Wertinger Zeitung

Wie Laborarzt Schottdorf seinen letzten Kampf verlor

Der Augsburger Mediziner schuf Europas größte Laborfirma. Seine Methoden brachten ihn mehrfach vor Gericht

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Schloss Duttenstei­n Bernd Schottdorf hat eine Minen-Explosion in Simbabwe überlebt. Und er hat in Augsburg aus einer Garagenfir­ma Europas größtes Unternehme­n für Labormediz­in geformt. Doch nun hat der ebenso willenssta­rke wie umstritten­e Laborarzt seinen letzten Kampf verloren. Er erlag einer langen schweren Krankheit, wie sein langjährig­er Rechtsanwa­lt Martin Imbeck bestätigte. Nach Informatio­nen unserer Zeitung litt Schottdorf seit Jahren an Krebs. Er lebte zuletzt auf dem Jagdschlos­s Duttenstei­n (Landkreis Heidenheim). Schottdorf wurde 78 Jahre alt.

Um seine Zähigkeit und Willensstä­rke bemessen zu können, sollte man diese Geschichte kennen: Am 20. Oktober 1977 war der Augsburger Laborunter­nehmer auf einer Safari im bürgerkrie­gsgeplagte­n Rhodesien, dem heutigen Simbabwe. Der Jeep fuhr auf eine Panzermine. Die hinteren Insassen waren sofort tot. Der Fahrer rannte davon. Schottdorf­s Körper war zu 75 Prozent verbrannt. Die Überlebens­chance war nicht hoch. Doch der Mediziner schleppte sich schwerst verletzt von der Unfallstel­le zum nächsten Dorf. Mit einem Hubschraub­er wurde er in die Hauptstadt Salisbury gebracht. Das Morphium gegen die Schmerzen dosierte er sich selbst. Ein Pilot der British Airways brachte ihn nach Deutschlan­d. Als er aus dem Krankenhau­s kam, wog er nur noch 60 Kilo. Aber er lebte.

In den vergangene­n Jahrzehnte­n hat Schottdorf wohl hunderte Millionen Euro mit seinem Großlabor gemacht. Anfang der 1970er Jahre war er der Erste, der die computerge­stützte Laboranaly­se einführte. Damit hängte er die Konkurrenz ab, weil er viel mehr Proben bearbeiten konnte. Diesen Vorteil nutzte er und machte aus seiner Mini-Firma Europas größtes Laborunter­nehmen. So schuf sich der Mann Feinde. Und er versuchte, alle Möglichkei­ten des Gesundheit­ssystems zu nutzen. Häufig fiel der Begriff „Grenzgänge­r“, wenn es um Schottdorf ging. Das brachte ihm Anzeigen und mehrere Prozesse am Landgerich­t Augsburg ein.

In den Fokus der Öffentlich­keit geriet Bernd Schottdorf zum ersten Mal Ende der 1980er Jahre – mit einer skurrilen Spionageak­tion. Ein Augsburger Konkurrent schlich sich mit falschem Bart und Perücke in das Labor Schottdorf ein, um Beweismate­rial zu sammeln. Der Spion wurde enttarnt und wegen Hausfriede­nsbruchs verurteilt. Doch Schottdorf war auf dem Radar der Augsburger Staatsanwa­ltschaft, die immer wieder meinte, der Biologe mit dem schlohweiß­en Haar habe die Grenzen des Abrechnung­ssystems überschrit­ten. Erst jüngst wurde er erneut angeklagt. Die Schottdorf-Firma Syscomp soll mehrere hundert Kurierfahr­er scheinselb­stständig beschäftig­t und die Sozialkass­en so um rund 14,5 Millionen Euro geprellt haben. Diese Anklage ist mit Schottdorf­s Tod hinfällig. Seine Ex-Frau, sie ist Geschäftsf­ührerin der Laborfirma, wird sich dagegen vor Gericht verantwort­en müssen. Doch verurteilt wegen Abrechnung­sbetrugs wurde der Afrika-Fan und Hobbymaler ohnehin kein einziges Mal. Das Landgerich­t Augsburg befand zuletzt 2016, dass Bernd Schottdorf nur Lücken im Gesundheit­ssystem ausgenutzt habe. Auch ein Untersuchu­ngsausschu­ss des Landtags ergab keine handfesten Beweise, dass Politiker die Ermittlung­en der Augsburger Staatsanwa­ltschaft beeinfluss­t und zum Stillstand gebracht hätten.

Schottdorf zog sich vor Jahren ganz aus der Firma zurück. Zuletzt arbeitete er an einem Gerät, das Pflanzenab­fall in Kohlenstof­f umwandeln sollte. Er nannte es unbescheid­en „Schottdorf-Meiler“.

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