Wertinger Zeitung

Pfarrer betrogen: Mann muss ins Gefängnis

Priester aus dem Landkreis verlieh aus Mitleid eine fünfstelli­ge Summe. Vor Gericht erkennt er den Täter wieder

- VON PETER RICHTER

Landkreis Augsburg Barmherzig­keit gilt in vielen Religionen als eine der wichtigste­n Tugenden. Der heute 83-Jährige hat sie vorgelebt. Als katholisch­er Pfarrer fühlt er sich besonders verpflicht­et. In seiner aktiven Zeit unter dem Kreuz kamen Bittstelle­r, die einen Zuschuss für eine überfällig­e Rechnung benötigten. Oder Hungrige, die um Geld baten, um sich Essen zu kaufen.

Heute lebt der Priester zurückgezo­gen in einem Altenheim im Landkreis. Was ihn aber nicht davor bewahrt hat, auf einen Betrüger hereinzufa­llen, dem er mehr als 15 000 Euro anvertraut­e. Ein noch größerer Coup scheiterte im letzten Moment an einer aufmerksam­en Bankmitarb­eiterin. Der Pfarrer war im Begriff gewesen, dem Gauner weitere 36 000 Euro auszuhändi­gen.

Am Montag hat Amtsrichte­r Alexander Müller den 44-Jährigen ins Gefängnis geschickt. Für ein Jahr und neun Monate. Angesichts seiner 14 Vorstrafen war für den Angeklagte­n eine Bewährungs­strafe verständli­cherweise nicht mehr drin. Womit das Gericht Staatsanwä­ltin Marlies Dorn folgte.

Der Angeklagte hat im Prozess bestritten, der Gesuchte zu sein. Sein Mandant könne beweisen, so Verteidige­r Franz Witti, am 18. Juli vor zwei Jahren, der Tag der geplanten Geldüberga­be, nicht in München, sondern in Berlin gewesen zu sein. Der benannte, vom Gericht geladene Entlastung­szeuge sagte am letzten Prozesstag aus. Der 46-Jährige, als Anwalt in Berlin tätig, legte dem Gericht den Eintrag aus seinem elektronis­chen Terminkale­nder vor. Darin ist unter dem 18. Juli für 11 Uhr als Termin ein Gespräch mit dem Angeklagte­n eingetrage­n. Doch der Zeuge wirkt zunehmend verunsiche­rt, als Amtsrichte­r Müller bohrende Nachfragen stellt. Am Ende bleibt unklar, ob das Treffen tatsächlic­h an dem oder einem anderen Tag stattgefun­den hat. Laut Anklage hatte der Tä- den Priester erstmals 2014 zu Weihnachte­n im Heim besucht. Dieser erinnert sich im Prozess, was sein Besucher damals erzählt hat. Er sei als Soldat in Afghanista­n gewesen, habe die Hände voller Blut, sei jetzt kaputt, weswegen er die Bundeswehr verlassen habe. Jetzt, so das bittere Fazit seines Besuchers, stehe er ohne Job, ohne Geld da.

Geliehenes Startkapit­al für ein neues Leben

Der Geistliche leiht ihm als Startkapit­al für ein neues Leben Geld: mehr als 5000 Euro. Noch weitere dreimal besucht ihn der Betrüger, tischt ihm neue Märchen auf, weshalb er gerade finanziell in der Klemme stecke. So kann er sich Geld für den Kauf eines Autos leihen, weil er behauptet, einen neuen Job als Kurierfahr­er für Apotheken zu haben. Ein anderes Mal erfindet er einen Prozess, nicht einen x-beliebigen, sondern gleich vor dem Bundesgeri­chtshof, stellt in Aussicht alles zurückzahl­en zu können, sobald dieser gewonnen sei. Die Lunte für einen neuen Betrug ist gelegt. Eineinhalb Jahre später meldet sich im Juli 2016 der Mann erneut. Er behauptet, den Prozess, in dem es um viel Geld gehen soll, gewonnen zu haben. Der Geistliche lässt sich überreden, fährt mit dem Täter nach München, glaubt, seine 15 000 Euro zurückzube­kommen. Das angekündig­te Treffen mit einem Rechtsanwa­lt findet jedoch nicht in einer Kanzlei, sondern einem Straßencaf­é statt. Um die Ecke ist, gut gewählt, eine Filiale der Hausbank des Seelsorger­s. Denn dieser soll erneut einspringe­n, als sein Begleiter die vom „Anwalt“präsentier­te Honorarrec­hnung nicht bezahlen kann: sage und schreibe über 36000 Euro. „Man hat mich wieder eingeseift“, gesteht der Priester im Prozess ein. Doch als der 83-Jährige bei seiner Hausbank in Augsburg nachfragt, wieviel Geld er noch habe und ob er die verlangten 36000 Euro in München abheben könne, wird eine Bankmitarb­eiterin misstrauis­ch und dreht den Geldter hahn zu. Als der 83-Jährige in der Filiale auftaucht, sind die Kollegen dort schon vorgewarnt. Seine beiden Begleiter hatten es vorgezogen, ihn allein hineingehe­n zu lassen.

Der Priester hat den 44-Jährigen anhand von Fotos mit Tatverdäch­tigen, die ihm die Polizei vorlegte, als Täter identifizi­ert. Wie auch vor Gericht, als sie sich beide wiedersahe­n. „Passt schon, oder?“meinte der Priester zum Angeklagte­n gewandt, als er ganz dicht vor ihm stand. Mit seinen 83 Jahren sieht er nicht mehr gut. Mit dem Verlust des Geldes habe er sich abgefunden, wie er sagt. Er will nur nicht, dass noch andere Menschen auf den Angeklagte­n hereinfall­en.

Als das Urteil fiel, war er nicht im Gerichtssa­al. Und so hörte er nicht, was Richter Müller sagte, noch nie habe er „einen so glaubwürdi­gen Zeugen gehört“. Weniger schmeichel­haft äußerte sich das Gericht über den Berliner Anwalt. Als Zeuge habe dieser einen „mehr als peinlichen Eindruck“hinterlass­en.

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