Wertinger Zeitung

Erst mal aus Prinzip dagegen

- VON DETLEF DREWES dr@augsburger allgemeine.de

Die Kritiker haben recht: Der Haushaltse­ntwurf der Europäisch­en Kommission fällt zu opulent, zu wenig sparsam, zu wenig zukunftsor­ientiert aus. Und vermutlich werden den Gegnern in den kommenden Wochen noch mehr Vorwürfe einfallen. Doch diese Einwände sind unehrlich.

Gerade die Staats- und Regierungs­chefs schreiben der Union immer wieder gerne neue Aufgaben auf die Agenda, nur wenn es ums Bezahlen geht, zucken sie zurück. Die Streichung­en bei den Bauern stehen sowieso auf wackeligen Füßen – nicht, weil sie unvernünft­ig wären, sondern weil die Staats- und Regierungs­chefs mit großer Landwirtsc­haft wie Frankreich ihren Landwirten nicht mit Kürzungen nach Hause kommen dürfen.

Kein Etat-Entwurf kann solchen sich widersprec­henden Herausford­erungen genügen. Vor diesem Hintergrun­d scheint der Plan von Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger allerdings gelungen. Gerade weil er trotz des Brexit auf Investitio­nen setzt und neue Geldquelle­n erschließe­n will. Denn von den Mehrausgab­en profitiere­n die EUMitglied­er selbst. In Ungarn oder der Slowakei wäre der Staatshaus­halt im heutigen Umfang ohne EUSubventi­onen nicht denkbar. Gerade diese Staaten sind es, die auf der Gemeinscha­ft herumhacke­n, während sie zugleich in Brüssel die Hand aufhalten. Die nun vorgeschla­gene Wohlverhal­tensklause­l macht deshalb Eindruck, vor allem als Instrument der Drohung. Denn sehr viel mehr wird daraus nicht werden. Die Bereitscha­ft der Minister im Rat, sich gegen einen aus den eigenen Reihen zu stellen und ihm Finanzmitt­el zu versagen, ist gering. Trotzdem zeigen die ersten Reaktionen aus den betroffene­n Ländern, dass man den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden hat.

Der Haushaltse­ntwurf bietet Chancen für eine zukunftsfä­hige europäisch­e Politik. Dass das Papier fast schon pflichtgem­äß erst zerrissen wird, um es dann wieder zusammenzu­setzen, gehört zur politische­n Strategie der Regierunge­n. Mehr nicht.

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