Pfarrer betrogen: Mann muss ins Gefängnis
Priester aus dem Landkreis verlieh aus Mitleid eine fünfstellige Summe. Vor Gericht erkennt er den Täter wieder
Landkreis Augsburg Barmherzigkeit gilt in vielen Religionen als eine der wichtigsten Tugenden. Der heute 83-Jährige hat sie vorgelebt. Als katholischer Pfarrer fühlt er sich besonders verpflichtet. In seiner aktiven Zeit unter dem Kreuz kamen Bittsteller, die einen Zuschuss für eine überfällige Rechnung benötigten. Oder Hungrige, die um Geld baten, um sich Essen zu kaufen.
Heute lebt der Priester zurückgezogen in einem Altenheim im Landkreis. Was ihn aber nicht davor bewahrt hat, auf einen Betrüger hereinzufallen, dem er mehr als 15 000 Euro anvertraute. Ein noch größerer Coup scheiterte im letzten Moment an einer aufmerksamen Bankmitarbeiterin. Der Pfarrer war im Begriff gewesen, dem Gauner weitere 36 000 Euro auszuhändigen.
Am Montag hat Amtsrichter Alexander Müller den 44-Jährigen ins Gefängnis geschickt. Für ein Jahr und neun Monate. Angesichts seiner 14 Vorstrafen war für den Angeklagten eine Bewährungsstrafe verständlicherweise nicht mehr drin. Womit das Gericht Staatsanwältin Marlies Dorn folgte.
Der Angeklagte hat im Prozess bestritten, der Gesuchte zu sein. Sein Mandant könne beweisen, so Verteidiger Franz Witti, am 18. Juli vor zwei Jahren, der Tag der geplanten Geldübergabe, nicht in München, sondern in Berlin gewesen zu sein. Der benannte, vom Gericht geladene Entlastungszeuge sagte am letzten Prozesstag aus. Der 46-Jährige, als Anwalt in Berlin tätig, legte dem Gericht den Eintrag aus seinem elektronischen Terminkalender vor. Darin ist unter dem 18. Juli für 11 Uhr als Termin ein Gespräch mit dem Angeklagten eingetragen. Doch der Zeuge wirkt zunehmend verunsichert, als Amtsrichter Müller bohrende Nachfragen stellt. Am Ende bleibt unklar, ob das Treffen tatsächlich an dem oder einem anderen Tag stattgefunden hat. Laut Anklage hatte der Tä- den Priester erstmals 2014 zu Weihnachten im Heim besucht. Dieser erinnert sich im Prozess, was sein Besucher damals erzählt hat. Er sei als Soldat in Afghanistan gewesen, habe die Hände voller Blut, sei jetzt kaputt, weswegen er die Bundeswehr verlassen habe. Jetzt, so das bittere Fazit seines Besuchers, stehe er ohne Job, ohne Geld da.
Geliehenes Startkapital für ein neues Leben
Der Geistliche leiht ihm als Startkapital für ein neues Leben Geld: mehr als 5000 Euro. Noch weitere dreimal besucht ihn der Betrüger, tischt ihm neue Märchen auf, weshalb er gerade finanziell in der Klemme stecke. So kann er sich Geld für den Kauf eines Autos leihen, weil er behauptet, einen neuen Job als Kurierfahrer für Apotheken zu haben. Ein anderes Mal erfindet er einen Prozess, nicht einen x-beliebigen, sondern gleich vor dem Bundesgerichtshof, stellt in Aussicht alles zurückzahlen zu können, sobald dieser gewonnen sei. Die Lunte für einen neuen Betrug ist gelegt. Eineinhalb Jahre später meldet sich im Juli 2016 der Mann erneut. Er behauptet, den Prozess, in dem es um viel Geld gehen soll, gewonnen zu haben. Der Geistliche lässt sich überreden, fährt mit dem Täter nach München, glaubt, seine 15 000 Euro zurückzubekommen. Das angekündigte Treffen mit einem Rechtsanwalt findet jedoch nicht in einer Kanzlei, sondern einem Straßencafé statt. Um die Ecke ist, gut gewählt, eine Filiale der Hausbank des Seelsorgers. Denn dieser soll erneut einspringen, als sein Begleiter die vom „Anwalt“präsentierte Honorarrechnung nicht bezahlen kann: sage und schreibe über 36000 Euro. „Man hat mich wieder eingeseift“, gesteht der Priester im Prozess ein. Doch als der 83-Jährige bei seiner Hausbank in Augsburg nachfragt, wieviel Geld er noch habe und ob er die verlangten 36000 Euro in München abheben könne, wird eine Bankmitarbeiterin misstrauisch und dreht den Geldter hahn zu. Als der 83-Jährige in der Filiale auftaucht, sind die Kollegen dort schon vorgewarnt. Seine beiden Begleiter hatten es vorgezogen, ihn allein hineingehen zu lassen.
Der Priester hat den 44-Jährigen anhand von Fotos mit Tatverdächtigen, die ihm die Polizei vorlegte, als Täter identifiziert. Wie auch vor Gericht, als sie sich beide wiedersahen. „Passt schon, oder?“meinte der Priester zum Angeklagten gewandt, als er ganz dicht vor ihm stand. Mit seinen 83 Jahren sieht er nicht mehr gut. Mit dem Verlust des Geldes habe er sich abgefunden, wie er sagt. Er will nur nicht, dass noch andere Menschen auf den Angeklagten hereinfallen.
Als das Urteil fiel, war er nicht im Gerichtssaal. Und so hörte er nicht, was Richter Müller sagte, noch nie habe er „einen so glaubwürdigen Zeugen gehört“. Weniger schmeichelhaft äußerte sich das Gericht über den Berliner Anwalt. Als Zeuge habe dieser einen „mehr als peinlichen Eindruck“hinterlassen.