Ein Blick zurück auf die Gemeindegebietsreform
Wertingens Altbürgermeister Dietrich Riesebeck erinnert sich an die Gebietsreform vor 46 Jahren und den Beginn der Verwaltungsgemeinschaft Wertingen vor 40 Jahren
Vor 40 Jahren entstand im Rahmen der Gemeindegebietsreform auch die Verwaltungsgemeinschaft Wertingen.
Wertingen Als Dietrich Riesebeck 1962 mit dem Bus nach Wertingen kam und am Laugnaplatz ausstieg, war sein erstes Bild von der Stadt der Schweinemarkt, der dort wöchentlich abgehalten wurde. Für ihn, der einst als Leiter der Bauverwaltung an die Zusam versetzt wurde, ist dieser Ort im Stadtgebiet immer noch ein trostloser Parkplatz, den er als Bürgermeister (1972 bis 2002) noch gerne als Zentrum gestaltet hätte.
Am 1. Mai 1972 hatte seine 30-jährige Amtszeit begonnen. Zwei Monate später kamen zum 1. Juli die Gemeinden Hirschbach mit Possenried, Hohenreichen, Prettelshofen und Rieblingen im Zuge der Gebietsreform hinzu. Die zeitgleiche Auflösung des Landkreises Wertingen prägten die Anfangsjahre des gebürtigen Prenzlauers (Uckermark) im Amt. Und auch die Gründung der Verwaltungsgemeinschaft Wertingen vor 40 Jahren, als Schlussakt der Veränderungen sind ihm, der am vergangenen Samstag seinen 79. Geburtstag in seinem Wohnort Bad Wörishofen feierte, lebhaft präsent. Im Interview mit der Wertinger Zeitung blickt er zurück.
Herr Riesebeck, erst zum 1. Mai 1978, kamen als letzte Gemeinden im Zuge der Gebietsreform Gottmannshofen und Roggden zu Wertingen. Zum selben Zeitpunkt wurde die Verwaltungsgemeinschaft (VG) Wertingen gegründet. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung Jahrzehnte später? Dietrich Riesebeck: Insgesamt war zunächst einmal die Landkreisreform, die den Altlandkreis Wertingen auflöste, für den Raum sehr schwierig. Wertingen verlor seinen Kreissitz, eine Vielzahl an Behörden wie Amtsgericht und Finanzamt, Schulen und so weiter und damit 350 Arbeitsplätze. Wir alle, die Wertinger Parteien und Politiker sowie der damalige Landrat Anton Rauch († 2006), waren sehr reserviert und starke Gegner der Ereignisse. Es war in den Anfangsjahren nicht einfach, sich mit Dillingen zusammenzuraufen. Man kann aber wohl sagen: Es ist gelungen, heute ist alles in Butter! Nicht zuletzt, da wir in Zusammenarbeit mit Landrat Anton Dietrich († 2004) im Laufe der Jahre einiges wie die Zulassungsstelle oder das Landwirtschaftsamt samt Schule mit den dazu gehörigen Arbeitsplätzen zurückholen konnten. Grundsätzlich war die Gebietsreform bezo- gen auf die Eingemeindungen kleinerer Orte wie etwa bei uns Hettlingen, das damals 78 Einwohner zählte, notwendig. Was die Gründung der Verwaltungsgemeinschaft anbelangt, waren wir auch hier zunächst strikt dagegen, wollten sogar gegen den Freistaat klagen.
Warum diese intensive Gegenwehr? Riesebeck: Nun, Wertingen hatte schon Angst, denn die vier Gemeinden – Binswangen, Laugna, Villenbach, Zusamaltheim – besaßen zwei Stimmen mehr als Wertingen, nämlich zwölf. Obwohl sie erheblich weniger Einwohner hatten. In der Gemeinschaftsversammlung, dem Entscheidungsgremium der VG, hätten diese daher nicht zwangsläufig den hauptamtlichen Wertinger Bürgermeister als Vorsitzenden wählen müssen. Da aber in der VG auch alle Verwaltungsangelegenheiten der Stadt behandelt wurden, wäre deren Bürgermeister nahezu arbeitslos gewesen. Man kann nachlesen, dass Wertingen mit den vier Gemeinden jedoch eine Vereinbarung getroffen hat, dass diese ausschließlich den Wertinger Bürgermeister als Vorsitzenden wählen.
War damit die Sorge vom Tisch? Die Klage unnötig? Riesebeck: Es gab ein Treffen mit dem damaligen Innenminister Bruno Merk († 2013). Roggden sollte ja bei der Gebietsreform, die 1972 begann, ursprünglich zu Zusamaltheim kommen. Doch hier war auch die Firma Berchtold, ein absolutes Urgestein der Stadt, angesiedelt. Natürlich wollten wir Roggden! Merk meinte damals, die Sache sei ganz einfach: Wir verzichten auf die Klage gegen die Gründung der VG und Roggden fällt an uns. Es war damals also nicht alles nur sachbezogen, sondern auch politisch motiviert.
„Wir alle, die Wertinger Parteien und Politiker sowie der damalige Landrat Anton Rauch waren starke Gegner der Ereignisse.“Dietrich Riesebeck, Altbürgermeister von Wertingen
Und Gottmannshofen kam 1978 schließlich auch noch hinzu. Ist nun am 1. Mai seit vierzig Jahren Stadtteil Wertingens. Riesebeck: Gottmannshofen und dessen damaliger Bürgermeister Hermann Willer († 2011) waren eigentlich absolute Gegner der Eingemeindung durch Wertingen. Man dachte durch die Ansiedlung einiger Firmen in Geratshofen, dass man alles selbst stemmen könne.
Wie ist letztendlich die Gemeindegebietsreform im Zusamtal gelöst? Ist es beispielsweise glücklich, dass Thürheim zu Buttenwiesen gehört und nicht zu Wertingen? Ist der Hirschbacher ein Wertinger? Riesebeck: Dass Thürheim zu Buttenwiesen fiel, war überhaupt keine Frage. (Anmerkung der Redaktion: Die Gemeinde entstand am 1. Januar 1976 durch den Zusammenschluss der bis dahin selbstständigen Gemeinden Oberthürheim und Unter- thürheim, wurde zum 1. Mai 1978 aufgelöst und in Buttenwiesen eingegliedert.) Wertingen hätte natürlich davon geträumt, dass weitere wie etwa Binswangen eingemeindet worden wären. Bezüglich Hirschbach verhält es sich so, dass die Gemeinde beziehungsweise der damalige Bürgermeister Friedl freiwillig als eine der ersten froh über die Gebietsreform waren, was allerdings die Bürger dachten, das wurde zu dieser Zeit nicht abgefragt! Deren Einstellung war also nicht bekannt.
Sie sprachen von Binswangen, das Wertingen gerne als Stadtteil gehabt hätte, über die VG kam der Ort aber doch irgendwie hinzu. Hätte man die Verwaltungsgemeinschaft Wertingen nicht auch größer fassen sollen? Riesebeck: Da gab es keine Diskussion, die Gemeinde war und ist wirtschaftlich stark, hat genügend eigene Einwohner, das stand nie zur Debatte. Marion Buk-Kluger
Besuch: Altbürgermeister Dietrich Riesebeck wird am 18. Mai zum Fest akt mit geladenen Gästen anlässlich des 40 jährigen Jubiläums der Gründung der Verwaltungsgemeinschaft Wertingen in die Zusamstadt kommen, der er im mer noch verbunden ist. »Seite 27