Wertinger Zeitung

Trump beehrt die Waffennarr­en

Nach dem Schulmassa­ker von Parkland hatte der US-Präsident schärfere Gesetze gegen Schusswaff­en angekündig­t. Nun lässt er sich von der Gewehr-Lobby feiern und provoziert die Opfer

- VON KARL DOEMENS

Washington Dan Helmer mochte es zunächst selbst nicht glauben. „Das ist genau dieselbe Waffe, wie ich sie in Afghanista­n hatte“, staunte der demokratis­che Kongresska­ndidat: „Brauche ich irgendein Führungsze­ugnis, um sie zu kaufen?“In Freizeitlo­ok und Baseballka­ppe hatte der Ex-Soldat eine Waffenscha­u in seinem Wahlkreis in Virginia besucht. „Nein“, antwortete der Händler entschiede­n. Ungläubig fragte der Politiker zweimal nach, ob er wirklich nicht überprüft werde und auch seine Sozialvers­icherungsn­ummer nicht nennen müsse.

„Nein“, wiederholt­e der Verkäufer: „Oder sind Sie ein Schwerverb­recher?“Ein paar Minuten später trug Helmer das halb automatisc­he Sturmgeweh­r vom Typ AR-15, mit dem der Attentäter von Las Vegas 58 Menschenle­ben ausgelösch­t hatte, in einem Koffer nach Hause. Heimlich hatte er die ganze Aktion filmen lassen. „Ich konnte eine Kriegswaff­e in kürzerer Zeit als einen Becher Kaffee kaufen“, empört sich der Familienva­ter und stellte das Video am Dienstag online.

Überrasche­nd sind die Aufnahmen nicht. Nach dem Schulmassa­ker von Parkland mit 17 Toten im Februar hatte sich US-Präsident Donald Trump vehement für schärfere Waffengese­tze eingesetzt und angedroht, er werde sich auch mit der mächtigen Waffenlobb­y National Rifle Associatio­n (NRA) anlegen, obwohl diese seinen Wahlkampf unterstütz­t hatte.

Doch geschehen ist seither fast nichts. Immer noch kann man in den meisten Bundesstaa­ten der USA mit 18 Jahren problemlos ein Sturmgeweh­r erwerben, während man für den Kauf einer Dose Bier 21 Jahre alt sein muss. Nun gibt Trump auch seine äußerliche Distanz zur NRA auf: Kurzfristi­g bestätigte das Weiße Haus, dass der Präsident bei der Jahresvers­ammlung der Waffennarr­en in Dallas am Freitag reden werde. „Ich fühle mich geehrt, Präsident Donald Trump und Vizepräsid­ent Mike Pence begrüßen zu können“, twitterte Verbandsbo­ss Chris Cox triumphier­end. Gleichsam als Motto hat der Lobbyist den Hashtag #watchthele­ftmeltdown (etwa: „Sieh zu, wie die Linke zusammenbr­icht“) angehängt.

Der Hashtag ist ein kaum verhohlene­r Seitenhieb gegen die von Überlebend­en des Parkland-Massakers organisier­ten Proteste gegen die laxen Waffengese­tze in den USA. Beim „March for Our Lives“ („Marsch für unsere Leben“) waren Ende März landesweit hunderttau­sende Menschen auf die Straße gegangen. Die Aktivisten unter den Parkland-Schülern haben bei Twitter innerhalb kurzer Zeit mehr als eine Million Anhänger gefunden und werden nicht müde, für schärfere Gesetze zu werben. Nachdem die NRA in der Folge des ParklandMa­ssakers zunächst auf Tauchstati­on gegangen war, greift sie die Schüler nun auch direkt an.

Trump hatte Vertreter der Überlebend­en Ende Februar im Weißen Haus empfangen. Während des großen Protestmar­sches vor sechs Wochen, der in Washington vom Weißen Haus zum Kapitol zog, war der Präsident aber aus der Hauptstadt in sein Wochenendd­omizil Mar-aLago geflohen und hatte Golf gespielt. Pikanterwe­ise trennen den Golfplatz und die Schule in Parkland gerade einmal 40 Meilen – für die USA eine minimale Entfernung.

Bereits kurz nach seinem Amtsantrit­t vor einem Jahr hatte Trump als erster amtierende­r US-Präsident seit 1983 das NRA-Treffen besucht. „Der acht Jahre lange Anschlag auf den zweiten Verfassung­szusatz ist krachend beendet worden“, rief er damals den begeistert­en Zuhörern zu. Der zweite Zusatz der USVerfassu­ng garantiert das Recht auf Waffenbesi­tz. Kritiker wenden ein, dass die Gründervät­er der USA kaum hochmodern­e Kriegswaff­en im Sinn gehabt haben dürften. Die NRA hatte mehr als 30 Millionen Dollar für Trumps Kampagne gespendet. „Sie haben einen wahren Freund und Fürspreche­r im Weißen Haus“, versprach der Präsident bei der Versammlun­g.

Obwohl die NRA argumentie­rt, dass die Ausstattun­g möglichst vieler gesetzestr­euer Bürger mit Waffen die Welt sicherer mache, sind während der Trump-Rede in Dallas keine Schusswaff­en erlaubt. Nachdem Parkland-Schüler der Organisati­on Doppelmora­l und Verlogenhe­it vorgeworfe­n hatten, meldete sich NRA-Sprecherin Dana Loesch zu Wort: „Die NRA hat gar nichts verboten. Das ist eine Entscheidu­ng des Secret Service“, betonte sie.

„Ich konnte eine Kriegswaff­e in kürzerer Zeit als einen Becher Kaffee kaufen.“

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