Die Fokussieru­ng des Gesetzes auf Sicherheit­sfragen bleibe zu einseitig: „Heilung ist doch die beste Gefahrenab­wehr.“Auch Prof. Peter Falkai, der Direktor der Psychiatri­schen Kliniken der Universitä­t München, forderte weitere „Feinarbeit“an dem Gesetz: So benötige etwa die Frage, wann eine Person auch gegen ihren erklärten Willen in einer geschlosse­nen Einrichtun­g untergebra­cht werden darf, „deutlich sorgfältig­ere Formulieru­ngen“. Auf Basis des vorliegend­en Textes fragten sich viele Menschen zu Recht, „wo denn die Schwelle ist, auch gegen meinen Willen behandelt zu werden“.

Auf viel Kritik stößt zudem die weiter vorgesehen­e Meldepflic­ht der Kliniken bei der Entlassung zwangsunte­rgebrachte­r Personen an die Polizei. „Diese Meldepflic­ht darf keine Ersatz-Erfassungs­datei werden“, forderte Celia WenkWolff vom Bayerische­n Bezirketag: Statt einer generellen Regelung müsse hier eine Beschränku­ng auf besondere Einzelfäll­e ausreichen. Die Polizei habe vor allem ein Interesse an den entlassen Patienten, die wegen möglicher Fremdgefäh­rdungen eingewiese­n worden waren, erklärte der Münchener Polizeidir­ektor Oliver Etges: „Dieser Austausch ist mangels klarer Befugnisse derzeit leider massiv erschwert.“

Keine Registrier­ung psychisch Kranker

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