Wertinger Zeitung

Hirschhaus­ens Kampf gegen den Zucker

Viele Deutsche sind zu schwer. Ein Ärzte-Bündnis fordert, dass die Politik einschreit­en soll. Mit dabei ist auch der Fernseh-Mediziner

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Berlin Die Limo hätte weniger Zucker. In Schulen gäbe es keine ColaAutoma­ten und auch keinen Hausmeiste­r mit Schokorieg­el-Angebot. Im Supermarkt wären Quengelkas­sen ebenso abgeschaff­t wie die Werbespots für überzucker­te Kinderprod­ukte im TV. Und Zutatenlis­ten könnten Verbrauche­r ohne Fremdwörte­rbuch verstehen. So oder so ähnlich sähe die Zukunft aus, wenn ein Bündnis aus mehr als 2000 Ärzten – darunter Eckart von Hirschhaus­en –, Fachorgani­sationen und Krankenkas­sen mit seinen Forderunge­n Gehör fände.

Zum Schutz der Menschen vor ungesunder Ernährung appelliert das Bündnis in einem am Mittwoch vorgestell­ten offenen Brief an die Bundesregi­erung, verbindlic­he Vorgaben zu machen. Die Unterzeich­ner sprechen sich für eine Zuckersteu­er, verständli­chere Kennzeichn­ungen, Werbeverbo­te und Standards für die Schul- und KitaVerpfl­egung aus. Nur damit könnten auch bildungsfe­rne Schichten erreicht werden, hieß es – Aufklärung allein reiche nicht.

Die Forderunge­n stehen teils schon seit Jahren im Raum, bislang setzt die Bundesregi­erung aber auf freiwillig­e Vereinbaru­ngen mit der Lebensmitt­elindustri­e und Programme zur Ernährungs­bildung. Auch die Industrie lehnt etwa eine Zuckersteu­er als „Symbolpoli­tik“ab, krankhafte­s Übergewich­t hänge von vielen Faktoren ab, zum Beispiel dem Lebensstil.

„Wir haben einfach keine Geduld mehr“, sagte der Präsident des Be- rufsverban­ds der Kinder- und Jugendärzt­e (BVJK), Thomas Fischbach, in Berlin über die gemeinsame Initiative mit der Deutschen Diabetes Gesellscha­ft, der Verbrauche­rschutzorg­anisation Foodwatch, der Techniker Krankenkas­se und dem AOK Bundesverb­and. Die Ärzte sähen, dass die Gesundheit der Menschen in Deutschlan­d drastisch leide, so Fischbach. „Bitte machen Sie ernst mit der Prävention von Adipositas, Typ-2-Diabetes und anderen chronische­n Krankheite­n“, heißt es in dem offenen Brief.

Gegen die Folgeerkra­nkungen gebe es keine Tablette und keine OP, vorbeugen lasse sich am besten mit Bildung und auch staatliche­r Lenkung, sagte der Arzt und TV- Moderator Eckart von Hirschhaus­en. Er wundere sich, warum man in Deutschlan­d bei dem Thema „so einen Eiertanz“mache – zumal Zucker ein gewisses Suchtpoten­zial habe. Er rechne damit, dass es einen ähnlichen Verlauf geben werde wie bei der Einführung des Rauchverbo­ts in Kneipen und Restaurant­s vor Jahren. Nach anfänglich­em Aufschrei vermisse dort inzwischen niemand den Qualm.

Die Einführung einer Steuer auf gesüßte Getränke könne ein Anreiz für Hersteller sein, den Zuckergeha­lt zu senken, wird im offenen Brief argumentie­rt. Die Einnahmen daraus ermöglicht­en es auch, Obst und Gemüse billiger zu machen. Erfahrunge­n aus Ländern wie Mexiko, Finnland und Frankreich zeigten darüber hinaus, dass mit dem höheren Preis auch der Konsum dieser Getränke zurückgehe.

Keinen Handlungsb­edarf sehen hingegen die Hersteller: Die Wirtschaft­svereinigu­ng Alkoholfre­ie Getränke verweist darauf, dass der Konsum von Erfrischun­gsgetränke­n pro Kopf in Deutschlan­d bereits von 125,5 Litern 2013 auf 113,9 Liter 2017 gesunken sei. „Wir als Lebensmitt­elwirtscha­ft benötigen keine Belehrunge­n von Interessen­gruppen, weil wir seit Jahren handeln und beispielsw­eise stetig innovative Rezepturen entwickeln, bestehende optimieren und über Nährwerte und Inhaltssto­ffe aufklären“, erklärte der Spitzenver­band der deutschen Lebensmitt­elwirtscha­ft BLL. „Wir zeigen Verantwort­ung und sind dialogbere­it.“Gisela Gross, dpa

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Foto: dpa Eckart von Hirschhaus­en setzt sich für eine Zuckersteu­er ein.

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