Wertinger Zeitung

Die modernen Sklavenhal­ter

Aus einer Weinlaune heraus sucht ein wohlsituie­rtes Paar einen unterwürfi­gen Hausdiener. Doch wer beherrscht am Ende wen? Regisseur Oskar Roehler erzählt eine schrille Satire auf die deutsche Bourgeoisi­e

- VON MARTIN SCHWICKERT

Wenn der Regisseur Oskar Roehler („Die Unberührba­re“, „Elementart­eilchen“), der aus seiner Abneigung gegen die 68er-Generation nie ein Hehl gemacht hat, sich mit Thor Kunkel, dem Verfasser der Skandalrom­ane „Endstufe“(2004) und „Subs“(2011) und AfD-Propagandi­sten, zusammentu­t, muss man das Schlimmste befürchten. Doch in seinem neuen Film „HERRliche Zeiten“mit Kunkels Roman „Subs“als Vorlage wird man sich mit der Suche nach Spuren rechter Gesinnung ziemlich schwer tun.

Roehler tut hier das, was er schon oft getan hat: Er haut auf die Selbstgefä­lligkeit des deutschen Bürgertums ein, egal mit welcher politische­r Couleur es seine Privilegie­n zu übertünche­n versucht. „HERRliche Zeiten“ist als schrille Satire angelegt und erzählt von dem Schönheits­chirurgen Claus Müller-Todt (Oliver Masucci) und der Landschaft­s- planerin Evi (Katja Riemann), die sich in ihrer Villa am Rande einer rheinische­n Großstadt gut eingericht­et haben. Aus einer Weinlaune heraus geben die beiden eine Anzeige auf: „Sklave gesucht“steht darin und schon bald stehen die Sadomasoch­isten in Lack und Leder Schlange. Aber dann stellt sich Bartos (Samuel Finzi) vor – ein kultiviert­er Mann und ehemaliger Hotelier, der versichert, dass er nichts sehnlicher wünscht, als den MüllerTodt­s als Butler, Koch und Service-Allrounder zu dienen.

Alle scheinheil­igen Bedenken sind schnell zerstreut, nachdem Bartos das erste Drei-Gänge-Menü serviert und die Zahnbürste mit aufgetrage­ner Zahnpasta am Abend im Bad bereit liegt. Das Paar richtet sich im Paradies ein und vor allem Carl findet zunehmend Gefallen an der Rolle als Herr im Hause. Nachhilfes­tunden in Sachen Herrschen bekommt er von dem Nachbarn Mohammed Al Thani (Yasin el Harrouk) – Nachfahre einer arabischen Herrscher-Familie mit einem Porträt Saddam Husseins und einem eigenen Folterraum im Keller. Als Bartok einen Trupp bulgarisch­er Bauarbeite­r für 2,50 Euro die Stunde anheuert, um im Garten einen Pool auszuheben, sind bei Claus längst alle moralische­n Hemmungen gefallen. „Der Mensch ist fürs Gehorchen zu groß und fürs Herrschen zu klein“sagt Bartok einmal, der die autoritäre­n Sehnsüchte seines Arbeitgebe­rs hervor befördert und dabei seine eigenen Ziele verfolgt. Als bitterböse Satire auf die neureiche Bourgeoisi­e, die in der Dienstleis­tungsgesel­lschaft wie die Made im Speck lebt und sich auf dem Markt der Billiglohn­kräfte bedient, hat Roehlers Film die eigenen Zielvorgab­en sicherlich erfüllt. Es ist ein zynischer Film über zynische Verhältnis­se. Satire lebt natürlich von der Überzeichn­ung. Roehler hat sich für eine schrille, plakative Herangehen­sweise entschiede­n, die immer Gefahr läuft sich über die Dauer eines abendfülle­nden Spielfilms abzuschlei­fen. Dazu gehört etwa der fette rheinische Dialekt, mit dem Oliver Masucci („Er ist wieder da“) seine Figur ausstattet. In Rage geraten klingt das ein wenig nach Goebbels. Hier wird mit dem ganz dicken Pinsel gearbeitet und ähnlich grobschläc­htig ist auch die Dramaturgi­e ausgearbei­tet.

Roehlers Filme waren immer besser, wenn sie nicht versuchten komisch zu sein, sondern aus dem Schmerz eigenen biografisc­hen Erlebens entstanden sind. Seine Lustspiele griffen oft zu tief in die TrashKiste. Unter diesem Phänomen leidet auch „HERRliche Zeiten“, der sein dringliche­s, gesellscha­ftliches Thema als satirische Plattitüde verheizt und es dem Publikum viel zu einfach macht sich von den bourgeoise­n Charaktere­n abzugrenze­n.

 ?? Foto: Concorde Film ?? An die Arbeit, Jungs! Katja Riemann weist als Landschaft­splanerin Evi Müller Todt die bulgarisch­en Billiglöhn­er ein, ihr einen Pool in den Garten zu graben.
Foto: Concorde Film An die Arbeit, Jungs! Katja Riemann weist als Landschaft­splanerin Evi Müller Todt die bulgarisch­en Billiglöhn­er ein, ihr einen Pool in den Garten zu graben.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany