Ein gelungenes Experiment
Erst ein Film, dann eine Diskussion mit einem Experten – was bringt’s?
Dillingen Ein neues Format hatte Premiere im Katholischen Akademikerkreis: im Dillinger Filmcenter traf er sich, um unter der Leitung des Theologen und Medienfachmanns Martin Ostermann den preisgekrönten Streifen McDonagh „Am Sonntag bist du tot“zu sehen und anschließend zu diskutieren.
Der Film spielt in einem irischen Dorf, das vom landestypischen, durch den Missbrauchsskandal aber in schweren Misskredit geratenen Katholizismus geprägt ist. Hauptfigur ist der Priester James, dem ein Mann im Beichtstuhl ankündigt, er werde ihn am kommenden Sonntag töten; als Unschuldigen würde er ihn opfern für die Sexual- und Gewaltdelikte, die er durch einen Priester erdulden musste und unter denen er für immer leide. In den bis dahin verbleibenden Tagen – die Karwoche klingt an – kommt es zu aufschlussreichen Begegnungen zwischen Pater James und Personen aus seinem Umfeld. Diese repräsentieren typische Charaktere und Grundhaltungen, und sie leben in verschiedensten Verhältnissen mit- und gegeneinander. In atmosphärisch dichten, teils mit (schwarzem) Humor, teils mit Drastik, immer aber mit Gefühlsechtheit und -tiefe gestalteten Szenen und Dialogen kommt eine große Bandbreite existenzieller Probleme zur Sprache: Zuversicht wie Depression, Glaubenssicherheit wie Sinnleere, geund misslungene Beziehungen, auch Vereinsamung, Gehemmtheit wie Gewaltbereitschaft, vor allem aber die Problematik von Schuld und Vergebung.
Seine glaubwürdig realistisch gezeichneten Figuren und Auftritte stellt der Regisseur nicht in den Dienst plakativer Botschaften, die sich dem Betrachter aufdrängen wollen. Vielmehr unterbreitet er Angebote zur Identifikation oder zum Widerspruch, hält Fragestellungen offen, regt aber auf jeden Fall die Emotionalität und die Lust zur intellektuellen Auseinandersetzung an. Genau das bestätigte dann auch – nach der Vorführung – der gegenseitige Austausch der Zuschauer über ihre Eindrücke und mögliche Deutungen einzelner Szenen und über die Aussage des Films im Ganzen.
Ostermann tat mit dezenter, aber impulsgebender Moderation das Seine, damit das lebhafte Gespräch zu einer konzentrierten und nachhaltigen Beschäftigung mit dem Filmerlebnis werden konnte.
Fazit: Das Experiment „Film und Gespräch“war auf Anhieb gelungen. Weitere Folgen dieses Formats, in dem das Publikum nicht nur Zuhörerschaft bleibt, sondern selbst einen mitgestaltenden Part übernehmen kann, wären wünschenswert.