Kliniken: Schon wieder ein Fragezeichen
Die Notfallversorgung wird reformiert. Doch was heißt das für den Landkreis?
Landkreis Noch ist die Geburtshilfe am Dillinger Kreiskrankenhaus geschlossen. Am 1. Juli soll es dort weitergehen. Doch schon taucht ein neues Problem auf: Die Notfallversorgung an deutschen Krankenhäusern soll reformiert werden (wir berichteten). Künftig sollen die Häuser eingestuft werden: Stufe 1 – Basisnotfallversorgung, Stufe 2 – Erweiterte Notfallversorgung und Stufe 3 – Umfassende Notfallversorgung. Das Konzept stammt vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), dem Selbstverwaltungsorgan der Ärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland. Demnach sollen 628 der 1748 deutschen Kliniken keine Notfälle mehr behandeln. Aber welche? In einem vertraulichen Papier, das unserer Zeitung vorliegt, sind die beiden Kreiskliniken Dillingen und Wertingen bislang nicht als Notfallkrankenhäuser eingestuft. Doch beide könnten die Basisstufe Notfallversorgung durch geringfügige Anpassungen erreichen, steht in den Unterlagen.
Barbara Jahn-Hofmann sieht hinter dem Konzept noch viele Fragezeichen. Die Betriebsdirektorin des Wertinger Krankenhauses vertritt zurzeit mit ihrer Dillinger Kollegin Sonja Greschner den erkrankten Geschäftsführer der beiden Kreiskliniken Uli-Gerd Prillinger. „In 1 würden wir reinkommen“, erklärte Jahn-Hofmann am Mittwoch. Die Kriterien der inoffiziellen Liste würde Dillingen erfüllen. Zwar steht dort, dass das ComputerTomographie-Gerät fehlt, doch das sei in Dillingen durchaus vorhanden, sagte Jahn-Hofmann. Fielen beide Häuser aus der Notfallversorgung heraus, hätte das unter anderem finanzielle Folgen. Bislang erhalten Krankenhäuser, die eine Notaufnahme haben, pro behandeltem Fall grundsätzlich 50 Euro. Fachkliniken zum Beispiel, die der Notfallversorgung nicht nachkommen, werden die 50 Euro entsprechend abgezogen.
Wie Landrat Leo Schrell mitteilte, soll über die Zu- und Abschläge bereits in acht Wochen, am 30. Juni, verhandelt werden. Alle Krankenhäuser, die im Sinne dieser Stufen an der Notfallversorgung teilnehmen, werden die noch auszuhandelnden Zuschläge erhalten. Krankenhäuser, die nicht teilnehmen, müssen Abschläge hinnehmen.
Doch nicht nur das Geld würde dann fehlen, erklärt Barbara JahnHofmann: Fällt die Notaufnahme weg, fehlen damit auch die Patienten. Und sie erinnert an die Monate Januar und Februar dieses Jahres, als aufgrund der zahlreichen Grippefälle manche Krankenhäuser keine Notfälle mehr aufnehmen konnten. In Dillingen seien deswegen einige Patienten aus Nachbarland- kreisen behandelt worden. Für solche Situationen müsse man gerüstet sein. Diese Probleme würden sich verschärfen, wenn Notaufnahmen geschlossen werden. Barbara JahnHofmann denkt, dass sich nach dieser Erfahrung auch Rettungsdienste gegen das Konzept stark machen werden. Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ist dagegen. Doch der Beschluss des G-BA ist laut Landrat Schrell die Grundlage der Verhandlungen zwischen dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der DKG über Zu- und Abschläge für die Teilnahme an der Notfallversorgung. Gelten soll der Beschluss voraussichtlich ab dem 1. September 2019.
Der Landrat hält den G-BA-Beschluss zur Einführung eines gestuften Systems von Notfallstrukturen in Krankenhäusern für völlig inakzeptabel. Aus seiner Sicht würde die Umsetzung in vielen Fällen die Notfallversorgung erschweren und verteuern. „Deshalb muss die Politik dringend regulierend eingreifen“, fordert Schrell. Die aus seiner Sicht überzogenen Kriterien und Maßstäbe hätten das offensichtliche Ziel, die Leistungsberechtigung einzelner Krankenhäuser infrage zu stellen. Diese Vorgehensweise der Kassen sei Teil deren Strategie, mit überzogenen Qualitätsanforderungen die Schließung von Krankenhäusern zu erreichen. Für den Zweck des StuStufe fenkonzeptes, Anhaltspunkte für besser ausdifferenzierte Zu- und Abschläge zu liefern, seien viele der zur Beschlussfassung anstehenden Kriterien aus Schrells Sicht ungeeignet. „Es besteht die Gefahr“, fürchtet der Landrat, „dass viele Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung, also auch unsere beiden Kliniken in Dillingen und Wertingen, Vergütungsabschläge hinnehmen müssten.“Darüber hinaus habe er die große Sorge, dass der Beschluss des G-BA als Qualitätsstrukturkonzept mit der Folge gewertet werden könnte, dass Berechtigungen zu Leistungserbringungen infrage gestellt werden und dass schließlich Gerichte im Falle von Schadenshaftungsprozessen diese Kriterien zur Norm machen könnten.
„Die Qualität der Patientenversorgung muss im Zweifel über den finanziellen Interessen eines einzelnen Krankenhauses stehen“, teilte am Mittwoch Ann Marini vom GKV-Spitzenverband mit. Jeder Patient, der in eine Notaufnahme kommt, sollte sicher sein, dass ihm dort schnell und kompetent geholfen wird. Das sei bislang nicht in jeder Klinik mit dem Schild Notfallversorgung sichergestellt gewesen – weil es bislang in Deutschland keine verbindlichen Standards für Notaufnahmen gab. So hätten in ganz Deutschland über 600 Kliniken keine Intensivstation. Damit seien sie für Notfälle nicht die beste Anlaufstelle gewesen. Ann Marini geht davon aus, dass künftig mehr als jedes zweite Krankenhaus in Bayern aufgrund des medizinischen Angebots einen finanziellen Zuschlag speziell für die Notfallversorgung erhält.
Zurzeit prüfen die Landesbehörden noch, welche Kliniken welche Stufe des neuen Notfallkonzeptes erfüllen. Für die Erfüllung einzelner Kriterien sind laut Gudrun Köster vom G-BA Übergangsfristen vorgesehen. Barbara Jahn-Hofmann geht davon aus, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. „Wir gehen das Thema selbst auch pro-aktiv ran, reden mit Verbänden und unseren Chefärzten und suchen nach einer Lösung.“(mit pm)