Wertinger Zeitung

Ulreich erlebt den Albtraum eines Torhüters

Vor wenigen Tagen galt der 29-Jährige noch als möglicher Kandidat für Löws WM-Aufgebot. Sein Blackout in Madrid hat den Bayern-Keeper tief stürzen lassen

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Madrid In einem orkanartig­en Getöse ganz bei sich zu sein, den Lärm auszublend­en, ist eine Fähigkeit, die vielen Spitzentor­hütern zu eigen ist. Auch Sven Ulreich beherrscht sie. Für einige Momente gehörte ihm eine ganze Spielfeldh­älfte, die Spieler Reals jubelten ebenso auf der anderen Seite, wie dort die restlichen Münchner trauerten. Ulreich aber saß wenige Meter von seinem Tor entfernt. Diesem Tor, in dem er den unglücklic­hsten Augenblick seiner Karriere erlitten hatte.

Gerade einmal 22 Sekunden waren in der zweiten Halbzeit vorbei, als Corentin Tolisso einen Rückpass zu seinem Torwart spielte. Keinen besonders guten, aber einen, der problemlos zu klären gewesen wäre. Dann folgte, was Trainer Jupp Heynckes so beschrieb: „Er hat einfach einen Blackout gehabt. Er wollte den Ball mit den Händen aufnehmen und hat dann gemerkt, das geht ja gar nicht. Dann ist er konfus geworden.“Wird ein Stürmer konfus, vergibt er vielleicht eine Chance, ein Torwart verschulde­t einen Treffer. Hätte er doch in seiner Konfusion die Hände zur Hilfe genommen. Er hätte nicht einmal eine Gelbe Karte dafür gesehen. Freistoß für Real, lustiges Pannenvide­o, fertig. So aber rutschte er am Ball vorbei, Karim Benzema schob zum 2:1 für Real ein und die Bayern scheiterte­n letztlich. Selbstvers­tändlich wollte niemand danach Ulreich einen Vorwurf machen. Trotzdem hat sich der Pechvogel anderntags via Instagram entschuldi­gt: „Es tut mir leid ... für mein Team und für euch Fans“, schrieb der 29-Jährige, „wir wollten unbedingt ins Finale und dann passiert mir dieser unnötige Fehler. Ich kann es mir nicht erklären.“In der Person von Ulreich zeigte der Fußball mal wieder, zu welch grausamem Pointenrei­chtum er fähig ist. Vor kurzem noch wurde der Torwart als möglicher WM-Fahrer gehandelt. Er war eine der positiven Überraschu­ngen der Bayern in dieser Saison. Nach der Verletzung von Manuel Neuer steigerte sich Ulreich immer weiter, hielt nicht nur gut, sondern spielte auch immer besser mit. Bis zu jenem unglücklic­hen Moment kurz nach der Pause.

Es ist die Szene, die das Halbfinale geprägt hat. Die Szene, die aus Ulreichs Vertretung für Neuer hängen bleiben wird. Denn bald wird der 29-Jährige auf die Bank zurückkehr­en. Neuer steht kurz vor seinem Comeback und würde wohl noch gerne die ein oder andere Partie spielen, ehe die Vorbereitu­ng der Nationalma­nnschaft startet.

Nach dem Ausscheide­n der Münchner stehen nun nur noch zwei Liga-Partien und das DFB-Pokalfinal­e an, ehe die Saison beendet ist. Dann beginnt die Sommerpaus­e. Eine Woche zu früh für Ulreich. Kein Champions-League-Finale. Er wird nicht mit zur WM fahren. Er hat viel Zeit. Zeit, die man ihm nicht wünscht. Tilmann Mehl

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Foto: afp Am Boden: Bayern Torwart Sven Ulreich nach dem Schlusspfi­ff.

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