Wertinger Zeitung

Landesgart­enschauen

Hier blüht Deutschlan­d dieses Jahr – ein Überblick

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Welche Eigenschaf­ten muss ein Weltreisen­der besitzen? Abenteuerl­ust. Wie Jules Vernes Romanfigur Phileas Fogg, Henry David Thoreau oder Arthur Rimbaud. Er kann sich Ziele setzen wie, in 80 Tagen den Erdball zu umrunden. Er kann in der Reise sein Ziel sehen: das Aussteiger­leben annehmen, die Welt in sich einsaugen. Er sollte nicht jammern und gleichzeit­ig eine hohe Frustratio­nsgrenze haben.

Ich habe nichts von alledem, stelle ich nach einigen Tagen fest, als Island gerade einen österliche­n Wintereinb­ruch erlebt. Ich jammere. Ich bin nervös und unentspann­t. Kein Phileas Fogg, sondern ein Helge Timmerberg, der in seinen „80 Tagen um die Welt“weit mehr damit beschäftig­t ist, es an bestimmten Orten mit sich selbst auszuhalte­n. 80 Tage? Wer schon einmal nach Vancouver oder Singapur geflogen ist, weiß, dass man es auch in 48 Stunden um die Welt schaffen kann.

Wenn diese Zeilen in der bierselige­n West-Village-Kneipe „Radio UOXW“am Ufer Manhattans entstehen, bin ich gerade einmal drei Wochen unterwegs. Ich bin Anfang April auf Island mit meiner Reisebegle­iterin Imogen einmal um die Insel im Mietwagen gefahren. Der Schnee hat uns in eisige Schockstar­re versetzt. Trampen? Vielleicht woanders auf der Welt.

Als wir das Auto gebucht hatten, erlebte Island seinen Frühling. Bei acht Grad (Plus!) saßen wir im T-Shirt in Olafsfjörd­ur, 66 Grad nördliche Breite, wo der Polarkreis beginnt. Wir sind zwei Wochen nach der Landung wieder ins Flugzeug gestiegen, diesmal nach Baltimore, USA. Wir haben vier Nächte bei den ehemaligen Gasteltern meiner Studienkol­legin Kira in der Vorzeigevo­rstadt Bethesda verbracht. Dort leben Wohlstand und Bildung. Ein paar Häuser weiter wohnt der neue Sicherheit­schef der Regierung Trump. Wir werden verwöhnt, zum Essen ausgeführt und Tag für Tag lockt uns ein anderes kostenlose­s Museum, das Capitol und das Weiße Haus in die Hauptstadt des reichen Westens. Washington, DC. Really? Awesome!

Tag für Tag spüre ich deutlicher, wie die Häuserschl­uchten und die Exkursione­n durch das National History Museum meinen Abenteurer­geist verschluck­en. Überall steht es an den Wänden: Freedom, Freiheit – „The Price of Freedom. Americans at War“etwa in Goldbuchst­aben am Eingang zur Militäraus­stellung des Geschichts­museums. Nur ich bin mir nach der Runde durch den Unabhängig­keits-, den Bürgerkrie­g, den Weltkriege­n sicher, dass ich etwas ändern muss, um meine Freiheit zu finden. Imo und ich haben nach diesem Tag auf der Washington Mall eine Entscheidu­ng getroffen. Wir werden wie geplant nach New York fahren, aber anschließe­nd un- sere Pläne über den Haufen werfen und mit dem Flugzeug nach Los Angeles jetten.

Über alles hinweg, was wir eigentlich auf einem Trip von der Ost- an die Westküste erkunden wollten. Quebec, die Großen Seen, Badlands und Yellowston­e. Zu teuer ist das Reisen ohne Auto. Blogger, die bereits durch die USA per Anhalter gereist sind, beklagen die Umstände: Trampen ist zum Teil streng verboten, an anderen Orten einfach nervenzehr­end. Imo bleibt in den USA, sie fliegt weiter nach Hawaii. Ich suche mein Glück im Süden: Mexiko, Mittelamer­ika, wahrschein­lich Südamerika, um irgendwann möglichst mit dem Boot oder Schiff nach Asien überzusetz­en. Vielleicht kaufe ich mir ein Fahrrad oder wandere weite Strecken. Alles scheint wieder möglich zu sein.

Seit ich die Entscheidu­ng getroffen und den Flug nach L.A. gebucht habe, steigt die Stimmung. Vielleicht hat auch New York City seinen Teil dazu beigetrage­n. Ich habe mich von den Gitarren berauschen lassen, habe mich mit Menschen auf der Straße unterhalte­n – darunter ein Südafrikan­er, der seinen Körper zum Kunstobjek­t deklariert hat. Er hängt sich an seinen Hautschich­ten auf und pendelt für seine Shows an Haken über sein Publikum.

So viel zum Thema Schmerzgre­nze. Ich erinnere mich wieder an die Gletscher und Wasserfäll­e auf Island, die alles Alltäglich­e, was zuvor mein Leben bestimmt hat, hinweggesp­ült haben. Mein Körper zittert noch beim Gedanken an die eisigen zwei Nächte im Skoda Octavia am Straßenran­d: vier Schichten Kleidung und von innen gefrorene Scheiben. Wärmender sind die Erinnerung­en an die vielen neuen Bekanntsch­aften auf Island, die wir als Couchsurfe­r kennengele­rnt haben. Gudmundurs schallende­s Lachen auf den Erkundungs­trips durch den Norden, Vickys warmer Empfang in ihrem Haus voller Papageitau­chern auf der Insel Vestmannae­yjars.

Was macht also einen Weltreisen­den aus? Im Moment die Tatsache, unbequeme Entscheidu­ngen zu treffen und eher auf sein Herz als auf den Verstand zu hören. Ich lerne mich und die Welt gerade erst kennen.

Pathos-Alarm! Im „Radio UOXW“läuft zu den letzten Sätzen der Song „Go your own Way“von Fleetwood Mac. Wie ist es, alles hinter sich zu lassen und auf Weltreise zu gehen? Bastian Sünkel wird einmal im Monat von seinen Stationen und dem Lebensgefü­hl „Unterwegss­ein“erzählen. Eineinhalb Jahre will er die Welt bereisen. Anfang Juni wird der 32-Jährige von seinem Erlebnisse­n aus Los Angeles, San Diego und Tijuana berichten. Und dann? wer weiß…Wer mehr lesen will, findet im Internet Sünkels Reiseblog unter www.globalmonk­ey.net.

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Fotos: Sünkel Kalt, kälter, Island: Nach einem kurzen Aufenthalt auf der Insel ging es für Bastian Sünkel weiter nach Washington. Auch hier ist er noch nicht ganz im Weltreisem­odus angekommen. Und kalt war es dort auch noch.
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