Wertinger Zeitung

Von einer großen Steuerrefo­rm ist nicht die Rede

Finanzmini­ster Scholz legt seinen ersten Haushalt vor. Die Grundzüge stammen noch von seinem Vorgänger

- VON MARTIN FERBER

Berlin Neu ist nur der Finanzmini­ster, die Regierungs­koalition dagegen ist die alte. Angela Merkel steht unveränder­t an der Spitze einer Koalition aus CDU, CSU und SPD, auch wenn sich die Zusammense­tzung des Kabinetts deutlich verändert hat. In den Grundzügen aber setzt die neue Regierung die Arbeit der alten fort, definiert allenfalls einige Schwerpunk­te anders.

Insofern ist es keine Überraschu­ng, dass sich der erste Etat des neuen SPD-Finanzmini­sters Olaf Scholz kaum von dem Zahlenwerk unterschei­det, das sein CDU-Vorgänger Wolfgang Schäuble im Vorjahr vorgelegt hat, das aber wegen der Wahl nicht mehr verabschie­det werden konnte. In den sechs Wochen seit seiner Vereidigun­g konnte Scholz kaum größere Umschichtu­ngen vornehmen, seine Handschrif­t wird erst in seinem ersten wirklich eigenen Etatentwur­f für 2019 zum Vorschein kommen, den er im Sommer einbringen wird.

Zudem hat der nüchterne Hanseat bereits mehrfach unmissvers­tändlich zum Ausdruck gebracht, dass es mit ihm keine Revolution in der deutschen Haushalts- und Finanzpoli­tik geben wird. An der schwarzen Null will der Sozialdemo­krat genauso eisern festhalten wie sein christdemo­kratischer Vorgänger, einer expansiven Ausgabenpo­litik erteilt er eine Absage. Insofern steht Scholz für mehr Kontinuitä­t, als die Sozialdemo­kraten hofften, die in der letzten Nacht der Koalitions­verhandlun­gen das Finanzress­ort ultimativ für sich beanspruch­ten.

Für die Bürger bedeutet das, dass sie sich in den nächsten Jahren kaum Hoffnung auf mehr Netto vom Brutto machen können. Trotz weiterhin üppig sprudelnde­r Steuerquel­len, die Jahr für Jahr zu neuen Rekordeinn­ahmen führen, denkt die Regierung nicht an eine größere Steuerrefo­rm. Selbst der in den Wahlprogra­mmen noch großzügig versproche­ne Soli-Abbau wird in dieser Legislatur­periode nur halbherzig erfolgen. Bis 2021 sieht die mittelfris­tige Finanzplan­ung einen Einnahmerü­ckgang von lediglich neun Milliarden vor – das wäre ein Abbau um die Hälfte.

Eine bescheiden­e Entlastung, die in Wahrheit gar keine ist. Denn trotz des Verspreche­ns, dass es keine Steuererhö­hungen gibt, führen die Bürger immer mehr an den Fiskus ab, steigende Löhne und Preise sorgen dafür, dass der Staat aus dem Vollen schöpfen kann.

Und das tut er zur Genüge. Umstritten ist, ob er dabei die richtigen Schwerpunk­te setzt. Zwar steigen die Gesamtausg­aben des Bundes in dieser Legislatur­periode auf den Rekordwert von 1,421 Billionen Euro, das sind 190 Milliarden mehr, als Union und SPD in den vergangene­n vier Jahren ausgegeben haben, doch gleichzeit­ig will der Bund seine Investitio­nen zurückfahr­en. Sie sinken von 37,9 Milliarden Euro im kommenden Jahr auf 33,5 Milliarden Euro im Jahr 2022, das wäre weniger als im letzten Jahr. Dagegen steigen die Ausgaben für die Alterssich­erung, für Transferle­istungen an die Länder und Kommunen, für neue Subvention­en sowie für konsumtive Zwecke. Allein die Bundeszusc­hüsse zur Rentenkass­e werden um 16 Prozent auf mehr als 109 Milliarden Euro anwachsen, 2021 machen die Sozialleis­tungen bereits 52 Prozent des Gesamtetat­s aus.

Für Zoff in der Regierung sorgte die Planung des Finanzmini­sters für

Für Zoff sorgt die langfristi­ge Finanzplan­ung

die Bereiche Verteidigu­ng und Entwicklun­gspolitik. Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) und Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) stimmten dem Haushaltse­ntwurf nur unter Vorbehalt zu, da sie in den kommenden Jahren deutlich mehr Geld für ihre Ressorts verlangen als von Scholz vorgesehen. Scholz reagierte kühl auf die Forderunge­n seiner Kabinettsk­ollegen. Die Ausgaben für Verteidigu­ng sowie Entwicklun­g seien in den letzten Jahren „massiv“gestiegen. (mit afp)

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Hatte sich mit Statistike­n für seine erste Haushaltsp­ressekonfe­renz gewappnet: Bun desfinanzm­inister Olaf Scholz am Mittwoch in Berlin.

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